Die Autobranche ist laut einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey auf einem guten Weg, die Dekarbonisierungsziele für den Sektor zu erreichen. Mit 75 Prozent Marktanteil von E-Autos an allen neu zugelassenen Pkw im Jahr 2030 werde Europa den Wandel anführen, vor dem in absoluten Zahlen größten E-Automarkt China mit 70 Prozent und den USA mit 65 Prozent Anteil. In der Europäischen Union könnte so 2030 jeder vierte Pkw – insgesamt mehr als 70 Mio. Fahrzeuge – auf den Straßen bereits einen elektrischen Antrieb haben.
Dieser fundamentale Wandel betreffe nicht nur die Autohersteller und die Zulieferer, sondern gehe weit darüber hinaus: 24 Batterie-„Gigafactories“ würden in Europa benötigt, jede Woche müssten 15.000 neue öffentliche und halb-öffentliche Ladepunkte gebaut werden, so die Studienautoren. Und der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energien werde um 5 Prozent steigen.
„Weltweit gewinnt die E-Mobilität weiter an Fahrt – die Industrie steht vor dem größten Umbauprozess ihrer Geschichte“, sagt Andreas Tschiesner, Leiter der europäischen Automobilberatung von McKinsey. „Immer mehr Autohersteller geben konkrete Ausstiegsdaten für den Verbrennungsmotor bekannt, das Kundeninteresse wächst weiter und die Regulierung wird verschärft.“ Dieser Wandel betreffe insbesondere folgende Bereiche:
Neue Wertschöpfungsketten: Neue Mobilitätsformen würden neue Komponenten wie Batterien, E-Motoren und Leistungselektronik für Elektrofahrzeuge erfordern, erklärt McKinsey. Diese wachsenden Komponentengruppen sollen 2030 mehr als die Hälfte des Marktes ausmachen. Klassische Verbrennungsmotor-Teile wie Getriebe, Motoren und Einspritzsysteme stünden dann nur noch für 10 Prozent des Marktes für Autokomponenten – eine Schrumpfung auf die Hälfte. Nach einer Schätzung des ifo-Instituts würden 100.000 Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie von diesem Wandel betroffen sein – 5 bis 10 Mal mehr als beim Kohleausstieg.
Ausbau der Batterieproduktion: Um die Pkw-Nachfrage zu bedienen, müsse die Batterieproduktion in der EU um den Faktor 16 ausgebaut werden – auf 786 GWh im Jahr 2030. Der Batteriemarkt entwickele sich dabei sehr dynamisch: Neben bekannten Herstellern, die 2030 für 29 Prozent des Volumens stehen, würden Joint Ventures von Autoherstellern (30 %) und Startups (24 %) eine gewichtige Rolle spielen.
Flächendeckende Ladeinfrastruktur: Die erste Generation der E-Auto-Besitzer habe ihre Autos vor allem zu Hause geladen. „Die nächste Generation wird viel stärker auf öffentliche und halböffentliche Ladepunkte angewiesen sein; so leben zum Beispiel mehr als 50 Prozent der Europäer in Mehrfamilienhäusern. Die Industrie muss daher bis 2030 15.000 Ladepunkte, beispielsweise an Arbeitsplätzen, neu in Betrieb nehmen – und das jede Woche“, sagt Patrick Schaufuss vom Münchner McKinsey-Büro. „Außerdem müssen Hersteller und Energieversorger die Voraussetzungen für ein smartes Laden schaffen, das Stromnachfrage und Angebot zusammenbringt.“
Dekarbonisierung der Produktion: Über den gesamten Lebenszyklus – rund 240.000 km für ein Mittelklassefahrzeug – habe ein batterieelektrisches Fahrzeug im Vergleich zu einem Verbrenner einen CO2-Vorteil zwischen 65 Prozent und 80 Prozent. Da E-Autos im Betrieb bei Ladestrom aus erneuerbaren Energien annähernd CO2-neutral seien, rückten die Emissionen aus der Fahrzeugproduktion in den Fokus, so die Analysten weiter. Diese seien heute für batterieelektrische Fahrzeuge rund 80 Prozent höher als für einen Verbrenner, könnten allerdings – bis zu einem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien – durch einen erhöhten Anteil von recyceltem Material und die Verwendung von „grünen“ Rohmaterialien reduziert werden.
Weitere Schritte zum 55 Prozent-Ziel nötig: „Trotz der intensiven Anstrengungen und der bestehenden Regulierung reichen die aktuellen Schritte noch nicht aus, um das Klimaschutzziel von minus 55 Prozent CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu schaffen“, sagt Schaufuss. Zwar werde die Neuwagenflotte im nächsten Jahrzehnt immer emissionsärmer werden, allerdings dauere die Erneuerung der gesamten Pkw-Flotte länger. Die Nutzung von Bio- und synthetischen Kraftstoffen, eine Reduktion der Kilometer, die mit Verbrennern gefahren werden, intelligente Verkehrssysteme mit weniger Staus sowie eine Förderung der Erneuerung des Bestandes sehr alter Verbrennermodelle seien mögliche Hebel, um das 55 Prozent-Ziel zu erreichen.
Thomas Mack meint
Da geht etwas durcheinander.
Im Artikel ist die Rede von 75% BEV-Anteil an den NEUZULASSUNGEN und etwa 25% im Fahrzeugbestand.
In der Überschrift wird daraus die dreifache Menge im Bestand.
ecomento.de meint
In der Überschrift steht „Neuwagen“.
VG | ecomento.de
Gunnar meint
75% BEV oder EV?
David meint
Da es nicht explizit steht, inklusive Hybriden. Trotzdem ne hohe Zahl.
Gunnar meint
Dann ist es leider eine sehr niedrige Zahl, wenn es BEVs und PHEVs zusammenfasst.
Für viele Länder heißt das ein mickriges Durchschnittliches Wachstum von knapp 5% pro Jahr beim Marktanteil.
Lewellyn meint
Wenn man das über die letzten Jahre verfolgt hat, ging das von 10% über 25, 50 nun 75% aller Neuwagen wären 2030 elektrisch.
Spannender ist die Frage, wer 2030 die 25% Verbrenner kaufen soll?
Sebastian meint
anders herum gefragt: Wenn mit fast 10T Euro Förderung nur 11 Prozent Neuzulassungen zu Stande kommen, wie sollen dann in Kürze… weiter weg ist 2030 nicht, 75% elektrisch fahren und warum? 30.000 euro für einen elektrischen Kleinwagen ist nicht sexy, völlig Banane wie die laufenden Kosten sind.
Ich würde es sogar anders herum probieren… wenn E-Autos nicht auch elektrisch ausgeliefert werden können, dann kann das Thema doch soo nachhaltig gar nicht sein.
Spinnt man die dinge mal ernsthaft zu Ende, dann darf max. das THW in Kriseneinsätzen weiterhin mit Diesel fahren… oder?
Oder ist die Technik doch nicht sooo ausgereift?
Andreas meint
„30.000 euro für einen elektrischen Kleinwagen ist nicht sexy, völlig Banane wie die laufenden Kosten sind.“
Das hat nichts mit Banane zu tun. Sie verstehen nicht die Gesamtkostensituation eines Autos.
Stefan meint
Verständnis hin oder her, das haben vermutlich die Wenigsten; Realität ist jedoch, dass im privaten Dunstkreis der Anschaffungspreis in den Top 2 der Argumente gegen BEV liegt