Rund vierzig Kilometer südwestlich von Paris in Frankreich hat ein Konsortium unter der Leitung von VINCI Autoroutes in Zusammenarbeit mit Electreon, VINCI Construction, der Universität Gustave Eiffel und Hutchinson das Projekt „Charge as you drive“ gestartet. Es handelt sich um das weltweit erste System zur dynamischen induktiven Aufladung auf einer Autobahn im fließenden Verkehr. Damit können elektrische Nutzfahrzeuge – und alle E-Fahrzeuge mit entsprechenden Empfangsmodulen – ihre Batterien während der Fahrt direkt von der Straße aus aufladen.
Das Konzept hat laut den Verantwortlichen das Potenzial, die Elektromobilität grundlegend zu verändern. Durch kontinuierliche Energieversorgung könnten Batterien deutlich kleiner werden, was Fahrzeuge günstiger, leichter und energieeffizienter machen würde. Auch die Transportkapazität würde steigen, da weniger Batteriegewicht anfällt, während Standzeiten zum Laden entfallen. Die Umwelt profitiere ebenfalls: Der Bedarf an Rohstoffen und die CO₂-Emissionen bei der Batterieproduktion würden sinken.
Vier Prototypen im Test
Nach Laborversuchen und Haltbarkeitstests auf einem abgeschlossenen Gelände wurden auf der A10 über eine Strecke von 1,5 Kilometern Induktionsspulen in die Fahrbahn integriert. In der aktuellen Phase testen vier Prototypen – ein schwerer Lkw, ein Nutzfahrzeug, ein Pkw und ein Bus – das System im realen Autobahnverkehr.
Die Erprobung ist Teil eines Projekts, das 2023 im Rahmen eines Förderprogramms ausgewählt wurde. Nun beginnt die Phase des operativen Einsatzes: Die mit Empfangsspulen ausgestatteten Fahrzeuge prüfen die Ladeleistung des sogenannten Electric Road Systems (ERS) unter Alltagsbedingungen. Drei Labore der Universität Gustave Eiffel haben dazu Testkampagnen auf der A10 durchgeführt. Erste Analysen zeigen: Das System liefert sicher Spitzenleistungen über 300 Kilowatt und durchschnittlich mehr als 200 Kilowatt bei stabilen Bedingungen.
„Die ersten Ergebnisse der laufenden Tests auf einem Abschnitt der A10 bestätigen die Erkenntnisse früherer Studien“, erklärt Nicolas Notebaert, CEO von VINCI Concessions und Präsident von VINCI Autoroutes. „Die Einführung dieser Technologie auf den wichtigsten Straßennetzen Frankreichs wird die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugflotten beschleunigen – und so die Treibhausgasemissionen aus dem Frachtverkehr senken, der allein über 16 Prozent der nationalen Emissionen verursacht.“
„Ohne Konkurrenz auf diesem Niveau“
Auch Oren Ezer, CEO der israelischen Firma Electreon, betonte die Bedeutung der Ergebnisse: „Dies ist ein entscheidender Moment in der weltweiten Entwicklung elektrischer Straßen. Die herausragende Leistung unseres Systems, bestätigt durch unabhängige Labore, zeigt, dass unsere Technologie die einzige ist, die dynamisches Laden mit solcher Leistung und Zuverlässigkeit ermöglicht – ohne Konkurrenz auf diesem Niveau.“
Die Straßentests basieren auf fast zwei Jahren gemeinsamer Arbeit des Konsortiums, das im September 2023 begann. Ziel war es, alle Sicherheits- und Betriebsanforderungen zu prüfen, bevor die Spulen auf der A10 installiert wurden. Nun fahren die Prototyp-Fahrzeuge im normalen Verkehr und liefern Daten über die Praxistauglichkeit der Technik.
Bisherige Lösungen für elektrische Schwertransporte setzen auf tonnenschwere Batterien und Ladeleistungen bis zu einem Megawatt, um ausreichende Reichweiten zu erzielen. Das neue System könnte diesen Aufwand deutlich verringern. Es soll kleinere Batterien, geringere Kosten, weniger Rohstoffabhängigkeit und eine Verringerung der CO₂-Bilanz ermöglichen – sowohl im Betrieb als auch in der Herstellung.
Im großflächigen Einsatz ließe sich der CO₂-Ausstoß des Straßengüterverkehrs erheblich senken, so die Projektverantwortlichen – nicht nur im Vergleich zu Diesel-Lkw, sondern auch zu batteriebetriebenen Fahrzeugen mit überdimensionierten Energiespeichern. Die induktive Ladetechnik werde weltweit erprobt, unter anderem in den USA, China, Südkorea, Deutschland, Italien, Schweden, Norwegen und Israel. Doch die Installation auf einer Autobahn unter realen Verkehrsbedingungen sei ein Novum.
Mit dem Projekt erreicht die Technologie ein neues Reifestadium, so die Initiatoren. Sie könnte langfristig die Abhängigkeit Europas von importierten Batterien und Rohstoffen verringern, neue industrielle Arbeitsplätze schaffen und die Produktion von Komponenten für elektrische Straßensysteme in Europa stärken.

Mary Schmitt meint
Schon beeindruckend, dass das geht. Die Kosten wären nicht so hoch, weil Straßen sowieso regelmäßig angefasst werden. Aber es kostet mehr als Ladeparks und die Frage ist, wie viel mehr? Im Transportgewerbe ist man auf günstigen Strom unterwegs angewiesen. Selbst für autonome Transporter ohne Ruhezeiten ist das kein Segen. Denn da gilt gleiches: Hat eine entfallene Ladepause wirklich einen Geldwert gegenüber dem Megawatt-Charging?
Mäx meint
Ist doch gut zu wissen, dass nicht nur in Deutschland mit Geld leichtfertig umgegangen wird.
Mike2 meint
Interessant wäre zu Wissen was der Einbau pro Km kostet und die Zusatzinstallationen beim Fahrzeug. Das es funktioniert glaube ich schon, aber ob es sich rechnet…..
CaptainPicard meint
Ich mein, in der Praxis ist es auch nichts anderes als der e-Highway mit Oberleitungen, nur dass die Infrastrukturkosten noch einmal viel höher sind weil man die Straße aufreißen muss.
Michael meint
Kaum das die Oberleitungen auf deutschen Autobahnen wieder abgebaut sind kommen die Franzosen mit einer Lösung daher, die noch mehr Geld kostet, aufwendiger und insgesamt ziemlich sinnlos sind.
Und immer noch fehlen geeignete Ladesäulen da wo sie heute schon gebrajcht werden, auf den Rasthöfen der Autobahnen
Der1210er meint
Die Oberleitungen zwischen Darmstadt und Frankfurt sind mitnichten abgebaut. Die sehe ich jedes mal in ganzer Pracht, wenn ich dort entlangfahre. Fährt halt nur kein Oberleitungs-LKW mehr und Strom ist auch keiner mehr drin.
27 Millionen sollen die Leitungen selbst gekostet haben.
Für den Rückbau sollen „mehrere Millionen“ fällig werden. Da kann man schon verstehen, dass die Leitungen einfach stehen gelassen werden. Quasi als Denkmal. Oder Mahnmal. Je nach Betrachtungswinkel…
McGybrush meint
Das doch eines dieser mit Fördergeld bezahlten Projekte wo man am Ende nie erfährt welche Kosten pro 100km anfallen, wie die Wirkungsgrade waren oder welche Erkenntnisse man für die Zukunft mitnehmen kann aus das es stillgelegt wird.