Betreiber öffentlicher Ladesäulen verdienen 2022 mit dem Verkauf sogenannter Treibhausgaszertifikate an Mineralölunternehmen bis zu 25 Cent pro geladener Kilowattstunde (kWh). Pro Jahr summiert sich das bei allen Ladesäulenbetreibern auf einen Betrag von knapp über 100 Millionen Euro. Das zeigt eine neue Statista-Auswertung im Auftrag von LichtBlick. Damit bauten Monopolisten ihre Vormachtstellung auf dem Ladesäulenmarkt weiter aus, kritisiert der Ökostromanbieter.
„Der gewinnbringende Verkauf der Treibhausgasquoten verschärft die massive Preisschieflage an der Ladesäule. Die Betreiber streichen bei jedem Ladevorgang eigener Kund*innen sowie der Kund*innen von Drittanbietern extra Geld ein. Die Einnahmen, die durch den Verkauf der Quoten erzielt werden, versanden offensichtlich beim Ladesäulenbetreiber – und dieser subventioniert damit seinen Haustarif“, sagt Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick. Drittanbieter von Ladestrom, die Säulen anderer Betreiber nutzen, profitierten bei den Ladevorgängen ihrer Kunden nicht von der THG-Quote. „Das ist eine krasse Benachteiligung im Ladestrom-Wettbewerb“, bemängelt Adam.
Die Prognosen der Analyse zeigen, dass – ob progressiver (Szenario 1) oder moderater (Szenario 2) Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur – ab 2028 deutlich über 200 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen für Ladesäulenbetreiber zu erwarten sind. Der Erlös je Kilowattstunde läge dann bei 15 bis 18 Cent.

Die Treibhausgasquote ist ein gesetzlich geregeltes Instrument zur Emissionsminderung im Verkehrssektor und gibt Mineralölfirmen vor, die Treibhausgase der durch sie emittierten Kraftstoffe um einen festgelegten Prozentsatz zu mindern. Dieser liegt aktuell bei 7 Prozent und steigt bis 2030 auf 25 Prozent an. Um diese Vorgaben zu erreichen, können Unternehmen Zertifikate über eingesparte Emissionen, beispielsweise aus Elektroauto-Strom, kaufen. Damit soll der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor erhöht werden, indem traditionelle Kraftstoffe teurer und unattraktiv werden, denn sie müssen von Unternehmen durch sogenannte THG-Zertifikate ausgeglichen werden.

Seit diesem Jahr fallen die Erlöse aus dem Verkauf der THG-Quote direkt beim Ladesäulenbetreiber an. Dabei werde die gesamte geladenen Strommenge dem Betreiber zugeschlagen, obwohl es eine Reihe von Unternehmen gibt, die ihren Kunden das Laden an öffentlichen Säulen zu einem Einheitspreis ermöglichen, ohne dass sie diese selbst betreiben (sog. Roaminganbieter), so LichtBlick. „Die E-Fahrer*innen sind am Ende die Leidtragenden. Denn: Weder führen diese Einnahmen zu einem Ausbau oder einer Verbesserung der Ladeinfrastruktur in Deutschland, noch wirkt sich das senkend auf die Preise aus“, sagt Adam. „Im Gegenteil: Trotz dieser Mehreinnahmen der Ladesäulenbetreiber erhöhen diese ihre Preise zum Teil weiter.“
Stromlieferanten würden bei der THG-Quote außen vor gelassen, da sie ihren Strom nicht an die öffentlichen Ladesäulen durchleiten dürfen, so LichtBlick. Das kritisiere man schon seit Jahren, denn mit einem sogenannten Durchleitungsmodell wären öffentliche Ladesäulen endlich verbraucherfreundlich. E-Auto-Fahrer könnten dann den Stromtarif ihres Wunschanbieters wählen und an jeder Ladesäule den Strom ihrer Wahl laden. Die THG-Quote würde dann an den Lieferanten gehen, der den Strom für den jeweiligen Ladevorgang liefert – und die Einnahmen aus dem Verkauf der THG-Quoten wiederum an die Kunden zurückfließen, da die Ladestromanbieter nur so im Wettbewerb bestehen könnten.
Christoph meint
Ich finde die sehr einseitige, pro-Stromlieferanten Argumentation dieses Artikels äußerst befremdlich. Fakt ist, dass viele Stromlieferanten in der Doppelrolle eines CPOs und EMPs massiv wettbewerbs- und marktverzerrend agieren. Der Vorschlag hätte ME somit genau den gegenteiligen Effekt. Dass THG Einnahmen weder zu einem Ausbau oder Verbesserung der Ladeinfrastruktur führen, noch sich senkend auf die Preise auswirken ist schlicht eine falsche Interpretation der Sachlage. Fakt ist, dass viel Geld in den Ausbau neuer Ladeinfrastruktur gesteckt wurde und diese CAPEX wieder hinein gespielt werden müssen. Man darf keinem CPO vorwerfen, seine kumulierten Verluste zu minimieren. Denn, von Gewinnen sind die meisten Ladestationsbetreiber noch meilenweit entfernt!
alupo meint
Im deutschen Strommarkt ist doch schon immer „der Wurm drin“. Der teuerste Abschluß bestimmt den aktuell gültigen Preis und das führt zu seltsamen Auswüchsen. Diesem Konstrukt verdanken wir auch die Preissteigerungen in 2023.
Das ganze Preissystem sollte umgebaut und auf Wettbewerb umgestellt werden. Beispiele wie es besser funktionieren würde gibt es zur Genüge, z.B. die Ethylenpreisbildung, mit der Millionen Tonnen pro Jahr verpreist werden.
Stefan F. meint
Seit Jahren hört man von Lichtblick nur wie schlimm der Markt doch ist. Die Wahrheit ist, dass die Pioniere, die mit ihrem Engagement und Investitionen dafür gesorgt haben, dass es heute überhaupt Ladeinfrastruktur gibt, bisher kaum Geld damit verdient haben.
Nachdem Ladeinfrastruktur nach Ansicht von Lichtblick das Megageschäft ist, stellt sich die Frage, warum Lichtblick seit Jahren nur jammert und nicht selbst aktiv wird und investiert? Wer hindert sie daran? Oder ist die Lichtblickstrategie vielleicht die, lieber regelmäßig Lobbying zu betreiben, um so zu erreichen ganz ohne eigene Investitionen auf Kosten derer die investieren Geld zu verdienen?
PS: Das gepriesene allheilbringende Durchleitungsmodell hat Lichtblick wohl auch noch nicht völlig durchdacht: Wenn man davon ausgeht, dass man so etwas europäisch denken muss, kommt man schnell drauf, dass so ein System – wenn es überhaupt umsetzbar sein sollte – maximal komplex, unflexibel und teuer sein wird. Es wird für jeden Anbieter eine helle Freude sein, Strom-Bilanzgruppen in anderen Ländern zu gründen, dort Strom einzukaufen und das alles zu administrieren. Wenn das so kommen sollte, werden europaweit nur eine Hand voll Ladestromanbieter übrigbleiben.
eBiker meint
„Weder führen diese Einnahmen zu einem Ausbau oder einer Verbesserung der Ladeinfrastruktur in Deutschland,“
Und wie kommen die darauf? Bauchgefühl. Also wenn ich mir die Statistik bei GE anschauen, dann wird sehr wohl die Ladeinfrastruktur ausgebaut.
Kann es sein, dass die einfach nur meckern, weil sie selbst zu faul sind eigene Ladestationen aufzubauen?
Franz Mueller meint
als ob man den Ladeanbietern 25Cent pro KWh ohne Verpflichtung schenken würden. Man hätte die Anbieter verpflichten müssen, den Preis wenigstens stabil zu halten. Stattdessen sieht man verdoppelte Preise an den Ladestationen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Kann keinen Fehler im System erkennen: diejenigen, die das Investitionsrisiko mit der Installation von Lade-Hardware eingegangen sind, profitieren jetzt für ihre unternehmerische Initiative; sie haben den breiten Hochlauf der E-Mobilität massiv unterstützt bzw. überhaupt erst möglich gemacht.
K-S meint
Dazu eine Anmerkung: Auch Lichtblick kann Ladesäulen- und Parks errichten. Ist nicht verboten.
eBiker meint
Sollte man denen vielleicht mal sagen, scheint auch nicht sooooo schwer zu sein, soll ja tatsächlich Stromanbieter geben, die auch Ladesäulen betreiben.
Also hab ich mal gehört ;-)