Das schwedische Start-up für Elektroauto-Batteriezellen Northvolt könnte angesichts seiner aktuellen Probleme scheitern. Im November hat das Unternehmen in den USA Gläubigerschutz beantragt und CEO Peter Carlsson trat zurück. Die beiden größten Anteilseigner Volkswagen und Goldman Sachs wollen laut Insidern nun ihre Anteile abschreiben.
Volkswagen, mit einem Anteil von 21 Prozent der größte Aktionär von Northvolt, soll seinen Anteil „signifikant abgeschrieben“ haben. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf „zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen“. Im Geschäftsbericht 2023 hatte der deutsche Autokonzern die Beteiligung mit 693 Millionen Euro angegeben. 2022 war der Wert noch mit 900 Millionen Euro beziffert worden.
Die US-Bank Goldman Sachs ist nach Angaben der Financial Times „mit mindestens 896 Millionen Dollar bei Northvolt engagiert“, und „sie wird diese Summe am Ende des Jahres auf Null abschreiben“.
Der schwedische Pensionsfonds AMF, einer der zehn größten Northvolt-Aktionäre, erklärte, dass er seine Beteiligung regelmäßig überprüfe und anpasse. Mehr ließ man nicht verlauten. „Wie jedem klar ist, ist der Wert von Northvolt deutlich niedriger als noch vor einem Jahr“, sagte ein Sprecher gegenüber Reuters. AMF hatte umgerechnet rund 169 Millionen Euro in das schwedische Unternehmen investiert.
Northvolt ist finanziell angeschlagen und hat deshalb Gläubigerschutz nach US-Recht beantragt. Das Restrukturierungsverfahren schützt das Start-up für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger. In den Gerichtsunterlagen heißt es: „Das über allem stehende Ziel ist es, mit einem oder mehreren langfristigen strategischen oder Finanzinvestoren zusammenzuarbeiten.“
Northvolt ist angetreten, um eine große europäische Produktion von Batteriezellen für E-Fahrzeuge zu etablieren. Derzeit dominieren asiatische Akkufertiger den Markt. Zu den Eigentümern gehört auch BMW. Northvolt hatte in den vergangenen Monaten erfolglos mit seinen Geldgebern über ein Finanzierungspaket verhandelt. Das 2016 ins Leben gerufenen Start-up hat bisher noch keinen Gewinn erwirtschaftet und kämpft mit Qualitätsproblemen und Verzögerungen. Wegen wegbrechender Aufträge und Problemen beim Hochfahren der Produktion wurden zuletzt die Ausbaupläne zurückgefahren, tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft.
Die im Bau befindlichen Fabriken im norddeutschen Heide und in Kanada sind bislang nicht von den Problemen betroffen, da sie von Tochtergesellschaften betrieben und finanziert werden.
Thyl Engelhardt meint
Erst heute habe ich erfahren, dass Northvolt Akkus mit einer Energiedichte von 160 Wh/kg bauen will. Das liegt zwar auch an der Bauart, aber ich glaube, da hat man aufs falsche Pferd gesetzt. Die Konkurrenz peilt demnächst, also 2025 oder 2026, schon 500 Wh/kg an, und 360 sind bei Nio aktuell verfügbar. Nur eine Vergrößerung der Reichweite kann neue Kundenkreise anlocken, die rationalen Argumenten wie „brauchste doch eh nur einmal im Monat“ nicht zugänglich sind.
Aztasu meint
Natrium-Batterien gibt es schlicht nicht mit viel mehr Energiedichte. Die LFP Batterien die Tesla heute noch einsetzt (bis auf BYD Blade) haben sogar eine schlechtere Energiedichte. Die 500Wh/kg sind bisher nur mit NMC möglich und auf dem Markt ist davon auch noch nichts. Feststoffbatterien können theoretisch auch solche Werte erreichen aber bis Festoffbatterien mit solchen Werten auf dem Markt sind dauert es noch mal etwas länger.
Die Natrium-Batterien wären für günstige Fahrzeuge nicht verkehrt gewesen. Man sollte außerdem an NMC und Festoffbatterien forschen. LFP macht in Europa keinen Sinn mehr. Die chinesische Konkurrenz hat einen zu großen Vorsprung und produziert erheblich günstiger und so stark sind LFP Zellen nun auch nicht, da Natrium noch günstiger ist und Feststoffbatterien noch bessere Energiedichten aufweist.
Jörg2 meint
Du brauchst erneut Tesla als Benchmark!?
Warum?
lanzu meint
Northvolt plant erstmal vor allem Lithium-Zellen. Die 160 Wh/kg haben sie für die Natrium-Zellen genannt. Die Vergleiche sind damit Quatsch.
Gernot meint
Northvolt hat seine Probleme zum ungünstigsten Zeitpunkt. Noch vor 2 Jahren wäre die weitere Finanzierung wahrscheinlich kein Problem gewesen.
In China laufen viele Batteriefabriken aktuell nur mit ungefähr halber Auslastung, weil sich die erwartete Umstellung auf Elektromobilität weltweit nicht so beschleunigt hat, wie das die meisten (mich eingeschlossen) angenommen haben. CATL und andere haben mit drastischen Engpässen gerechnet, stattdessen gibt es momentan zu viel Produktionskapazität, was auch ein wesentlicher Grund ist, warum sich die Batteriepreise seit Anfang 2023 noch mal mehr als halbiert haben. Wenn in einer Branche zu viel Kapazität im Markt ist und Preise verfallen, dann haben Investoren traditionell wenig Appetit, Geld für weitere Kapazitäten bereit zu stellen. In Nordamerika wollte Northvolt in Kanada produzieren, während der Hauptmarkt die USA wären. Das ist durch die Wahl von Trump auch eine problematische Konstellation, der gerade 25% Zoll auf alles aus Kanada angekündigt hat.
Trotzdem glaube ich, dass man es noch sehr bedauern könnte, wenn es Northvolt nicht schafft. Weil alle nur noch auf kurzfristige Bilanzwerte und Gewinne fixiert sind, fahren in Europa auch VW, Mercedes, Stellantis angesichts der BEV-Nachfragedelle gerade ihre Investitionen in Batterien zurück. Northvolt war mit Abstand die beste Wette auf einen europäischen Anbieter, der im Konzert der großen Batterieanbieter etwas mitfideln kann. Absehbar wird der Elektroautomarkt spätestens ab 2026 wieder boomen und der Markt für stationären Speicher wird explodieren, einfach weil Batteriespeicherung rentabel ist. Allein den deutschen Übertragungsnetzbetreiber liegen Anfragen für den Anschluss von 161 GW an Batterieleistung vor. Wenn man überschlägig ein Verhältnis von 1:2 für Leistung zu Kapazität annimmt, dann würde allein das mehr als 5 Jahresproduktionen von Northvolt in Heide (60 GWh) komplett absorbieren. Und Northvolt hat auch an Natriumzellen gearbeitet, die für stationären Einsatz prädestiniert sind. Am Ende überweisen wir in den nächsten 20 Jahren insgesamt 300-600 Mrd. allein für Batteriezellen für den stationären Einsatz nach China und Europa findet auch auf dem Markt nicht mehr statt.
Powerwall Thorsten meint
1+ Sehr gute und stimmige Faktenanalyse
Peter meint
Wenn ich das richtig sehe, ist Northvolt (also der betroffene Teil) noch nicht ganz am Ende. VW soll angeblich 2 Mrd. investiert haben, wenn sie den Wert im Jahr 2023 nur noch auf 6xx Mio. bewertet haben, haben sie also vermutlich schon vor/in 2023 ordentlich abgeschrieben.
Ich teile die Meinung, dass Europa eine eigene Zellproduktion braucht und dass die Bedarfe aus den genannten Gründen riesig sind. Aber es gibt mit ACC und PowerCo weitere europäische Spieler, bei denen man sehen muss, wie die sich entwickeln. Generell gab es beim ersten Standort von Northvolt wohl absehbare Probleme (infrastrukturelle Anbindung, Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Qualität des Maschinenenparks), die die Anteilseigner aber – vielleicht auch mangels Erfahrung und mangels Fokus – nicht angepackt haben.
Man wird sehen, was mit Heide ist und ob aus Heide später noch was Größeres erwachsen kann.
Ossisailor meint
Also VW macht ja mit PowerCo Ernst. Gerade haben sie einen verbindlichen Liefervertrag mit Novonix/USA über 30.000 Tonnen synthetisches Graphitmaterial abgeschlossen, Kathodenmaterial für seine Batterietochter. Einen nach größeren Vertrag haben die übrigens mit Stellantis eingetütet.
Swissli meint
Nun, die (zu) grosse Wette ist nicht aufgegangen. Es fehlte weder an namhaften Investoren, noch am Geld, noch an Standortförderungen. Hab mich schon immer gewundert, dass bei Northvolt mit der grossen Kelle angerichtet wurde… hier eine Fabrik, dort eine Fabrik… und alles zeitnah. Das alles mit dem Hintergrund, dass Northvolt nicht mal die erste Fabrik „zum Fliegen brachte“ (u.a. zu hohe Ausschussquote). Richtiges Vorgehen wäre gewesen: die eine Pilotfabrik „funktioniert“ und dann Fabrik copy paste.
GS und VW machen ja nicht zum Spass solche Abschreiber. Die sehen wie der Stand technisch und finanziell wirklich ist. Natürlich wird m.M. schon 2025 (nicht erst 2026) die BEV Verkäufe wieder anziehen. Die höheren Batteriepreise werden aber nicht wieder kommen (wegen der massiven Überkapazitäten in China). Ich möchte gar nicht wissen, zu welchen Kosten Northvolt heute (oder morgen) Zellen produzieren könnte. Das wird weit über den aktuellen Marktpreisen von Zellen sein. Das ist wohl der eigentliche Grund, wieso GS und VW grosse Abschreiber tätigen müssen (es gibt ja auch gesetzliche Vorgaben bzgl. Abschreibungen). Es geht nicht um eine kurzfristige Finanzspritze, sondern um die fehlende Wettbewerbsfähigkeit.
Die Wahrheit meint
Bei Northvolt habe ich mich nicht geirrt. Man wollte zu viel in zu kurzer Zeit. Die Ergebnisse standen schon fest ohne begonnen zu haben. Das ist oft ein Garant für Misserfolge.
Die Förderungen waren und sind vergeudet.
Jetzt werden Milliarden Förderungen in Wasserstoffprojekte versenkt.
Ich kann mich irren, sehe aber Rivian nicht als Problemlöser für VW, sondern nur als weiteren Versuch, die VW Probleme auszulagern.
Die Ehe bricht genau dann, wenn die Erfolge nicht schnell genug erfolgen oder gar ganz ausbleiben. Cariad war auf einem guten Weg, da saßen auch keine schlechten Programmierer. Gute Software braucht seine Zeit und Fehlertoleranz. Alles andere kommt als Verbesserung über Updates.
Genau so sieht es auch die Börse. Der VW Kurs kommt nicht aus dem Keller raus.
Die Gründe sind bekannt und werden sich nicht in Luft auflösen.
Future meint
Jeder Versuch ist besser, als es nicht versucht zu haben. Wir müssen das positiv sehen und eben dazulernen. Nächstes Mal wird es dann vielleicht besser.
Matthias meint
Man sollte mal wieder daran erinnern dass auf den Straßen noch einige Smart Electric Drive der Baujahre 2012 bis 2015 herumfahren, mit Akkupaketen von Deutsche Accumotive, darin Zellen von Litec, jeweils in Kamenz/Sachsen gefertigt. Die Zellfertigung hat Daimler 2015 eingestampft und verscherbelt.
Man hat es schon damals gekonnt. Aber nie gewollt.
der Wartende meint
Das 2016 gegründete Start-up kann selbst nach 8 Jahren das Produkt was sie verkaufen nicht liefern – so müsste es heißen. VW hat in seiner Not 900 Millionen oder mehr in ein Farbprospekt investiert, Wahnsinn. Ich frage mich immer wieder, wieso VW angenommen hat, mal eben so konkurrenzfähige Zellen herstellen zu können. Ich befürchte, das wird nie was werden – ob in Salzgitter oder in Spanien mit Ihrer anderen Tochter.
Besser-BEV-Wisser meint
Nach allem was bekannt ist, ist VW mit seinen eigenen Fabriken durchaus auf Kurs. Die Pilotlinien scheinen schon zu laufen. Wäre dem nicht so, müssten sie dies auch mitteilen, da dies Börsenrelevant ist.
VW traut sich sogar zu direkt mit dem Trockenbeschichtungsverfahren loszulegen, für welche Tesla 3 Jahre gebraucht. Und die hatten schon reichlich Erfahrung mit Zellproduktion und mussten „nur“ diesen Prozessschritt umstellen.
Aber die wirklich kritische Phase Steht VW noch bevor. Hohe Stückzahlen mit niedrigen Fehlerquoten hinzukommen ist die eigentliche Kunst. In einem Jahr wissen wir mehr…
Future meint
In Salzgitter gibt es bisher nur Piloten und keine Skalierung. Kein einziger VW fährt mit eigenen Zellen. In Sagunt steht noch keine Halle. Aber die Generalität hat alles vorbereitet und schön planiert.
Besser-BEV-Wisser meint
Laut VW Pressemitteilungen läuft die Vorserienproduktion. Und 2025 die Batterien für den Serieneinsatz gebaut werden.
Und 2026 in Spanien die Batterien für den ID2 gebaut werden.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
„Wäre dem nicht so, müssten sie dies auch mitteilen, da dies Börsenrelevant ist.“
Du bist mir ja ein Herzchen, schon mal etwas vom Diesel-Skandal 2015 gehört?
Besser-BEV-Wisser meint
Ja, da haben sie es nicht rechtzeitig gemacht. Jetzt steht Winterkorn vor Gericht.
Aber ja, Konsequenzen aus dem Verheimlichen von Meldepflichtigen Ereignissen gibt es selten. Und selbst wenn, (wie beim Dieselskandal) verläuft es oft im Sande.
Trotzdem: Es ist Meldepflichtig wenn sich die Batterieproduktion signifikant verschiebt oder die Kosten dafür explodieren.
Yoyo meint
@ Besser-BEV-Wisser:
Ja der Winterkorn steht oder besser stand vor Gericht.
Das Verfahren ist ausgesetzt, weil Winterkorn krank ist.
Ich bin überzeugt, dass Winterkorn nie verurteilt werden wird, weil man ihn für dauerhaft verhandlungsunfähig erklären wird,
H-P meint
Ich denke, VW hat aus der Geschichte mit dem Dieselskandal gelernt und die Sache „besser“ aufgearbeitet als mach anderer Hersteller die man halt nicht „erwischt“ hat.
Future meint
Gibt es denn endlich auch mal Juristen unter den Vorständen bei VW?
Diese Berufsgruppe hätte dann vermutlich auch ein besseres Unrechtsbewusstsein als die Maschinenbauer und Betriebswirte.
Horst Krug meint
Volkswagen ist Out of Zukunftsfähig, ziemlich krank
Aztasu meint
Was für ein Schwachsinn. Es geht hier nicht mal um VW, die bauen gerade ihre eigene Batteriezellenfertigung auf
Fred Feuerstein meint
Stimmt, Salzgitter bekommt gerade zu schmecken, was Skalierung von Batteriezellen bedeutet. Derzeit wird keine einzige Zelle von Volkswagen in einem Serienfahrzeug verwendet, nicht eine…
Future meint
Jedes Investment ist eben eine Wette auf die Zukunft. Das ist nicht anders als beim Hauskauf.
B.Care meint
Positiv denken, hast du weiter oben noch gesagt ;-)
Future meint
Das Wetten an sich ist ja auch positiv. Das kann gut gehen oder eben auch nicht. Deshalb sollte ein Aktiendepot ja auch immer vielfältig aufgestellt sein.
BEV meint
„Das 2016 ins Leben gerufenen Start-up hat bisher noch keinen Gewinn erwirtschaftet“
so ist das nun mal, wenn man die Durststecke nicht in Kauf nehmen möchte, dann wirds auch nichts
die chinesischen Hersteller schauen zu und lachen sich ins Fäustchen
Steve meint
Northvolt liefert weder die versprochene Quantität noch die versprochene Qualität.
BEV meint
das mag schon sein, schlimmer ist eher, dass der Glaube offensichtlich nicht mehr da ist, das das jemals passieren wird oder man hat einfach nicht die Geduld solang zu warten und Verluste hinzunehmen
der Preisdruck aus China wird immer krasser und das zerstört die Rentabilität, man dann bleibt man weiterhin abhängig
Swissli meint
Insofern bin ich auch auf Elons deadline mit der 4680er gespannt. Die endet ja offiziell Ende 2024 (also in 5 Wochen). Seit 4 Jahren wird herumgewerkelt.
4 Jahre sind in der Zelltechnologie eine lange Zeit. Wenn man vergleicht was andere (CATL, BYD u.v.a.) in der Zeit weiterentwickelt haben…
Aztasu meint
4680 wird ohnehin als Formfaktor nicht mehr priorisiert. 4695 und 46120 sind nun die bevorzugten Formfaktoren für Rundzellen. Neben Rundzellen gibt es auch noch andere Arten. Da ist nach wie vor viel Varianz im Spiel. CATL geht ja nicht davon aus das Tesla mit den 4680 einen großen Durchbruch machen wird. Und BMW meint ja Tesla müsste bei seinen Rundzellen einen Rückstand aufholen. Also ich glaube da wird nicht mehr viel kommen. Die Zellen werden sicherlich funktionieren, auch wenn sie hinter den Erwartungen zurückbleiben. Das ist ja auch schon was. Für Volkswagen reicht das auch, so macht man sich etwas unabhängiger.
BEV meint
von Feststoffzellen redet doch keiner, die müssten erst mal das schaffen, was andere schon längst können
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Die Chinesen haben ihre Schafe im Trockenen, wir haben unsere Och.sen im Management.