Rund ein Jahr vor der Bundestagswahl sind zahlreiche verkehrspolitische Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag noch nicht umgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommen Allianz pro Schiene, Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC) und ACE Auto Club Europa bei ihrem zweiten „Ampel-Check Verkehrspolitik“.
Seit dem vergangenen Sommer sei die Ampel nur langsam vorangekommen mit der Umsetzung ihres Koalitionsvertrages. In Schulnoten ausgedrückt, stellen die Verbände der Bundesregierung statt einer glatten Note 4 wie im vergangenen Jahr nun eine 4+ aus („ausreichend“). Mit Blick auf die Bundestagswahl im September 2025 fordert das Bündnis von der Ampel einen ehrgeizigen verkehrspolitischen Endspurt.
„Während die kürzlich verabschiedete Novelle des Bundesschienenwegeausbaugesetzes und auch des Straßenverkehrsgesetzes spürbare Fortschritte beinhalten, sieht es mit der Umsetzung der Vision Zero im Straßenverkehr und beim Hochlauf der Elektromobilität eher düster aus“, so der ACE in einer Mitteilung. „Insgesamt bleibt viel zu tun, um die verkehrspolitischen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen (hier geht es zu den ausführlichen Ergebnissen und Bewertungen des Ampel-Checks).“
Schiene / ÖPNV
Die Umsetzung der im Koalitionsvertrag versprochenen Maßnahmen für den Schienenverkehr in Deutschland bewerten die drei Verbände insgesamt mit der Note 3. Positiv schneiden vor allem das Deutschlandticket, die massiv aufgestockten Schieneninvestitionen sowie die veränderte Einnahmenverteilung der Lkw-Maut ab, von der die Verkehrswende profitiere. Schlecht steht es um die Erweiterung des Streckennetzes und die Elektrifizierung der Schiene – in beiden Fällen gehe es kaum voran (zweimal Note 5).
„Auf der Habenseite steht, dass die Bundesregierung wie versprochen eine Beschleunigungskommission Schiene eingesetzt hat, die bereits Ende 2022 konkrete Empfehlungen für schnelleren Fortschritt auf der Schiene vorgelegt hat. Bislang wurde allerdings nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets umgesetzt“, kritisiert der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. „Wir warten weiterhin auf das schon lange angekündigte Moderne-Schiene-Gesetz, das wesentliche Vorschläge der Kommission umsetzen soll. Damit könnte dann unter anderem auch die schleppende Elektrifizierung beschleunigt werden.“
Ähnlich sehe es bei dem zentralen Vorhaben der Ampel aus, die Eisenbahninfrastruktur zukünftig am Gemeinwohl auszurichten. Flege: „Das Versprechen einer neuen gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte der Deutschen Bahn wurde mit der Gründung der DB InfraGO AG bisher nur organisatorisch eingelöst. Es fehlt allerdings noch die zugehörige Leitstrategie des Bundes mit konkreten Zielvorgaben für die neue Infrastrukturgesellschaft. Hier muss die Ampel in der verbleibenden Zeit Klarheit und Verbindlichkeit schaffen, sonst bleibt diese wichtige Reform unvollendet.“
Radverkehr
Beim Thema Radverkehr bekommt die Ampel-Regierung von den Verbänden wie schon im vergangenen Jahr die Gesamtnote 4. „Beim Radverkehr tritt die Bundesregierung weitestgehend auf der Stelle“, sagt Caroline Lodemann, Bundesgeschäftsführerin beim Fahrradclub ADFC. Zwar sei es gelungen, eine Novelle des zuvor zu stark auf Autoverkehr ausgerichteten Straßenverkehrsgesetzes zu verabschieden und den Bau von Radwegen zu erleichtern. Insgesamt fehle jedoch ein klares Bekenntnis zur Vision Zero wie es im Koalitionsvertrag versprochen wurde.
„Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer ist zwischen 2010 und 2023 um 17 Prozent gestiegen; ähnlich ist die Entwicklung bei den Fußgängern. Hier wünschen wir uns Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Kommunen. Bislang haben wir noch immer einen Flickenteppich“, so Lodemann.
Der Radverkehr in Deutschland müsse attraktiver und sicherer werden. „Dazu brauchen wir ein verbindliches Konzept, wie der Nationale Radverkehrsplan bis 2030 umgesetzt und wie er finanziert werden soll“, fordert Lodemann.
E-Autos
Auch was den Ausbau der Infrastruktur für E-Autos angeht, schneidet die Koalition in der Bewertung der drei Verbände schlecht ab: unverändert mit der Note 4. „Mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur hat die Bundesregierung zwar eine gute Grundlage geschaffen, um das Laden von E-Autos im ganzen Land zu erleichtern“, sagt ACE-Vorsitzender Stefan Heimlich. „Waren vor einem Jahr lediglich 19 der 68 Maßnahmen vollständig umgesetzt, sind wir inzwischen bei 33 umgesetzten Maßnahmen. Das ist in jedem Fall ein Fortschritt.“
Doch während sich die Zahl der Ladestationen immerhin befriedigend entwickele (Verbesserung auf Teilnote 3), stehe die Bundesregierung bei der Dekarbonisierung des Verkehrs noch ganz am Anfang (Note 5).
Heimlich sieht den Hochlauf der E-Mobilität gefährdet: „Vom Versprechen im Koalitionsvertrag, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen, sind wir immer noch meilenweit entfernt. Von dem Ziel, bis 2030 in Deutschland 15 Millionen vollelektrische Pkw auf die Straße zu bringen, sind gerade einmal 10 Prozent erfüllt. Um diese Zielmarke noch annähernd zu erreichen, muss die Bundesregierung jetzt dringend Maßnahmen ergreifen: Es braucht unter anderem Klarheit über den Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung.“
Bündnis fordert „verkehrspolitischen Endspurt“
Die Ampel-Koalition sollte nach Ansicht der Verbände das letzte Jahr der Legislaturperiode nutzen, um die noch offenen Punkte der eigenen verkehrspolitischen Agenda entschlossen anzugehen. Die angespannte Haushaltslage dürfe dabei kein Hindernis sein. Im Koalitionsvertrag habe sich die Regierung ausdrücklich vorgenommen, zusätzliche Haushaltsspielräume zu gewinnen, indem umwelt- und klimaschädliche Subventionen abgebaut werden.
Dirk Flege im Namen des Bündnisses: „Hier ist die Koalition bislang größtenteils untätig geblieben. Dabei ist das Potenzial gerade im Verkehr enorm. Mit einem Einstieg in den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen würden zusätzliche Investitionen in die Mobilität von morgen ermöglicht. Das wäre eine Win-win-Situation: Nicht nur der Haushalt profitiert, sondern auch Klima und Verkehrswende.“
Tommi meint
„Ausreichend“? Das bedeutet, es reicht, was die Politik macht? Ich bin zwar normalerweise Optimist, aber in dem Fall würde ich nicht sagen, dass es reicht. Nicht gleich „ungenügend – 6“, aber ein „mangelhaft – 5“ würde ich schon vergeben.
Andi_XE meint
Wenn man sieht wie das Wirtschaftministerium gegen den Missbrauch der THG-Quten vorgeht, dann ist das gar nicht so klar wer da auf der Bremse steht.
Die THG-Quten für BEV-Besitzer und Ladeanbieter werden durch schien Projekte in China und pseudo BIO-Sprit aus Palmöl derückt.
Zum einem das durch den pseudo BIO-Sprit und die Projekt die zum Teil nur auf dem Papier bestehen oder die geförderten nicht mal Eigentümer der Anlagen sind, tragen diese garnicht zu einer Minderung der Trebhausgasemesionen bei.
Ausser einer marginalen Strafsteuer für das BIO-Palmöl-Sprit scheint es keinerlei Bestrungen zu geben diese missbräuchliche Fördeung zu elemieren.
Wem die Minsterien für Wirtschaft und Klimaschutz unterstehen sollte hinlänglich bekannt sein.
M. meint
Wann wurden die fraglichen Richtlinien denn verabschiedet, bzw. diese Projekte gestartet?
MichaelEV meint
Gute Frage … wie bei den bekannten Fahrradwegen in Peru, über die auch CDU/CSU gehetzt haben.
Andere Fragen: Hat das Wirtschaftministerium überhaupt etwas mit der THG-Quote und der Umsetzung der RED zu tun? Wer hat RED II in nationales Gesetz überführt?
Die Grünen können sich höchstens bei der Umsetzung von RED III messen lassen. Aber auch da, damit das Gesetz durch geht, muss man Kompromisse eingehen. Und wenn die Grünen Leichen im Keller beseitigen wollen (z.B. bei Holz) geht direkt der Shitstorm los.
Gerry meint
Mit einem FDP-Wissing als Verkehrsminister wird das auch nix werden 🙄. Wer angesichts von Energie- und Klimakrise nicht mal in der Lage ist eine Tempolimit zu beschließen, kann nur als katastrophale Fehlbesetzung bezeichnet werden.
Allerdings ist das kein Ampelproblem, auch die Vorgänger von der CDU/CSU waren ja absolute Blindgänger.
brainDotExe meint
Ein Tempolimit ist diesbezüglich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Da bin ich eher bereit auf andere Dinge zu verzichten bzw. mich einzuschränken als ein allgemeines Tempolimit.
Wenn es doch zu diesem Worst Case kommen sollte, hoffe ich auf eine Ausnahme für BEVs.
M. meint
Sind schon ein paar Tropfen mehr. Und auch Kleinvieh macht Mist.
Es muss ja nicht flächendeckend Tempo 100 sein, 130 geht ja auch.
Was ich immer sehe: wenn auf einer Autobahn ein Tempolimit herrscht, läuft der Verkehr trotz höherem Verkehrsaufkommen viel flüssiger, als wenn ein paar Egoisten mit 200 durchstecken wollen und alles durcheinander bringen.
Und damit auch spritsparender, schneller sowieso.
Nachts, wenn nichts los ist – da sollen sich ein besonders eilige halt austoben, auf bestimmten Streckenabschnitten. Aber nicht im dichten Verkehr.
Yoshi meint
Laut Tagesschau lassen sich mit einem Tempolimit knappe 7 Mio to CO2 / Jahr einsparen.
Wir lassen mal aussen vor, dass das bei der Vielzahl der Faktoren Bestenfalls grob geschätzt und je nach Auftraggeber der Studie zu hoch oder zu niedrig gegriffen sein wird.
Anteil am weltweiten co2-Ausstoß:
Keine 0,02%. Einfluss aufs Klima: vermutlich nicht messbar.
Ich brauche auch nicht schneller als 120 fahren, aber was ihr nicht versteht ist dass solche Themen riesiges Spannungspotential bieten.
Da habt Ihr dann wieder ein paar Prozentpunkte CDU/fdp-Wähler mehr, die sich nach rechts orientieren weil „jetzt verbieten sie uns das auch noch.“
Das perfekte Beispiel für Symbolpolitik.
brainDotExe meint
130 betrachte ich als absolutes Minimum für ein potentielles allgemeines Tempolimit.
Alles darunter ist nicht nur politischer Selbstmord sondern auch unerträglich auf der Autobahn.
Mir geht’s beim Tempolimit nicht ums schnellere vorankommen.
Gerry meint
Joshi, gehst du wählen ?
Dein Einfluss auf das Wahlergebnis ist viel kleiner als 0,02%. Eher so bei 0,0000001%. Also vollkommen sinnfrei oder ? 🤔
Yoshi meint
Gerry, klar gehe ich wählen. Das hat ja auch keinen negativen Einfluss.
Das Tempolimit hätte meiner Meinung nach schon einen negativen Einfluss, weil es den Parteien Zulauf beschert bei denen Klimaschutz ganz unten auf der Agenda steht.
hu.ms meint
Ohne ein sondervermögen (schulden) wird das auch mangels geld nichts.
Den kindern 150 mrd. schulden hinterlassen oder sie 1.000 mrd. Reperaturkosten für die aus dem menschlich gemachten klimawandel entstehenden schäden zahlen lassen?
Yoshi meint
Die 150 Mrd sind eben konkret.
Klimaschäden sind ausgesprochen schwer zu beziffern, und dann willst du konkret ausrechnen welche Kosten entstehen wenn wir in Deutschland 150 Mrd einsparen?
Ich würde eher sagen: entweder vererben wir unseren Kindern 1.000 Mrd Schulden oder 1.150 Mrd., wenn man das Geld hier in Deutschland aus dem Fenster wirft.
M. meint
Wieso „Ampel-Check“?
Welche Partei hier auf der Bremse steht, sollte inzwischen doch klar sein.
Vielleicht mal etwas genauer adressieren,
@Allianz pro Schiene
@Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC)
@ACE Auto Club Europa