Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat umfangreiche Vorschläge (PDF) für die Ausgestaltung des künftigen Strommarktes vorgelegt.
„Das Strommarktdesign muss fit gemacht werden, damit die Ausbauziele im Bereich Erneuerbare Energien erreicht werden und die Stromversorgung bezahlbar und sicher bleibt. Das heutige Marktdesign vermeidet Brüche, ist aber kein Garant dafür, dass der Dreiklang aus Erneuerbaren Energien, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit gelingt. Es bedarf daher zusätzlicher Instrumente“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Das gilt insbesondere für das Erreichen der Aus- und Umbauziele für 2030. Aufgrund der Vielzahl von Unsicherheiten sollte die Bundesregierung rasch Klarheit darüber schaffen, wie Versorgungssicherheit mittel- und langfristig organisiert werden soll“, so Andreae. „Unter den heutigen Rahmenbedingungen liegen die erforderlichen Voraussetzungen für den Bau der nötigen Kapazitäten gesicherter Leistung im Jahr 2030 nicht vor. Der sowohl von der Bundesregierung als auch von mehreren großen Studien (dena, BDI, Agora etc.) gesehene erforderliche Zubaubedarf an gesicherter Leistung in Deutschland liegt bei rund 20 bis 40 Gigawatt (GW).“
Da der Umbau der Energieversorgung rasch erfolgen müsse, spricht sich der BDEW für einen zentralen Kapazitätsmarkt aus. Ein solcher Markt müsse klimaverträglichen konventionellen Erzeugungsanlagen, Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien unter Einschluss von Windenergie und Photovoltaik, lastseitigen Flexibilitäten und Speichern ebenso wie Importen offenstehen. Durch diese Öffnung lasse sich volkswirtschaftliche Effizienz erzielen. Damit Versorgungssicherheit Hand in Hand mit Klimaschutz gehe, müssten teilnehmende Anlagen – zusätzlich zu den geltenden Anforderungen – sicherstellen, dass die jeweilige Investition zur Erreichung der Klimaziele für 2030 und 2045 beiträgt.
Andreae: „Ein zentraler Kapazitätsmarkt zur Deckung der Residuallast sollte noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden. Kurzfristig brauchen wir Anreize für den Bau von H2-Ready-Kraftwerken im Rahmen der Kraftwerksstrategie, mittel- und langfristig brauchen wir den systematischen Ansatz eines Kapazitätsmarktes.“
Erneuerbare Energien im Fokus
Im Mittelpunkt langfristiger Reformen des Strommarktes muss laut dem BDEW zudem die Finanzierung des Ausbaus Erneuerbarer Energien stehen. Sie sollte aus Sicht des Verbands zunehmend durch Erlöse aus dem Strommarkt erfolgen. Damit Erneuerbare Energien schrittweise in den Markt kommen, sollten langfristige Stromlieferverträge – so genannte Power Purchase Agreements (PPAs) – in Zukunft eine noch größere Rolle beim Erneuerbaren-Ausbau einnehmen.
„Es ist allerdings nicht realistisch, dass sich allein über PPAs die Ausbauziele für Erneuerbare Energien erreichen lassen. Unter Kostenminimierungsgesichtspunkten ist auch nach 2030 eine Dualität zwischen ungefördertem und durch Ausschreibungen abgesichertem Ausbau sinnvoll. Die Teilnahme an PPAs und Differenzverträgen (CfDs – Contracts for difference) muss stets freiwillig sein. Die Einführung nachträglicher Erlösabschöpfungen für Bestandsanlagen lehnen wir ab, da sie das Vertrauen der Investoren erschüttern würde“, so Andreae.
Auch das wichtige Thema Flexibilitäten nimmt der BDEW in den Blick. „Der Einsatz von Flexibilität wird zunehmend wichtiger. Industrieabnehmer werden aber bislang belohnt, wenn sie Strom auch dann verbrauchen, wenn Sonne und Wind nicht zur Verfügung stehen. Es muss künftig darum gehen, verlässliche, messbare Inflexibilität in eine verlässliche, messbare Bereitschaft zum flexiblen Einsatz umzuwandeln“, forderte Andreae.
Das zukünftige Marktdesign müsse Netzbetreibern zusätzliche Option eröffnen, ihre Netze flexibel zu betreiben. Der Fokus sei dabei auf die Flexibilität von Lasten und Speichern gerichtet, die von Marktteilnehmern freiwillig zur Verfügung gestellt wird.
Eindeutig positioniert sich der BDEW auch beim Thema Preiszone: „Die deutsche Preiszone muss unbedingt erhalten werden: Sie trägt zu einem hochliquiden Strommarkt bei, um den uns viele – insbesondere mit Blick auf die Terminmärkte – beneiden. Es gibt keinen zwingenden Grund, die Preiszone zu teilen. Redispatch-Volumina und -Kosten würden durch die Teilung der Preiszone zurückgehen, würden aber auch dann wegen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und nicht in ausreichendem Maße vorhandener flexibler Lasten auf einem hohen Niveau verharren. Die Fertigstellung vor allem der großen HGÜ-Verbindungen (Hochspannungs-Gleichstromübertragung) entlastet die Preiszone.“
Kasch meint
Mit dezentraler Erzeugung regenerativer Enenrgie sind wir kapazitiv am Ende der Fahnenstange angekommen. Kürzlich, dank Sonnne und Wind am WE fast über ganz Europa ein Negativpreis an der Strombörse von bis zu 5,- Euro die kWh in der Spitze. Warum ? Unser Stromnetz war vollkommen überlastet und keine Möglichkeit den Überschuss zu parken (speichern).
Wenn man deutschlandweit auf dezentrale, nicht steuerbare Erzeugung setzt, muss man auch genau dort dezentrale Speicherung in angemessener Größenordnung fordern und Erzeuger sowie Energieversorgern erlauben, die dezentralen Stromspeicher per KI zu virtuellen Kraftwerken zusammenfassen. Selbstverständlich ohne schädliche Richtlinien, Steuern, sprich marktwirtschaft maximal frei für Erzeuger und Energieversorgern gestaltbar. Es gibt KEINE Alternative !
Tatsächlich wird dieser Weg in Californien, Texas, Australien, England und vielen hundert Inseln bis zur Größe Hawaii dank des derzeitig einzigen westlichen Stromversorger, der ausreichend Kompetenz, Mut und Willen hat, bereits rasend schnell umgesetzt – Sie ahnen es, Tesla, wer sonst. China beschreitet ebenfalls den beschriebenen EINZIG machbaren Weg Teslas. 20 Jahre Energiewende Europas für die Tonne – ausser Umweltbelastung und Spesen NICHTS gewesen !!!
ShullBit meint
Hintergrund: ACER, die „Agency for the Cooperation of Energy Regulators“ der EU, will Deutschland mehrere regionale Preiszonen verordnen, was es in vielen anderen Ländern schon lange gibt.
Heute haben wir einen deutschlandweit einheitlichen Stromeinkaufspreis an der maßgeblichen Strombörse. Die Netzentgelte sind aber nicht deutschlandweit einheitlich. Wenn in Schleswig-Holstein die Verteilnetze ausgebaut werden müssen, um all den einzuspeisenden Windstrom aufnehmen zu können, dann zahlen die Kosten für diesen Netzausbau ausschließlich die lokalen Verbraucher, obwohl die den ganzen eingespeisten Windstrom gar nicht selbst verbrauchen. Das hat zu der absurden Situation geführt, dass Windstrom aus Schleswig-Holstein in Schleswig-Holstein am teuersten war und in Bayern oder Baden-Würtemberg, wo man sich dem Bau von WKA weitgehend verweigert hat, billiger als in SH war. Haushalte in Schleswig-Holstein haben dadurch in den letzten 20 Jahren mehrere tausenden Euro zu viel für Strom bezahlt. Und Söder konnte sich mit einem unnatürlich günstigem Strompreis für seine ach so erfolgreiche Industriepolitik feiern lassen.
Mit regionalen Strompreisen würde sich das Blatt wenden. Bayern hat strukturell zu wenig Stromerzeugungskapazität und der Stromeinkaufspreis würde da stark steigen. In Schleswig-Holstein würde er stark sinken. Teilweise Industrieabwanderung in Bayern inklusive.
Als Schleswig-Holsteiner leide ich auch seit Jahren darunter, dass die Netzentgelte hier pro kWh 5-6 Cent höher sind. Meines Erachtens brauchen wir aber nicht zwingend regionale Stromeinkaufspreise. Aber entweder werden Stromeinkaufspreis und Netzentgelte regional definiert oder Stromeinkaufspreisund Netzentgelte sind deutschlandweit einheitlich. Was nicht geht, ist die aktuelle Situation, wo der Stromeinkaufspreis deutschlandweit einheitlich ist und die Netzentgelte regional festgelegt werden. Das schafft große Ungerechtigkeiten.
derJim meint
Danke für deine Erläuterung, das ist vielleicht nicht jeedem klar der das liest und hilft beim Einordnen!
Jörg2 meint
Danke!!
MichaelEV meint
Ebenso vielen Dank für diese Erläuterung.
Aber noch eine Ergänzung:
Dass die Bayern dadurch niedrige Preise haben gilt nur so lange wie der Strom auch tatsächlich transportiert werden kann.
Mittlerweile ist das immer häufiger nicht der Fall. Dann wird der Strom zwar in den Süden verkauft, aber nie geliefert und im Rahmen des Redispatches der EE-Erzeuger abgeregelt (also Strom weggeschmissen) und stattdessen im Süden für lokalen Ersatz (in aller Regel fossiler) gesorgt, der dort verrechnet wird.
Wir kommen also in die Situation, dass der Süden nicht mehr profitiert und quasi das einzige Ergebnis ist, dass der Norden nicht profitieren kann und kein Anreiz für die sektorübergreifende Energiewende besteht. Die würde dem Süden helfen, denn was im Norden an fossilen Energien eingespart wird, hätte man im Süden in Notsituationen zusätzlich zur Verfügung bzw. würde es die Preise entspannen.
Außerdem muss man so den Ausbau von Windkraft im Norden einstellen. Wenn im Norden mehr gebaut wird, womit man nichts anfangen kann, erzeugt man nichts Gutes sondern nur Schaden.