Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in einer groß angelegten Studie mit weiteren Forschungseinrichtungen im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne untersucht, wie Deutschland bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts klimaneutral werden kann.
Das im August 2021 aktualisierte Bundesklimaschutzgesetz schreibt vor, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gesenkt und bis 2045 Klimaneutralität erreicht werden soll. Ob Energie, Mobilität, Industrie oder Gebäude – alle Sektoren stehen vor einem grundlegenden Wandel. Florian Koller vom DLR-Institut für Verkehrsforschung leitet im Ariadne-Projekt das Arbeitspaket Verkehrswende. In einem vom DLR veröffentlichten Interview beschreibt er das Vorgehen und zentrale Ergebnisse aus dem Kapitel „Verkehr“ des ersten großen Ariadne-Szenarienreports.
Im Ariadne-Bericht sind die Forscher auf vier unterschiedliche Szenarien für den Verkehrssektor eingegangen. Im Fokus standen die Antriebswende und die damit verbundenen Technologien: die direkte Elektrifizierung über Batterien, der Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellen, die Verwendung von sogenannten E-Fuels – also strombasierten Kraftstoffen aus erneuerbaren Quellen – sowie ein Mix aus allen drei Technologien. Die Ergebnisse sollen die notwendigen Schritte zeigen, um die im Bundesklimaschutzgesetz verankerten Ziele für den Verkehrssektor zu erreichen. Die direkte Elektrifizierung spiele dabei eine sehr große Rolle, sagt Koller. Vor allem bis 2030 habe sie das meiste Potenzial, die Treibhausgas-Emissionen deutlich zu senken. „Denn die Technologie dahinter ist ausgereift und verfügbar. Effizienzgewinne lassen sich zeitnah umsetzen.“
Das Potenzial von Wasserstoff und E-Fuels sei auf kurze Sicht hingegen begrenzt. „Denn beide Technologien sind noch nicht ausreichend verfügbar und die Preise hoch“, erklärt Koller. Insofern seien Batterie-Fahrzeuge ein wichtiger Teil der Lösung, allerdings nicht der einzige. Das liege auch daran, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor immer noch vergleichsweise kostengünstig sind und noch lange auf den deutschen Straßen unterwegs sein werden. „Allein mit der Batterie-Antriebswende schaffen wir weder das kurzfristige Ziel, den CO2-Ausstoß im Verkehr bis 2030 zu halbieren, noch das langfristige Ziel von null Emissionen im Jahr 2045“, so der Forscher. Hinzu komme, dass sich nicht alle Verkehrsträger mit Batterien effizient elektrifizieren lassen. Ein Beispiel sei der Flugverkehr über lange Strecken.
Direkte & indirekte Elektrifizierung nötig
Die indirekte Elektrifizierung – also der Einsatz von Brennstoffzellen und erneuerbaren Kraftstoffen – werde besonders beim Schwerlastverkehr auf der Straße und der Schiene sowie beim Schiffs- und Flugverkehr eine entscheidende Rolle spielen, prognostiziert Koller. Hier sei ihr Einsatz sehr sinnvoll. Da im Pkw-Bereich auch 2045 noch Verbrenner-Fahrzeuge unterwegs sein würden, würden auch hier E-Fuels benötigt. Konkret heiße das: „Für alle Segmente und selbst im Pkw-Bereich werden wir Elektronen und Moleküle brauchen – also die direkte Elektrifizierung über Batterieantriebe genauso wie die indirekte Elektrifizierung über Brennstoffzellensysteme und E-Fuels.“
Sollte Deutschland über das Jahr 2045 hinaus einen Überfluss an erneuerbar erzeugtem Strom sowie die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung haben, könnten Brennstoffzellen und E-Fuels laut dem DLR auch im gesamten Mobilitätssektor zu einer Alternative werden. „Überall dort, wo wir direkt elektrifizieren können, sind Brennstoffzellen und E-Fuels zunächst eine sinnvolle und notwendige Ergänzung“, so Koller.
Um die direkte Elektrifizierung auf der Nachfrageseite voranzutreiben, müsse vor allem die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, erklärt der Verkehrsexperte. Der Zugang zu öffentlichen Ladepunkten stelle ein wesentliches Hemmnis für den Kauf von E-Autos dar. Außerdem könnte die Anschaffung konventioneller Verbrenner gegenüber dem Kauf von Null-Emissions-Fahrzeugen verteuert werden. Das ginge zum Beispiel über ein Bonus-Malus-System bei der Zulassung von Neufahrzeugen. Ob Verbrenner-Fahrzeuge weiter genutzt werden, werde auch die Höhe des CO2-Preises beeinflussen. „Was wir definitiv brauchen, ist eine weitere Senkung der Grenzwerte für die durchschnittlich erlaubten CO2-Emissionen, die für Neuzulassungen von Fahrzeugen in der EU gelten. Denn das ist auf Angebots-Seite ein sehr effizienter Hebel“, sagt Koller.
Die Deutschen müssten ihr Mobilitätsverhalten als Ganzes ändern, so Koller abschließend. Dazu gehöre es, den CO2-intensiven motorisierten Individualverkehr unattraktiver zu machen – zum Beispiel durch „Entschleunigung und Verteuerung“. Ein weiterer Lösungsansatz bestehe darin, den Verkehrsraum neu aufzuteilen und entsprechend zu nutzen: also „mehr Rad zu fahren, zu Fuß zu gehen und mit den Öffentlichen unterwegs zu sein“. Gleichzeitig müssten alle Maßnahmen mit einer Strategie verbunden sein, wie sich die Menschen auf diesem Wandel auf lange Sicht mitnehmen lassen. Manchmal werde die Politik darauf vertrauen und es aushalten müssen, dass die Bevölkerung die Vorteile einer Veränderung zunächst selbst erleben und realisieren muss, dass erwartete Nachteile tatsächlich gar nicht so ausfallen.
Rene meint
Was Herr Koller in seiner Betrachtung aussen vor lässt das die Disruption einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben wird und die Transformation entsprechend schneller vonstatten gehen wird, schon darum das die Grossinvestoren jetzt schon anfangen nicht mehr in fossile Produkte zu investieren ergo werden Fossile automatisch teurer.
Gunarr meint
Ein einfacher erster Schritt wäre die verpflichtende Beimischung von E-Fuels zum normalen Benzin. So wie es bei E5 und E10 bereits mit Bioethanol gemacht wird.
Diese Quote könnte man dann langsam steigern. So könnten wir uns langsam an die höheren Kosten für synthetischen Kraftstoff gewöhnen.
Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er ein billiges Auto mit teurem Benzin, oder ein teures Auto mit billigem Strom fahren will. Das wäre nicht nur effektiver als das aktuelle Subventionssystem, sondern auch demokratischer und marktwirtschaftlicher.
Günter meint
E-Fuels wachsen an Bäumen in handlichen Tüten? Oder doch nicht.
ein leichtes wäre es, die vorhandene Ökostrom Methoden massiv auszubauen.
DerMond meint
Dieser Schritt wäre für den Flugbereich wesentlich sinnvoller als für den Pkwbereich. Nicht dass es dort nicht bringen würde, aber aufgrund der geringen Anfangsmenge kann man das schlecht auf mehreren Sektoren durchziehen.
NiLa meint
Im PKW-Bereich oder dem Straßenverkehr allgemein ist es aber wesentlich leichter umsetzbar, als in der kaum regulierten Luftfahrt. Die Idee einer verpflichtenden, jährlich steigenden Beimischungsquote hat Charme.
EdgarW meint
@NiLa Irrtum. Im Flugverkehr gibt es an Bedingungen geknüpfte Landerechte (bzw Kostenstaffeln), seit Jahrzehnten zB bezüglich Schall-Emissionen – für echte Wirksamkeit (Verhinderung der Nutzung von Ausweich-Flughäfen) sind natürlich EU- bzw EWR-weite Regelungen nötig. Und auf jedem Flughafen wird aus Gewichtsgründen nachgetankt, die Zusammensetzung des Kraftstoffs kann man selbstverständlich regulieren.
NiLa meint
Man KANN vieles machen. Aktuell schafft man es aber nichtmal, Kerosin zu besteuern.
Thomas meint
„Das Potenzial von Wasserstoff und E-Fuels sei auf kurze Sicht hingegen begrenzt. „Denn beide Technologien sind noch nicht ausreichend verfügbar und die Preise hoch“, erklärt Koller. Insofern seien Batterie-Fahrzeuge ein wichtiger Teil der Lösung, allerdings nicht der einzige. Das liege auch daran, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor immer noch vergleichsweise kostengünstig sind und noch lange auf den deutschen Straßen unterwegs sein werden. „Allein mit der Batterie-Antriebswende schaffen wir weder das kurzfristige Ziel, den CO2-Ausstoß im Verkehr bis 2030 zu halbieren, noch das langfristige Ziel von null Emissionen im Jahr 2045“, so der Forscher.“
Da widerspricht er sich doch. Fakt, ist dass man gerade kurzfristig aufgrund der begrenzten Ausbaugeschwindigkeit der EE auf BEVs setzen muss. Wenn dies nicht ausreicht, dann macht eine Nutzung von H2 und Wasserstoff es keineswegs besser sondern entfernt uns weiter von den 2030er-Zielen, da CO2-Reduktion pro kWh EE-Strom hier wesentlich geringer ist.
Ergo: H2 und eFuels sind und bleiben ein Notnagel für die Bereiche, die sich nicht direkt elektrifizieren lassen. In keinem Szenario ist es ökologisch sinnvoll, H2 dort einzusetzen wo es auch ein BEV tut.
tutnichtszursache meint
Wieder einmal eine Studie von Großstadt Bewohnern für Großstadt Bewohner – dabei wohnen 2/3 der Bevölkerung in Deutschland nicht in Großstädten, daher sind 55 Millionen Menschen auf das eigene Auto angewiesen und das vergessen Politiker, Medien, Wissenschaftler und andere Weltverbesserer – auch die Energiewende wird in Großstädten beschlossen, ausbaden darf es der ländliche Raum…
Thomas meint
Unsinn. Das E-Auto ist prädestiniert für den ländlichen Raum, ÖPNV hier wegen der geringen Auslaustung auch nur selten ökologisch im Vorteil. Auf dem Lande genügt somit (vorerst) eine Antriebswende, für die Großstadt wäre eine Verkehrswende sehr wünschenswert.
Günter meint
wir müssen nicht erst bis 2050 warten, bis wir Überschuss an Ökostrom haben, sondern müssen direkt Anfang Januar 2022 richtig los legen und alles mit PV belegen. In vielen Regionen würde es sich anbieten Freiland PV direkt in H2 zu wandeln, damit wir bei Flaute, Wolken oder im Winter rückgewinnen können. Hörts auf, ständig auf die lange Bank zu schieben! Es grenzt an Schizophrenie. Wir schalten AKWs ab, die Kohle bis 2030… alles richtig, aber wir haben KEINEN Plan woher später das Zeugs kommen soll, das aus der Steckdose gewünscht ist.
Teilweise entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Günter meint
Thema Freiflächen PV… schaut mal auf youtube
Agri-Photovoltaikanlage mit bifacialen Solarmodulen
an. Senkrechte Anordnung… Sprich Solar + Landwirtschaft auf ein und der selben Stelle ohne Einschränkungen…. okay, die 15 cm für die Konstruktion ist nicht nutzbar. *g
um die Zukunft zu retten müssen wir nicht freitags hüpfen und böse gucken, sondern täglich die Dinge neu machen!°
Thomas meint
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Günter meint
Entfernt, da themenfern. Die Redaktion.
Powerwall Thorsten meint
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Fritzchen meint
Fazit: Reiche sollen ihre Mobilität behalten, weniger Betuchte sollen auf den Brustwarzen kriechen.
Nein, Verteuerung ist nicht die Lösung. KM- Begrenzung für alle muss her, damit nicht das Geld über die Mobilität des einzelnen entscheidet.