Acht Wangener Haushalte nutzten ein halbes Jahr lang für alle Fahrten ausschließlich ein E-Auto, das ihnen die Netze BW für die Dauer eines Projekts zur Verfügung gestellt hatte. In dem nun beendeten „NETZlabor Intelligentes Heimladen“ testeten sie das elektrische Fahren in ihrem Alltag. Der Netzbetreiber wollte damit herausfinden, vor welchen Herausforderungen ein örtliches Stromnetz durch den Hochlauf der E-Mobilität steht. Nun wurden die Projektergebnisse präsentiert.
Zwei Fragen sind laut Projektleiter Sven Zahorka für die Netze BW als Netzbetreiber von besonderer Bedeutung: Wie wirkt sich das Ladeverhalten der E-Auto-Nutzer auf das Stromnetz aus? Und wie kann gegengesteuert werden, wenn es durch verstärktes Laden von E-Fahrzeugen im privaten Bereich an seine Belastungsgrenze kommt? „Zu diesen beiden Fragestellungen haben wir wertvolle Erkenntnisse gewonnen“, berichtete Zahorka.
Für das Projekt waren intelligente Messsysteme – digitale Stromzähler – mit zusätzlichen Steuerboxen versehen worden, um die Ladevorgänge temporär steuern zu können. Das habe gut funktioniert und zeige eine Möglichkeit auf, wie eine größere Anzahl E-Fahrzeuge in ein bestehendes Stromnetz integriert werden kann, erklärte Zahorka. Durch Lademanagement habe sich die Belastung beim Laden in Grenzen gehalten. In den sechs Monaten des Projektes habe man in Wangen eine maximale Gleichzeitigkeit von 50 Prozent verzeichnet – bis zu vier von den acht Autos haben also zur gleichen Zeit geladen. Das deckt sich mit den Ergebnissen der meisten anderen Versuche, die die Netze BW zur Netzintegration von Elektromobilität durchgeführt hat, kann aber auch höher ausfallen.
Die durchschnittliche Ladedauer betrug etwas mehr als drei Stunden. Alle E-Autos zusammen bezogen über die gesamte Projektdauer insgesamt fast 2600 Stunden lang Strom. „Wir haben vor allem in den Abendstunden und unter der Woche eine deutlich höhere Belastung des Stromnetzes festgestellt. Durch intelligentes Lademanagement konnte die Netzbelastung jedoch erheblich reduziert werden“, so Zahorka. Auch wenn dadurch etwas mehr Zeit benötigt werde (ca. 30 Minuten länger), sei das intelligente Steuern der Ladevorgänge auf sehr große Akzeptanz gestoßen, da die Autos am Morgen stets mit vollem Akku fahrbereit gewesen seien.
Schnellere Integration der E-Mobilität in Stromnetze
Die im Projekt getesteten intelligenten Messsysteme und Steuerboxen haben laut Netze BW gezeigt, dass sie zur Vermeidung von Netzengpässen großes Potenzial besitzen, ohne dass sich die Nutzer dadurch eingeschränkt fühlen. Für Netzbetreiber bedeute das, dass ein intelligentes Lademanagement es ermöglicht, mehr Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge in ihre bestehenden Stromnetze schneller integrieren zu können. Nichtsdestotrotz müssten die Netze weiter ausgebaut werden. Dafür verschaffe der Einsatz steuerbarer Ladetechnik den Unternehmen wertvolle Zeit.
Ein interessanter Aspekt des Projekts war laut Netze BW auch das Fahrverhalten der Teilnehmer. Mit ihrem VW e-Golf, BMW i3 oder Tesla Model 3 hätten sie durchschnittlich 1415 Kilometer pro Monat zurückgelegt. Viele von ihnen überlegten nun, sich als Nächstes einen Stromer anzuschaffen. Die Wallboxen vom Projekt werden von allen übernommen. Der Hochlauf der Elektromobilität stellt Netzbetreiber künftig vor große Herausforderungen. „Das Projekt in Wangen hat aber gezeigt, dass wir bereits gut darauf vorbereitet sind“, so Zahorkas Fazit.
Mit dem Projekt in Wangen endet auch das gesamte NETZlabor „Intelligentes Heimladen“. Neben der Stadt im Landkreis Ravensburg wurde die Projektreihe an vier weiteren Standorten in Baden-Württemberg durchgeführt. So konnten auch regional unterschiedliche Netzstrukturen berücksichtigt werden. Das spezifische Merkmal in Wangen: Ein Stromkreis im ländlichen Raum mit einer Kombination aus installierten Wärmestrom- und Einspeiseanlagen. Zudem zeichnete sich der Standort im Allgäu durch anspruchsvolle Witterungsbedingungen aus, insbesondere im Winter.
„Im Laufe der 2019 gestarteten Projektreihe konnten wir eine Lademanagementlösung erproben und weiterentwickeln, die wir zukünftig für die skalierbare Ansteuerung von privaten Ladepunkten einsetzen können“, blickt Projektleiter Zahorka zurück. In den Feldtests seien mithilfe dieser Technik durch E-Fahrzeuge verursachte Lastspitzen um 30 bis 48 Prozent reduziert worden, ohne Mobilitätseinschränkungen der Kunden. „Unser Ziel ist es, diesen Lösungsansatz so weiterzuentwickeln, dass dieser als Standard für netzdienliches Lademanagement in Haushalten eingesetzt werden kann.“
Tobi meint
Zitat:
In den sechs Monaten des Projektes habe man in Wangen eine maximale Gleichzeitigkeit von 50 Prozent verzeichnet – bis zu vier von den acht Autos haben also zur gleichen Zeit geladen
6 Monate Projektlaufzeit
8 Fahrzeuge
2600h Ladezeit (325h pro Auto = 54h pro Monat)
1415km -> 54h Ladezeit
wird interessant in Richtigen Städten mit sehr vielen Hochhäuser
Jensen meint
Interessant wäre noch die grundsätzliche Frage, ob diese Fahzeuge während dieser 6 Monate exklusiv zu Hause geladen wurden und welche Ladeleistungen tatsächlich zur Verfügung gestellt bzw. abgerufen wurden. Wenn man die Laufleistungen / Standzeiten der einzelnen Haushalte bzw. derer Fahrzeuge vorher gekannt hätte, wäre wohl dieser Großaufwand kaum nötig gewesen. Unterm dem Strich steht aber jedenfalls ein gutes Ergebnis, wenn Verbrenner durch BEV’s ersetzt werden. Und diese Haushalte sind hoffentlich ebenso gute Multiplikatoren für die Elektromobilität allgemein.
Cadrick Bauer meint
Ich denke, wir können getrost von >80% Heimladen ausgehen. Bei den Model 3 tendentiell etwas weniger, bei eGolf und i3 deutlich mehr (weil die Model 3 halt auch für lange Urlaubsfahrten genutzt werden).
Bei durchschnittlich 3 Stunden Ladedauer und ~280kWh im Monat kämen so 3-4 Ladevorgänge im Monat je Auto zusammen bei 100% Heimladung. Scheint mir plausibel.
Tobias meint
Pro Teilnehmer 1415km -> 54h Ladezeit würde ich pro aus dem Artikel lesen
Michael S. meint
Ich finde dieses Titelbild einfach nur schlimm. Diese allgemeine Akzeptanz, dass Autos auf Gehwegen parken, ist ein Trend in die völlig falsche Richtung. Und ja, es ist unabhängig ob das ein Wohngebiet, Dorf oder Innenstadt ist.
MichaelEV meint
Ja ist das Bild für den Wunsch vieler hier, alles mit AC-Lademöglichkeiten zu beflastern. Dann wird anderen Verkehrsteilnehmern noch mehr Raum genommen, obwohl die gegenteilige Richtung notwendig ist.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ja klar, AC-Laden ist gleich zusetzen mit Parken auf dem Gehweg. Wo ist die Logik?
MichaelEV meint
Autos nehmen sowieso viel zu viel Platz im öffentlichen Raum ein. Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum benötigt weitere Fläche. Wo kommt die her? In der Regel zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer.
Peter W meint
Da muss ich zustimmen. Parken auf dem Gehweg ist verboten, aber es stört ja nur die Mutter mit Kinderwagen, die auf die Straße wechseln muss. Oft müssen auch Kinder mit Laufrad oder Fahrrad auf die Straße wechseln, ein Wahnsinn in Sachen Sicherheit.
Cadrick Bauer meint
Inwiefern kann etwas stören, was verboten ist?
Mike meint
Das könnte damit erklärt werden, dass die Testteilnehmer ihren Verbrenner wohl auf dem eigenen Grundstück parkten und dort kein Platz mehr für die Test-BEV waren.
TeslaJoe meint
Auf dem Bild ist zu sehen das Carports vorhanden sind.
Die E Fahrzeuge stehen jetzt für den Test zusätzlich auf der Straße.
Es ist eine Anwohnerstraße wahrscheinlich Tempo 30.
Überall genügend Platz zum Fahrradfahren laufen und sonstiges.
Was soll die Aufregung ?
LG
Kona64 meint
Ein Bild, mit einer leeren Straße und alle Autos in den Garagen hatte für den Zweck einer Pressemitteilung keinen Sinn gemacht. Die Wallboxen waren sicher nicht auf dem Gehweg.
alupo meint
Hoffentlich landet das erfolgreiche Projekt nach der planmäßigen Beendigung nicht in einer der in Deutschland so beliebten und hochgelobten Schubladen. Denn dann tut sich nichts.
In der Zwischenzeit könnte man aber einfach und schnell einen im Preis pro kWh reduzierten Nachtstromtarif einführen. Das gab es schon einmal ziemlich flächendeckend in den 60-er Jahren in Deutschland. Ist aber leider ebenfalls in einer dieser berühmtenbdeutschen Schubladen wieder verschwunden. Deutschland ist eben Schubladenkönig, nicht nur bei BEVs ;-).
Reiter meint
So weit sind wir intellektuell und technologisch eben nicht. Die Spanier können einem sechs Tagestarife penibelst jeden Monat abrechnen, aber der Deutsche testet in der gefühlt 10. Stadt die Ladenetze und jeder Anbieter darüber hinaus noch mehrmals (hier gar viermal). Wobei der Aldideutsche wegen 3Ct./kWh günstiger auch noch im Schlafanzug um 23.00h anstöpseln würde, braucht gar keine Software.
Envision meint
Pauschal Nachtstrom heißt nun in DE leider sehr oft Kohle oder Gasstrom, beides gilt es aus Ökonomischen und Ökologischen Gesichtspunkten eher zu vermeiden, bzw soweit wie möglich zu drosseln.
Heute früh z.B. laut Energiecharts um 2 Uhr gesamt DE = 46 GW Verbrauch, davon 9GW aus Gas, im Sommer!
– besser wäre es z.B. den Windstrom im Grid abhängig der Vorhersagen intelligent zum stärkeren Laden zu nutzen, da wartet man aber ggf. mal Woche bis es Slot für jedes Auto gibt – könnte man über günstige Preise aber sicher einige von überzeugen mitzumachen, viele müssen ja nicht mal 1x die Woche laden.
Was aber ganz schlecht ist, ist das Laden in den Abendstunden, was in Studie aber als bevorzugt rauskam – da ist Netz maximale belastet auch im Sommer wegen Kochen, TV, Klima/WP etc.. aber der PV Strom schon weg.
Ökoman meint
Daher wäre es sinnvoll, MWh-weise Strom aus Erneuerbaren tagsüber an den Umspannwerken zwischenzuspeichern, um ihn abends/nachts dann wieder abzugeben. Das gibt es wohl schon, aber leider noch nicht in so großem Stil, wie es wünschenswert wäre.
Dass Fahrzeuge großteils abends geladen werden, überrascht mich nicht. Tagsüber sind die Leute ja am Arbeitsplatz. Wenn überall Lademöglichkeiten an den Arbeitsplätzen vorhanden wären (AC würde reichen), würde vielmehr tagsüber geladen und die Erneuerbaren besser genutzt werden.
MichaelEV meint
Vor dem Zwischenspeichern steht, mit riesigem Abstand, direkt variabel verbrauchen. Dafür ist bei BEVs das Potential riesengroß und das muss höchste Priorität haben.
Envision meint
„Daher wäre es sinnvoll, MWh-weise Strom aus Erneuerbaren tagsüber an den Umspannwerken zwischenzuspeichern “
Mit welcher verfügbaren -skalier und bezahlbaren Technik soll das aktuell funktionieren ?
Das ist doch das ganze Dilemma der Energiewende, das es noch keine entsprechende Speichertechnik gibt, viel besser wäre noch Sommer Überschuss in Winter zu retten, man hoffte hier auf Durchbruch, aber absehbar ist noch nix in Sicht, Lösungen die auf Lithium Akkus basieren kann man in dem Maßstab auch ganz vergessen.
Selbst Power to H2/Gas steckt in Europa was gebaut und geplante Mengen angeht noch in den Kinderschuhen.
MichaelEV meint
So ist es, AC-Laden wird in den meisten Fällen nicht netzdienlich und praktikabel umsetzbar sein. Und für die Verschiebung der Nachfrage ausgerichtet auf das Angebot eignet sich DC 1000x besser.
Und das Niederspannungsnetz ist ja auf sehr geringe Gleichzeitigkeit ausgelegt. Der angesprochene notwendige Netzausbau kann das Netzentgelt für private Verbraucher wesentlich erhöhen. Im Niederspannungsnetz gibt es sehr viele variable Lasten. Wenn man die falsch einsetzt, wird es sehr teuer. Wenn man diese dagegen sinnvoll einsetzt, wird es wesentlich günstiger. Jetzt geht es darum, nicht falsch abzubiegen (so wie es sich irgendwie viele wünschen)!
Tom meint
Ich warte schon länger mal auf eine Aussage von Stromproduzenten oder Netzbetreiber was nun besser oder ökologisch Sinnvoller ist: Das Fahrzeug in der Nacht zu laden bei wenig Ökostrom aber dafür Netzdienlich, oder am Tag mit viel Ökostrom aber dafür einer höheren Netzbelastung?
Harry meint
Die Frage ist ob die Antwort des Strombetreibers wirklich die beste Lösung beschreibt, oder eher die Lösung, bei der der Netzbetreiber mehr Geld verdient.