Mercedes-Benz schließt mit BASF und dem Start-up Pyrum Innovations AG Stoffkreisläufe. Chemisches Recycling ermögliche erstmals die Herstellung von zirkulärem Kunststoff mit Neukunststoff-Eigenschaften für technisch anspruchsvolle und sicherheitsrelevante Fahrzeugbauteile, so die Schwaben. Pyrolyse-Öl aus Altreifen und zertifiziertes Biomethan ersetzen dabei fossilen Rohstoff.
„Auf dem Weg in eine vollelektrische Zukunft überdenken wir die Zusammensetzung aller Materialien in unseren Fahrzeugen. Jeder Schritt zählt, um Ressourcen zu schonen. Über die Zusammenarbeit mit unserem Lieferantennetzwerk bringen wir schon ab diesem Jahr Bauteile in unterschiedlichen Fahrzeugmodellen in Serie, für die Pyrolyse-Öl unter anderem aus recycelten Altreifen von Mercedes-Benz fossile Rohstoffe ersetzt“, erklärt Technologiechef Markus Schäfer.
„Dafür beabsichtigen wir, jährlich mehrere hundert Tonnen Altreifen aus Mercedes-Benz Fahrzeugen chemisch zu recyceln und das dabei entstandene Kunststoffmaterial in unsere Neuwagen zurückzuführen. Gemeinsam mit unseren Partnern schließen wir so den Kreislauf und treiben die Entwicklung innovativer Recyclingverfahren aktiv voran“, so Schäfer weiter.

Mercedes-Benz will den Ressourcenverbrauch zunehmend vom Wachstum der Produktionsleistung entkoppeln. Das Unternehmen strebt an, den Anteil an recycelten Materialien in seiner Pkw-Flotte bis 2030 auf durchschnittlich 40 Prozent zu erhöhen.
Für die Schließung des Wertstoffkreislaufs von Altreifen arbeitet Mercedes-Benz mit unterschiedlichen Partnern zusammen. Das Unternehmen setzt unter anderem auf das chemische Recycling von BASF. Aus den ausgedienten Reifen wird dafür bei der Pyrolysetechnologie-Firma Pyrum Innovations AG zunächst ein Pyrolyse-Öl erzeugt. Dieses kombiniert BASF mit Biomethan aus Landwirtschaftsabfällen. Unter Einsatz der beiden Rohstoffe könne ein vollkommen neuwertiger Kunststoff entstehen, erläutert der Autohersteller.
Die Verwertung der Sekundärmaterialien reduziere sowohl den Einsatz fossiler Ressourcen als auch den CO2‑Fußabdruck des Kunststoffs. Der Recyclingkunststoff habe damit erstmals die gleichen Eigenschaften wie Neukunststoff, der aus fossilen Rohstoffen hergestellt wird. Damit lasse er sich auch als kurzfristige „Drop-in-Lösung“ in der laufenden Serie einsetzen. Gleichzeitig erfülle er die hohen Qualitätsanforderungen von Mercedes-Benz, insbesondere im Hinblick auf die Lackierfähigkeit und die Crashsicherheit. Mit diesen Eigenschaften biete das Verfahren die Möglichkeit, eine Vielzahl von Bauteilen aus Primärkunststoff im Fahrzeug zu ersetzen.
Erster Einsatz in EQE & S-Klasse
Der elektrische EQE und die S-Klasse bekommen laut dem Hersteller in diesem Jahr als erste Serienmodelle Bügeltürgriffe, in deren Herstellung fossile Rohstoffe durch Biomethan und Pyrolyse-Öl aus recycelten Altreifen ersetzt wurden. Die S-Klasse wird zusätzlich vorne einen „Crash-Absorber“ auf Basis dieser Rohstoffkombination erhalten, der für eine gleichmäßigere Kraftverteilung auf den Unfallgegner bei einem Frontalaufprall sorgt.
Auch kommende, neue Modelle wie der EQE SUV sollen Bügeltürgriffe aus dem Kunststoff erhalten. Künftig soll der Einsatz des nachhaltigeren Recyclingmaterials sukzessive gesteigert und das chemische Recycling auch für weitere Kunststoffbauteile im Fahrzeug verwendet werden. Entsprechende Einsatzmöglichkeiten sondiert Mercedes-Benz zurzeit.
Im Gegensatz zum mechanischen Recycling eignet sich das chemische Recycling laut Mercedes-Benz insbesondere für die Herstellung von Bauteilen, die hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen unterliegen. Das chemische Recycling bilde daher nicht nur eine sinnvolle Ergänzung zum mechanischen Recycling. Es sei ein entscheidender Schritt hin zu einer möglichst hohen, ökologisch und wirtschaftlich vorteilhaften Wiederverwertung von Altmaterial. Das Verfahren reduziere den Bedarf an fossilen Ressourcen und habe damit das Potenzial, die Produktion von hochwertigen Kunststoffen für unterschiedliche Einsatzzwecke vom Rohölbedarf zu entkoppeln.