Die flächendeckende Einführung von Elektro-Lkw verändert laut dem Beratungsunternehmen Berylls alles und erfordert eine strategische Neubewertung. Die Berylls-Experten haben sich die Stellschrauben angesehen, an denen gedreht werden muss, um den Wandel möglich zu machen.
Der größte Knackpunkt sei die Ladeinfrastruktur. Wie viele „Megawatt-Charger“ für E-Lkw nötig sind, erläutert Steffan Lemke, Berater bei Berylls: „Für den nachhaltigen Fernverkehr werden wir in Europa mindestens 1.700 Megawatt-Ladesysteme brauchen – bis 2030. Davon sind im Haupttransitland Deutschland über 300 Ladestellen entlang der Autobahnen nötig, in Frankreich sogar mehr als 400.“
Diese Megawattlader müssten allerdings nicht nur vorhanden sein, die Fahrer müssten sie auch von unterwegs vorab buchen können, um die Ladezeiten sinnvoll in ihre Nutzungsbedürfnisse integrieren zu können. Ohne Berücksichtigung dieser Bedürfnisse werde der elektrische Fernlastverkehr kein Erfolg werden, so die Berylls-Analyse.
Während die Fahrer von E-Lkw von den typischen Vorteilen wie geringerem Fahrgeräusch und besserer Beschleunigung profitieren werden, konzentriert sich die Branche vornehmlich auf die wirtschaftlichen Aspekte von Elektro-Lkw. Die günstigen Gesamtbetriebskosten sprächen klar für den Übergang zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs, erklären die Berater.
Einige Hersteller haben bereits E-Lkw mit einer Reichweite von mehr als 400 Kilometern im Portfolio. Doch trotz der Fortschritte in der Technologie bleibt der Aufbau der notwendigen Infrastruktur laut Berylls als eine entscheidende Hürde. „Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeiten legen Lkw im Fernverkehr Entfernungen von 300 bis 360 Kilometern zurück. Sie verbrauchen dabei etwa 360 bis 430 Kilowattstunden Energie. Es ergibt sich also die Notwendigkeit einer leistungsstarken Ladung über der Ein-Megawatt-Schwelle, um ein Aufladen innerhalb der gesetzlichen Lenkzeitpausen von 45 Minuten für die nächsten 300 bis 400 km zu ermöglichen.“
Schnellladen entscheidend für E-Schwerlastfernverkehr
Die Bewältigung des in Europa vorhandenen Schnellladebedarfs sei ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Umstellung des Schwerlastfernverkehrs auf die Elektromobilität, so Berylls. Es stelle sich allerdings die Frage, wie viele Ladepunkte jede Station benötigt. Die Analyse des Beratungsunternehmens zeigt, dass der durchschnittliche Standort mindestens drei Ladepunkte besitzen muss, um den gemittelten Ladebedarf zu decken.
Steigt die Nachfrage während der Spitzenzeiten sprunghaft an, ist eine Obergrenze von 14 Ladepunkten gerechtfertigt, wenn die Wartezeit pro Lkw fünf Minuten nicht überschreiten soll. Das Netz müsste in diesem Fall bis 2030 mehr als 10.000 Ein-Megawatt-Ladeeinheiten aufnehmen. „Diese enorme Zahl zeigt, wie fraglich es ist, ob die Technologie bis 2025 für eine vollständige kommerzielle Nutzung bereitsteht“, so Berylls.
Während die Hersteller ihre typische und grundlegende Rolle bei der Weiterentwicklung ihrer Trucks wahrnehmen, um deren Technologie weiter voranzutreiben, ist aus Sicht der Berylls-Experten eine Zusammenarbeit aller Interessengruppen von entscheidender Bedeutung. Ohne diesen kollaborativen Ansatz sei die Erreichung der EU-Ziele und die langfristige Rentabilität von Elektro-Lkw kaum zu gewährleisten.
Kasch meint
Typisch deutsche Pippi-Langstrumpf-Denke: kein europäischer Fz-Hersteller will und kann ein rundes Ladekonzept für Zentrallager künftiger Kunden liefern, installieren und Stromversorgung samt Abrechnung regeln, aber von Fernverkehr mit öffentlichen MW-Ladern träumen. In der EU ist noch nicht mal ein Stecksystem für MW-laden definiert – nur ein weiteres lächerliches Hirngespinst im Land der Schildbürger ! Erneut errichten wir ein unnötig teures, komplexes Ladenetz, insbesondere infolge diverser Abrechnungsmodelle, obwohl die perfekte, praktikale und wirtschaftliche Lösung eines US-Spezialisten nur eingekauft werden müsste. Nebenbei, ohne stationären Batteriespeicher, 24/7 Stunden per Niederspannung ladend, reicht bereits vollkommen aus für kurzfristiges MW-laden eines LkW. Dazu ein paar Solarpanele und regenerative Energiegewinnung würde ERSTMALS Sinn machen in Europa.
Kasch meint
ups, MIT und nicht ohne Batteriespeicher narürlich – das A und O für MW-Ladeparks !
Jörg2 meint
Kasch
Volle Zustimmung!
Ich vermute, dass auch weiterhin die Umstellung, weg vom Diesel, bei den Flottenbetreibern kostenschonend und step-by-step erfolgen wird. Es werden die Fahrzeuge auf den Touren ausgetauscht, auf denen es sich jetzt bereits lohnt, Nicht-Diesel-Kfz einzusetzen.
Im Idealfall nutzt der Frachtführer eigene „Betankungspunkte“, kauft hierfür zu Mindestpreisen Kontingente ein und macht sich nicht von Liefermonopolen abhängig.
Das bedeutet:
Der erste BEV-Lkw kommt an die vorhandene Steckdose auf dem Betriebshof (vs. Errichtung einer H2-Tankstelle in einer nicht kalkulierbaren Größe).
Irgendwann reicht die vorhanden Steckdose nicht mehr aus und richtige Ladeinfrastruktur kommt auf den Hof. Dies harmonisch mitwachsend mit der Fahrzeugumstellung.
Den Energielieferanten sucht sich der Unternehmer bei „Strom“ aus einer Vielzahl raus. Bei H2 verhandelt er mit einem Quasi-Monopol.
….
Alleinig der langsame Hochlauf spricht (aus kostengründen) für „Strom“ und gegen „H2“.
Mark Müller meint
Für den Anschluss mehrerer Mega-Charger braucht es Hochspannungsleitungen, teilweise dutzende von Kilometer. So eine Hochspannungsleitung braucht mindestens 2 Jahre für Planung, Antrag, Genehmigung und Montage, oft auch deutlich länger. Der Kilometer kostet so etwa 1 Mio., oft auch deutlich mehr. Und alle rechnen damit, dass die Steuerzahler das bereitstellen.
Eine Wasserstoff-Tankstelle, die in einer Stunde gleich viele LKW lädt wie 4-6 Mega-Charger installiert man innert Wochen. Zudem braucht sie nur einen Viertel des Platzes (1 Ladeplatz statt 4-6).
eCar meint
Auch eine Wasserstofftankstelle benötigt einen Mittelspannungsanschluss.
Jörg2 meint
Mark
Ich gehe davon aus, dass die Bauherren solcher Mega-Charger-Ladepunkte die diversen, öffentlich verfügbaren Karten über die Strominfrastruktur von D im WWW finden werden. Ersatzweise hilft da Netzagentur und Stromversorger.
„Hochspannungsleitung“: brauchts eher nicht
„duzende Kilometer“ (ich vermute, bis zum nächsten Aufschaltpunkt): eher auch nicht
nie wieder Opel meint
Kannst ja mal eine Planung, Finanzierung und einen Bauantrag für eine H2Tankstelle durchziehen. Dann meldest Du Dich hier wieder und kannst mitreden.
Stromanschluss für das Monstrum bitte nicht vergessen.
Du musst dich auch noch entscheiden, ob da ständig der Tankwagen kommen soll, oder ob du eine Pipeline legen willst.
Mark Müller meint
Glücklicherweise muss ich das nicht selber durchziehen, um zu sehen, wie es funktioniert. Im Unterschied zu Mega-Chargern gibt es auf der Welt schon ein paar Tausend und in Europa ein paar Hundert Wasserstoff-Tankstellen. Zwei davon in meiner Nähe, je etwa 15 km.
Es ist aber so. Die Investitionskosten sind im Vergleich zu einem Mega-Charger erstaunlicherweise gering, dafür sind die Betriebskosten wegen der Nachlieferung deutlich höher. Das macht die Geschichte schon mal flexibel im Aufbau. Wenn ich dann tatsächlich sehr viel Wasserstoff vertanke, wird die Nachlieferung auch immer billiger und langfristig wird es dann einen Anschluss an die europäische H2-Pipeline geben.
nie wieder Opel meint
Träum weiter. Aber fall nicht von der Erdscheibe runter.
Jörg2 meint
Mark
Hättest Du ein paar Zahlen zum Vergleich?
Ich hätte nur ein Hilfskonstrukt zu bieten:
Eine recht einfache Methode, eine „Mega“-Ladung zu realisieren, ist das gleichzeitige Laden eines, aus mehreren Paketen bestehenden, Packs aus mehreren „normalen“ Ladesäulen. Tesla hat dies in der Entwicklungsphase des SEMI z.B. so gemacht.
Unterstellen wir mal 4 100er Packs im Auto und 4 typische Ladesäulen mit so um die 250 kW (bei Tesla wären das die weit verbreiteten V3 Ladesäulen), dann wäre eine „Mega“-Ladung realisierbar.
Über diesen Weg können wir uns der Kosten für einen solchen Ladepunkt nähern. Es gab wohl vor kurzer Zeit in den USA eine Fördermittelausschreibung für Ladepunkte. Aus diesen Unterlagen ging wohl hervor, dass Tesla mit Kosten für einen Ladestandort von durchschnittlich 392.000 US$ plant. Diese Standorte hätten zwischen 8…12 Ladesäulen.
Wir wären dann wohl bei max. 40.000 US$ auf eine Ladesäule runtergerechnet und könnten einen „Mega“-Ladepunkt also für 160.000 US$ basteln. (Eine entsprechend konstruierte Mega-Säule sollte billiger sein, als solch 4er-Hilfskonstrukt mit alten Säulen).
Ich bin mir sicher, eine H2-Tankstelle ist mit solchen Kosten nicht errichtbar. (Die völlig unterschiedlichen Betriebskosten lasse ich mal außen vor.)
Matthias meint
Lügen. Es gab Anfang 2023 unisono nach einigen Quellen ca. 800 H2-Tanken weltweit, größtenteils in Ostasien, und mit dem Zubau (und Rückbau!) vergangener Jahre hochgerechnet sind es auch heute noch keine Tausend. In Europa laut H2.live „165 eröffnet 43 In Realisierung“, aber ein Mark Müller weiß es natürlich besser mit „ein paar Hundert“. Und er hat sicher einen H2-Zapfhahn in seiner Garage, nicht wahr? Kost ja nix im Vergleich zu Stromkabeln.
Mark Müller meint
Ich nehme mal eine Raststätte, an der 10 E-LKW pro Stunde geladen werden können. Das wären dann 10 mal mind. 1 MW, macht 10 MW. Hier in der Schweiz entspricht das etwa dem Bezug von 1’000 Haushalten, also einem Dorf oder Stadt-Quartier.
Aus einem englischen Portal habe ich die Angabe, dass eine Mittelspannungsleitung so etwa 1 km kosten soll, bei starker Besiedelung auch viel mehr. Ein Problem dabei ist aber auch der Planungs- und Bewilligungsprozess.
Hinzu kommen div. Gebühren von ein paar Tausend pro Monat.
Der Preis des MegaChargers selbst ist mir nicht bekannt, es gibt ja meines Wissens erst Prototypen. Ein paar Hunderttausend werden das schon sein. Der Hauptpreis ist aber wohl die Zuleitung – und je nach Gegend der Platz für 10 LKW-Lastzüge.
Wenn ich an einer Wasserstoff-Tankstelle 12 LKW pro Stunde laden soll, braucht man 2 Lastzug-Standplätze mit zwei Zapfstellen und dem entsprechend starken Kompressor. In den Medien geistert immer so das Preisschild von 1 Mio. für eine einfachere Zapfstelle rum. Ich nehme also mal 2 Mio. für eine LKW-Doppelzapfstelle.
Die Zulieferung skaliert positiv mit der Benutzung. Wenn wenig getankt wird, muss auch wenig geliefert werden, wenn viel getankt wird, lohnt sich auch die Lieferung eher. Mittelfristig wird man grössere Tankstellen an eine Zweigstelle einer H2-Pipeline hängen. Das sind recht einfache Röhrchen, wie sie heute für das Gas in jedes Wohnhaus gehen.
Mark Müller meint
Sorry, ‚1 Million pro km‘
Jörg2 meint
Mark
Wir werden sehen (und hinnehmen müssen) was sich da am Markt entwickeln wird.
Meine Vermutung:
Wir werden keine nennenswerte Anzahl von H2-Lkw im Fernverkehr sehen.
Wir werden kein ausreichend dichtes Netz von H2-Tankstellen (für Lkw nutzbar) sehen (weder in der Fläche noch auf Raststätten).
Wir werden kein ausreichend dichtes und leicht nutzbares („ich schließe meine Tanke da mal zügig an“) H2-Leitungsnetz sehen (schon auf Grund der technischen Erfordernisse, die die Physik mitsich bringen).
Bei den ersten beiden Punkten gibt es das klasschische Henne-Ei-Problem.
Über allem schwebt das Problem der Kosten auf Grund des sehr hohen Energieaufwandes und des notwenigen Unterhaltungsaufwandes.
Und über allen schwebt das Problem, dass eine Umstellung Zug-um-Zug (z.B. innerhalb einer bestehenden Kfz-Flotte bei Anschaffung eigener Betankungs-/Lademöglichkeit auf eigenem Betriebshof)) sich bei der BEV-Lösung wohl einfacher umsetzen lässt, als bei der H2-Lösung.
Bei der H2-Lösung stellt sich mir immer die Frage, warum ein BEV-Lkw (er hat ja E-Maschine und Akku) runterkastriert werden muss um dann ein aufwändiges Zusatzmodul („H2“) dazuzubauen um die Kastration auszugleichen. Ja, es gibt die Diskussion „Reichweite“, „Zellverfügbarkeit“ etc. Hier zeichnen sich aber Lösung ab, die die Lust an hohen H2-Investionen eher dämpfen als beflügeln.
Aber, wir erden sehen, was der Markt da hervorbringt. Meine Wette: BEV-Lkw auch im vagabundierenden Fernverkehr (bei allem drunter ((Verteilerverkehre, Punkt-zu-Punkt-Verkehre…)) sowieso).
Tesla-Fan meint
Ich frage mich, wie das die Bahn hinbekommen hat so ein Megacharger-Netz über ihre Gleise zu spannen.
Wahnsinn!
alupo meint
Der für 1(!!!) PKW H2 Tankstelle exclusiv installierte Trafo muss 300 kW können.
Ohne sehr viel Strom und auch Stickstoff (neben H2 mittels LKW herbeigeschafft) funktioniert keine H2-Säule.
Was glaubst Du müsste so ein Trafo verkraften können wenn es dort 10 Säulen gäbe? Oder wenn die Säule auch LKWs und Busse betanken könnte? Sicherlich müsste er deutlich mehr Leistung transformieren können. Und diese Leistung muss durchs Netz kommen.
H2 bei PKWs und LKWs ist teuer weil eben extrem ineffizient. Soviel Strom nur für das Komprimieren des H2s, und das alles ist energetisch letztendlich verloren.
Oliver meint
Warum investiert man das Geld nicht einfach in die Bahn und nutzt eLKW nur für die letzte Meile? Das würde sehr viel Ressourcen schonen und Flächenverbrauch für LKW Ladeplätze vermeiden?
FahrradSchieber meint
Weil jeder „pro Bahn“ ist, aber dann auch wieder jeder in einer Bürgerinitiative aktiv wird, wenn eine neue Trasse in Nähe der eigenen Behausung gebaut werden soll.
Und bestehende Trassen sind in einigen Abschnitten schon zu nahezu 100% ausgelastet, auf den Hauptrouten geht kaum noch mehr.