Die Bundesregierung hat das Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Pkw im Jahr 2030 im Koalitionsvertrag verankert. Ein Baustein für den Hochlauf der E-Mobilität ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur, dessen Rahmenbedingungen auf Basis des „Masterplans Ladeinfrastruktur II“ weiterentwickelt werden sollen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dessen Mitgliedsunternehmen mehr 80 Prozent der öffentlichen Ladeinfrastruktur betreiben sowie die Netzanschlüsse bereitstellen, macht Vorschläge für das weitere Vorgehen.
„Wir kommen mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur gut voran“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Damit der Hochlauf zukünftig aber nicht ausgebremst, sondern weiter beschleunigt wird, brauchen wir deutlich mehr Pragmatismus auf Seiten der Politik und der Verwaltung sowie eine Konzertierte Aktion Elektromobilität, bei der alle Akteure – Energiebranche, Automobilwirtschaft, Wohnungswirtschaft, Handel und Kommunen – zusammen mit der Politik an einen Tisch kommen. Gerade in der Phase des Markthochlaufs müssen wir eng zusammenarbeiten, um zu klugen und kundenfreundlichen Lösungen zu kommen.“
“Weniger ist mehr“
Wesentlich für die Mobilisierung privater Investitionen sei ein stabiler Regulierungsrahmen. Es müsse die Maxime gelten: “Weniger ist mehr.“ Änderungen im Regulierungsrahmen, beispielsweise am Mess- und Eichrecht, würden im schlechtesten Fall dazu führen, dass aufgebaute Ladeinfrastruktur wieder ausgetauscht werden muss, statt den Fokus auf den weiteren Ausbau zu legen. In der jetzigen Phase sollte auf Detailregulierung wie Vorgaben zu einzelnen technischen Lösungen verzichtet und stattdessen ein klarer Fokus auf die übergeordneten Rahmenbedingungen des Ladeinfrastrukturausbaus gelegt werden. Dies seien die Verfügbarkeit geeigneter Flächen, die Beschleunigung von Genehmigungen und die Entbürokratisierung der Förderung, so Andreae.
Die Verfügbarkeit geeigneter Flächen für Ladeinfrastruktur und der notwendigen Netzbetriebsmittel sei derzeit wohl die größte Herausforderung für die Unternehmen, erklärt der BDEW. Das von der Leitstelle Ladeinfrastruktur bereitgestellte „FlächenTOOL“ könnte dafür ein hilfreiches Instrument sein. Dieses Tool lebe jedoch von den Inhalten, die noch nicht zufriedenstellend seien. Die Leitstelle Ladeinfrastruktur sollte daher insbesondere Flächen des Bundes und bundeseigener Betriebe, wie etwa der Deutschen Bahn, auf Eignung prüfen und im Flächen-Tool ausweisen. Und auch die Kommunen sollten mobilisiert werden, ihre geeigneten Flächen in das Flächen-Tool einzutragen.
Der zweite große Engpass sind laut dem Verband die langwierigen Genehmigungsprozesse und die stark variierenden Anforderungen je nach Bundesgebiet. Für den einfachen Ausbau sollten die Genehmigungsprozesse „E-Mobility-Ready“ ausgestaltet werden. Im Masterplan Ladeinfrastruktur II sollte die Standardisierung der Anforderungen und Genehmigungsverfahren sowohl bei den Autobahndirektionen des Bundes als auch bei den Baubehörden in den Bundesländern und Kommunen beinhalten. Vereinfachungen und Beschleunigungen der Genehmigungsprozesse kämen sowohl Ladesäulenbetreibern als auch Netzbetreibern, die für die Realisierung des Netzanschlusses verantwortlich sind, zugute. Weitere Schulungen und finanzielle Unterstützung der Kommunen sollten ebenfalls vorgesehen werden sowie eine Bewusstseinsschaffung bei den Städten und Kommunen zu anstehenden Genehmigungsverfahren im Bereich der E-Mobilität.
Der dritte Punkt, um dem Ausbau der Ladeinfrastruktur zusätzlich Schwung zu verleihen, sei eine Überarbeitung oder Neukonzipierung der Bundesförderprogramme. Die Förderverfahren für öffentliche Ladeinfrastruktur seien aktuell zu unübersichtlich, bürokratisch und langwierig. Aus diesem Grund würden Fördermittel kaum abgerufen. „Hier brauchen wir kluge und pragmatische Lösungen, in Anlehnung an die sehr erfolgreiche private Wallbox-Förderung der KfW“, sagt Andreae.
„Realistische Ziele“
Wichtig sei darüber hinaus, sich auf realistische Ziele für den Ladesäulenbedarf zu verständigen. Ein Rechenmodell der Nationalen Plattform Mobilität habe für 15 Millionen E-Pkw und den von der EU zugrunde gelegten drei Volllaststunden pro Tag einen Bedarf zwischen 107.000 und 631.000 Ladepunkten errechnet. Nach Einschätzung des BDEW ist nur ein Bedarf zwischen 100.000 und 250.000 öffentlichen Ladepunkte im Jahr 2030 realistisch, da davon auszugehen sei, dass auch zukünftig der Großteil der Ladevorgänge privat oder beim Arbeitgeber erfolgen und der Anteil der Schnellladepunkte im öffentlichen Bereich zunehmen wird. Das 1-Million-Ladepunkteziel der Regierung liege deutlich darüber.
Um den Ladebedarf zu evaluieren und auf dieser Basis den Ausbau der Netze und der Ladesäulen planen zu können, seien in den kommenden Jahren kontinuierlich Gespräche mit der Automobilindustrie zu E-Pkw im Abstand von zwei Jahren sinnvoll, so der BDEW. Auf Basis dieser Gespräche sollte die Studie des Bundesverkehrsministeriums zum Ladeinfrastrukturbedarf aktualisiert werden.
Schlumpf7 meint
Potenzielle Akteure bei der Errichtung der Ladeinfrastruktur:
1. Tiefbauamt
2. Denkmalschutzbehörde
3. Liegenschaftsverwaltung
4. Kommunale Koordinationsstelle
5. Straßenverkehrsbehörde
6. Lokale Verkehrsorganisationen
7. Gestaltungsbeirat
8. Energieversorgungs-Unternehmen
9. Ordnungsamt
10.Stadtplanung
11. Umweltamt -Verwaltung
12. Bezirksvertretung
13. Leitungsbetreiber
14. Lokale Institutionen
.. und schon ist ´s genehmigt.
Noch Fragen?
Jeru meint
Wie immer wird sich die Wahrheit wohl in der Mitte befinden.
Eine Rechnung, die für 15.000.000 BEV im Jahr 2030 gerade einmal einen Bedarf von 100.000 öffentlichen Ladepunkten bestimmt, hätte ich gerne gesehen.
Shullbit meint
Der BDEW hat absolut recht. Jede seriöse Rechnung führt zu den Schlüssen, die der BDEW zieht.
Der VDA erzählt nur jede Woche, dass wir 1 Mio. Ladepunkt bis 2030 brauchen, um zu suggerieren, dass Elektromobilität nicht funktioniert. Denn natürlich werden wir das sinnfreie „Ziel“ von 1 Mio. Ladepunkten bis 2030 nicht erreichen, die Leute sollen also vermeintlich besser noch mal einen bewährten Verbrenner oder die ökologische Feigenblatt-Lösung Hybrid kaufen. Weil Elektromobilität das kann mangels Ladesäulen gar nicht funktionieren…
Viele haben da auch eine falsche Vorstellung: Sie denken beim VDA vor allem an die deutschen Autohersteller. Die große Mehrheit der VDA-Mitglieder sind aber Zulieferer. Und von den traditionellen deutschen Zulieferern hat eben niemand in Batterien etc. investiert. Mahle und Co. wollen (und müssen) noch möglcihst lange Kolben, Ölpumpen, Kraftstoffilter usw. absetzen.
Überaus bedauerlich ist in dem Kontext, wenn Medien dem VDA-Müll wieder und wieder und wieder Raum geben und deren PR unkommentiert übernehmen. Dabei wissen wir doch längst: Wen man Lügen wieder und wieder und wieder erzählt, bleiben sie bei den Leuten hängen.
Mike meint
Nichts gegen Mahle. Habe von denen ein gutes und günstiges 3-phasiges 32A-Typ2-Ladekabel.
Shullbit meint
Wenn Sie ein Top-Ladekabel von Mahle haben, ist das vorzüglich. Und bevor der Nächste kommt und darauf hinweist, dass Mahle z.B. in Elektromotoren investiert: Das ist alles richtig. Nur ist es nicht ansatzweise genug, um das wegfallende Geschäft mit all den Verbrennerkomponenten aufzufangen. Wegen all den unterlassenen strategischen Weichenstellungen entlässt Mahle nun schon 7.600 Mitarbeiter. Das sind in der ersten Runde schon mal heftige 10% der Belegschaft (und bei der Zahl wird es wohl nicht bleiben). Das ist die trübe Realität.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ich weiß nicht, ob das eine „trübe“ Realität ist. Ein lebendiger Wirtschaftsstandort verändert sich eben, solange alles in Deutschland bleibt, läuft es doch für uns gut.
Wenn das deutsche Autozentrum Süddeutschland durch die Managern und Mitarbeiter, aber auch von den Behörden her zu träge, zu unflexibel, zu langsam geworden ist, dann wandern die Unternehmen in Richtung neue Bundesländer ab. Dort gibt es eine gut ausgebildete Bevölkerung, riesige Flächen und beste Infrastruktur – und Geld.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Das rettet den Konzern.
eHannes meint
Ja, den VDA-Müll kann ich auch nicht mehr hören. Ausserdem müssen die Ladesäulen sich irgendwann ganz klassisch rechnen. Nur dann können wir auch mit akzeptablen Strompreisen und gesundem Wettbewerb der Anbieter rechnen.
eBiker meint
@eHannes
Danke. Das sich die Ladestationen rechnen müssen, heist Gewinn abwerfen wird leider immer gerne verdrängt. EnBW hat das ja ziemlich deutlich gesagt, und die bauen jetzt nur noch HPC aus, weil sie sich eine bessere Auslastung erwarten.