Das deutsche Mess- und Eichgesetz (MessEG) soll sicherstellen, dass die Abrechnung von Strom an Elektroauto-Ladesäulen einheitlich und transparent nach Kilowattstunden (kWh) erfolgt. Eigentlich sollten die hiesigen Strom-Tankstellen bereits den Vorgaben entsprechen, nach einem Bericht sind aber viele öffentliche Schnellladesäulen illegal in Betrieb.
Das Eichrecht soll gewährleisten, dass der Kunde nur die Energie bezahlt, die in sein Fahrzeug fließt, nicht aber beim Ladevorgang entstehende Stromverluste. Dass an vielen Ladesäulen weiter keine eichrechtkonforme kWh-Abrechnung erfolgt, liegt auch am mangelnden Angebot entsprechender Technik. Derzeit haben dem Handelsblatt zufolge nur vier Hersteller solche Schnellladesäulen im Angebot, einige Produkte seien erst diesen Sommer 2021 von den Behörden abgesegnet worden.
In den letzten Jahren wurden Tausende nicht gesetzeskonforme Ladestationen installiert, die nun umgerüstet werden müssen. Für die Ladeinfrastruktur-Betreiber hat der schleppende Fortschritt bislang keine ernsten Folgen, da die Eichbehörden noch auf die eigentlich fälligen Bußgelder verzichten. Den Firmen bleiben damit Strafen von bis zu 50.000 Euro erspart. „Mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium wurde abgestimmt, die Elektromobilität und den Ladesäulenaufbau nicht zu behindern“, sagte Thomas Schade vom Bayerischen Landesamt für Maß und Gewicht dem Handelsblatt.
Auch die Eichbehörden in anderen Bundesländern dulden offenbar die Gesetzesverstöße. Vom Bundeswirtschaftsministerium heißt es: „Hinsichtlich des Eichrechts haben die Länder beim Vollzug ein Ermessen, das sie pflichtgemäß ausüben müssen.“ Sie müssten dabei abwägen, welches Mittel zur Abhilfe eines rechtswidrigen Zustands angemessen ist. „Ist eine Ladesäule nicht eichrechtskonform, so wäre ihre sofortige Stilllegung das härteste Mittel“, schreibt das Ministerium. „Würden wir das durchsetzen, würde die Ladeinfrastruktur in Deutschland zusammenbrechen“, sagte Schade. Seiner Schätzung nach sind ein Drittel der Ladesäulen in Bayern noch nicht auf dem eigentlich vorgeschriebenen Stand.
Ladenetz-Ausbau hat Priorität
„Diese Duldung ist vor allem dem politischen Willen geschuldet, schnell Ladeinfrastruktur aufzubauen und die Fördermittel auszugeben“, erklärte die Berliner Juristin Katharina Boesche. Die Eichbehörden müssten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, heißt es laut dem Handelsblatt vom Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW. Der Schaden etwa durch Falschmessungen müsse gegen den wirtschaftlichen Schaden der Unternehmer und Allgemeinheit abgewogen werden. Derzeit überwiege das Interesse der Allgemeinheit an vorhandener Ladeinfrastruktur.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass der Preisnachlass von 20 Prozent fortgesetzt wird, bis die Umrüstung komplett vollzogen ist. Da es keine Hinweise gebe, dass die Abrechnungen gefälscht werden, forderten die Verbraucherschützer bisher keine weiteren Maßnahmen. „Das könnte sich ändern, wenn wir feststellen, dass es bei der Umrüstung im Schlafwagen vorangeht.“ Die Eichbehörden in NRW merken an: „Wenn ein Betreiber Ladesäulen kauft, die nicht dem Mess- und Eichrecht genügen und mehrere Tausend Euro billiger sind als diejenigen, die dem Eichrecht genügen, dann könnte das den fairen Wettbewerb beeinträchtigen.“
Ursprünglich sollten schon Ende März 2019 alle Ladesäulen in Deutschland dem Eichrecht entsprechen. Vor allem bei Schnellladesäulen war die Technik anders als bei Normalladesäulen aber noch nicht so weit. Die Kosten für die Umrüstung auf die mittlerweile verfügbaren Lösungen gehen für die Betreiber in die Millionen. Je nach Hersteller entstehen nach Informationen des Handelsblatts Kosten von bis zu 6000 Euro pro besonders schnellem DC-Gerät, bei langsameren AC-Ladesäulen sind es etwa 500 Euro. Teilweise müssen Ladesäulen auch komplett ausgewechselt werden.
Hans Meier meint
Spannend :) als Tesla seine ersten Superchargerladesäulen aufgestellt hat & Frühdenker als privater Vorreiter vorwärts machen wollte kam Deutschland mit dem „Eichgesetz“ und „behördlichen“ Einsprachen um die Ecke und jetzt… „Mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium wurde abgestimmt, die Elektromobilität und den Ladesäulenaufbau nicht zu behindern“. Beamtentum Deutschland dem Deutschen & seiner Wirtschaft verplichtet. Genau so wie die vielen „Beamten“ an der IAA in München zur Zeit auf nachvollziebare & berechtigte Proteste in der gesetzlichen Grauzone mit Knüppel reagieren, darum die IAA auch in München und nicht Frankfurt… ein Trauerspiel, aber es zeigt eben wohin Deutschland langsam geht.
Jensen meint
In Sachen Abrechnung, gerade bei einer Vielzahl von Ladepunkten an einem Ort, wäre es ggf. zu überlegen, ein zentrales Gerät (ähnlich Automaten in Parkhäusern) für Freischaltung und Abrechnung einzusetzen. Günstiger im Betrieb könnte das auch sein. Da wären auch beinahe alle Abrechnungsarten samt Quittung denkbar.
Kasch meint
Neues unsinniges Messgerät, neue Elektronik samt Verträge für EC&Co, Stromsubventionierungantrag nach neuem „Deutschlandnetz“ parallel zur Sammelklage gegen die Subventionierung Auserwälter, etc. Auch ich würde meine Säulen abbauen, zum Hersteller karren und erst mal gaaanz lange abwarten. Vielen Dank Herr Scheuer, mal wieder ganze Arbeit geleistet.
150kW meint
Bevor du Scheuer beschuldigst, sollten deine Phantasien erst mal Realität werden.
alupo meint
Bei dem Umsatz den so eine Säule im Jahr erzielt ist es wirklich eine Überlegung wert, diese ggfs abzubauen und in einem anderen Land wieder aufzustellen.
Sie ist ja nicht kaputt, sondern nur bei uns nicht zulässig. Die anderen Länder werden sich freuen wenn sie günstig an gebrauchte, aber kaum benutzte Ladesäulen herankommen. Ist also eine Art Entwicklungshilfe.
Ich hoffe, Tesla macht in Deutschland keinen Fehler mit der Öffnung ihrer Ladesäulen. Aber mW. bezieht sich das zunächst doch nur auf wenige neue Säulen in Europa, genauer gesagt in Norwegen. Oder?
Jörg2 meint
Alupo,
mW. hast Du recht. Die TESLA-Ladestruktur-Öffnung wird in Norwegen beginnen und dort auch nicht flächendeckend.
Ich halte das für richtig.
In Norwegen gibt es keine Ladenot. Die Wahl der Ladesäule dort hat also mehr mit üblichen Marktgeschehen zu tun, als mit Notlagen. Und um diese Erfahrungen (wie läuft es im gesättigten Markt) geht es ja letztendlich.
Kasch meint
Zum Verständnis: Tesla hat kein öffentliches Ladenetz, hat somit auch keine Anforderungen für öffentliches laden zu erfüllen und wird eine Überführung seiner Bestandslader ins „öffentliche Netz“ in Deutschland tunlichst unterlassen.
Dass sich Tesla für Scheuers neues Programm incl. subventioniertem Strom bewirbt und ein zweites Ladenetz, neben anderen risikofreudigen Unternehmern, in Deutschland aufbaut, kann durchaus sein. Musk liebt ja offensichtlich rechtliches Chaos mit entsprechenden Herausforderungen, wie man am Projekt Grünheide sieht. Und wie er weltweit seine Ideen durchsetzen kann, hat er ja bereits als Teeny mit Paypal demostriert.
Sebastian meint
naja, die Vita von Elon in allen Ehren, aber aktuell merkt er doch auch das ganz banale und irdische Problem an seinem Stuhl sägen. Oder warum geht das meiste aus Giga Shanghai nach Europa? In Amerika sind BEVs so etwas wie bei uns in Deutschland die Bugatti Verons… bei Lichte betrachtet ist vieles, wenn nicht das meiste, medial einfach nur aufgebauscht.. selbst FSD ist ein Ladenhüter… nur 11% ordern den Krempel…
Dagobert meint
Schönes Ziel für einen Abmahnanwalt.
Sind Säulen die dem Eichrecht entsprechen von außen durch ein Sigel erkennbar?
Johannes meint
Es ist schon spannend, wie sich gewisse unwichtige Themen wie brennende Eletroautos, Eichrecht bei Ladestationen, Wasserstoff-Autos in einzelnen Medien hartnäckig halten und regelmässig aufgebrüht werden. Zum Glück fahren wir heute nicht mehr mit der Pferdekutsche, und danke an die Eisenbahnen, dass diese die schmutzigen Kohle-Lokomotiven durch Stromloks ersetzt haben.
Natürlich tun mir die Kohle-Heizer leid, die sich umschulen mussten. Und natürlich sieht eine fauchende, nostalgische Dampflok in Betrieb schon faszinierend und beeindruckend aus. Und auch ich habe mit einer Pferdekutsche geheiratet.
Aber jetzt müssen wir endlich mal die Welt retten!
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Müssen wir nicht eher uns retten? Die Welt kommt in 300 Jahren für die nächsten Mrd. Jahre auch ohne uns klar.
Berliner-Ansichtskarte meint
Dummerweise hat das „Eichrecht“ nur wirklich wenig mit „genauer Messung“ zu tun. EU-Weit gibt es sog. MID-Prüfung von Meßgeräten und Zählern. Da werden also Spannung am Ladestecker und der Strom im Ladegerät multipliziert – fertig. Abweichung < 0,1% – also sehr genau UND nur den netto-geladenen Autostrom (deswegen die Spanungsmessung am Ladestecker). Das "Eichrecht" ist darüber hinaus ein ziemlich aufwändiges Encrypt- und Speicherverfahren, was wirklich keiner braucht. Was zudem auch nicht weiter entwickelt oder verändert werden darf – sonst erlischt die Zertifizierung – toll!
Angenommen, jemand "liest" mit. Dann liest er, dass "jemand" in Hilden an der Säule 13 für 13,84 geladen hat. Klar, mit den Daten kann man sofort das neue World-Trade Center vernichten, deswegen gehören diese Daten ins Fort Knox, koste es, was es wolle.
Deswegen haben wir nicht nur kein lückenloses Ladenetz sondern ein rechtlich höchst fragiles dazu, wenn die Ladesäulen illegal und nur von "Ihro Gnaden derzeit toleriert werden". Wer hat schon Bock, bis 50.000€ Strafe für eine Säule zu blechen.
Aber so funktioniert Absurdistan zur Zeit.
MichaelEV meint
Ich glaube, sie sind hier der einzige, der versteht, worum es geht. Leider hört sich auch der Artikel irgendwie nach „am Thema vorbei“ an.
Die Genauigkeit der Messung ist überhaupt nicht Problem. Problematisch ist die Dokumentation der Ladevorgänge. Da die Rechnungsstellung zeitlich getrennt und von einer anderen Partei passiert, können evtl. Fehler (ob mit Absicht oder ohne) bei der Rechnungsstellung erst viel später festgestellt und reklamiert werden. Der Ladevorgang muss über längere Zeit an der Ladesäule nachvollzogen werden können, mit entsprechenden Maßnahmen, damit Manipulationen ausgeschlossen sind.
Yoshi84 meint
Viel wichtiger als absolut zu vernachlässigende Ladeverluste zu verhindern, wäre endlich eine einheitliche Tarifgestaltung und Abrechnung über EC- und Kreditkarte direkt an der Ladesäule. Meinetwegen auch Münzeinwurf wie am Zigarettenautomaten. War da nicht irgendeine diesbezügliche EU-Richtlinie, die mal wieder nicht oder nur schleppend-widerwillig umgesetzt wird?
LG
Jeru meint
Die Notwendigkeit einer Bezahlmöglichkeit per EC- und Kreditkarte über ein Tastenfeld (90er Jahre) wird mit dem Hinweis auf digitale Lösungen des 21. Jahrhunderts heftig diskutiert. Und Sie bringen den Münzeinwurf aus den 80er Jahren ins Spiel.
Was kommt als nächstes: Die Annahme von Mehrwegflaschen?
Sebastian meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Sebastian meint
Danke fürs löschen… eigentlich hätten Sie weiter vorne schon beginnen müssen… aber hey… Hausrecht schlägt eben Meinungsfreiheit.
Stevie meint
Danke für den Eingriff Ecomento. Meinungsfreiheit hört auch da auf, wo der Schutz der persönlichen Ehre vor Beleidigung oder Verleumdung nicht mehr gegeben ist.
Sebastian meint
persönliche Ehre? an der Ladesäule mit Münzen bezahlen… muss man wirklich jeden Unfug als Ehre bezeichnen?
DerMond meint
„Was kommt als nächstes: Die Annahme von Mehrwegflaschen?“ Wäre ich Betreiber einer großen Discounterkette würde ich nach dieser Anregung spaßeshalber sowas an einem Standort hinbauen lassen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Pro Pfandflasche á 25 Cent eine kWh, das passt.
Jörg2 meint
Wenn Daimler&Co große Teile ihrer privaten Neuwagen-Stammkäuferschicht mitnehmen wollen, dann ist EC (bis hin zu Hartgeld) keine schlechte Idee.
Da, wo 20 Ladesäulen stehen, ist bestimmt noch Platz für EINE Bezahlsäule zum Bespielen der ausgesuchten Ladesäule.
Als „Lösung des 21. Jahrhunderts“ kann die Datenanbindung „Bezahlsäule Ladesäulen“ ja drahtlos über satellitengestützes Internet erfolgen… ;-))
MichaelEV meint
Vielleicht möchte der Bauer noch seine Kartoffeln in Ladestrom umtauschen können.
Irgendwo war mal zu lesen, dass die Bezahlmethode aufgrund von Lobby-Interessen in die vorläufige Verordnung Einzug gehalten hat. Den armen Banken geht es schlecht und sie möchten auch ein paar Krümel vom Kuchen abhaben. Wollen kann man vieles, dass die Politik aber direkt springt, ist schon sehr beschämend.
Torsten meint
ich wüsste keinen Grund, warum ich unbedingt mit Kreditkarte oder gar Hartgeld zahlen müsste. Plug and Charge oder halt die Lieblingsapp reichen mir in der Praxis vollkommen aus.
Hab aber ein Frage: Fahren Sie elektrisch, also haben Sie Erfahrungen gemacht, die den Wunsch nähren?
Yoshi84 meint
Mir persönlich sind digitale Lösungen. (Apps etc.) natürlich auch lieber und ich komme mit diesen auch weitestgehend zurecht. Was ich mit meinem Kommentar lediglich im Sinn hatte, war, in der eh schon maximal verunsicherten Autofahrerschaft eine größtmögliche Bereitschaft zur Akzeptanz von BEV zu erzielen. Einfacher formuliert. Opa Helmut hat sein Leben lang Sprit war an der Tankstelle bezahlt. Er will auf seine alten Tage nicht mehr umlernen. Deswegen: Um alle Autofahrer*innen vom ICE aufs BEV unsteigen zu lassen, brauchen wir alle erdenklichen Bezahlmöglichkeiten. Mindestens EC-Karten, wobei diese für viele Menschen immernoch ein Buch mit 7 Siegeln sind. Schwer zu glauben, ist aber so. Man darf nicht immer von dem eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten auf Andere schließen.
LG
Sebastian meint
Opa Helmut wird die Ladesäule doch gar nicht finden! Der denkt da hat jemand einen alten Kühlschrank abgestellt und ruft das Ordnungsamt. Wenn wir die e-mobilität mit deinen Wünschen beginnen müssen, dann gute Nacht Deutschland. Münzfächer, Faxgerät, Pfandflaschen.. was noch?
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Spätestens wenn der Sprit nur noch ab 2 Euro / Liter aufwärts zu haben ist, wird der zitierte Opa Helmut (ich bin kein Freund von Altersdiskriminierung, bin auch schon über 60) ganz schnell lernen, dass die neue Einheit beim „Tanken“ kWh ist.
Blackmen meint
Den Ladesäulenstrom kann man tagsüber auch kostenlos abgeben.
Wird ja sonst für teuer Geld ins Ausland verkauft….
StromSchleuder meint
Opa Helmut lädt Zuhause und fährt nicht zur Ladesäule. Und sonst sollte das Auto mit der Säule kommunizieren, den Hausstromtarif hinterlegen und gut ist es. gerade beim Strom haben wir doch die Chance es einfacher und besser zu machen.
McGybrush meint
„Viele Ladesäulen ohne Eichrecht“
Aber sie sind da!
In Zeiten ohne Eichrecht für ein Pauschale von Intranzparenten 10Eur oder 5Eur voll zu laden fand ich gar nicht so schlecht.
Mit den Geeichten Säulen haben wir erreicht das nach einer Ladung von Tranzparenten 36Eur die 7. Nachkommastelle genau angezeigt werden kann.
Es sollte jedem frei stehen wie er abrechnet. Es muss nur vorher einsehbar sein.
DerMond meint
Dummerweise haben wir jahrhundertelange Erfahrung mit ehrbaren Kaufleuten und daher kann man in Eichangelegenheiten nicht dauerhaft großzügig agieren.