Knapp eine Woche nach dem Beginn der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei VW-Dieselmotoren scheinen die gesamten Ausmaße und ein Ende noch nicht in Sicht. Nach seinem Rücktritt als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG muss sich Martin Winterkorn wohl vor Gericht rechtfertigen und sein Nachfolger Matthias Müller verspricht schnelle Aufklärung.
Millionen Audi- und Škoda-Fahrzeuge betroffen
Wie durch die Zugehörigkeit zum Volkswagen Konzern zu vermuten war, sind auch Diesel-Fahrzeuge der Marken Audi und Škoda mit der manipulierten Software an Bord unterwegs. Wie die Süddeutsche Zeitung bezugnehmend auf Unternehmensquellen berichtet, summiert es sich weltweit bei Audi auf 2,8 Millionen Autos, wovon auf die Region Westeuropa 1,42 Millionen, auf Deutschland 577.000 Fahrzeuge und auf die USA etwa 13.000 Autos entfallen. Betroffen sind neben den Modellreihen A1, A3, A4 und A6 nun auch die SUV-Baureihen Q3 und Q5. Selbst der Sportwagen TT mit Diesel-Motorisierung macht keine Ausnahme.
Bei der Volkswagen-Tochter Škoda gehören 1,2 Millionen Fahrzeuge der Baureihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb aus den Jahren 2009 bis 2013 dazu. In wie vielen Seat-Fahrzeugen die Software zum Einsatz kommt, wurde noch nicht bekannt gegeben. Zusammen mit den rund fünf Millionen VW-Modellen werden es ungefähr elf Millionen Autos des Konzerns insgesamt sein, in denen der fragliche Motor mit der VW-internen Bezeichnung EA 189 und 1,6 sowie 2,0 Litern Hubraum arbeitet. Dabei gehe es wohl ausschließlich um Dieselmotoren, die die Abgasnorm EU 5 erfüllen. Neuere Euro-6-Motoren seien nicht betroffen.
Müller verspricht Aufklärung
Große Aufgaben liegen also vor dem neuen Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden, der sich dessen bewusst scheint: „Meine vordringlichste Aufgabe wird es sein, Vertrauen für den Volkswagen Konzern zurückzugewinnen – durch schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz, aber auch, indem wir die richtigen Lehren aus der aktuellen Situation ziehen. Volkswagen wird unter meiner Führung alles daran setzen, die strengsten Compliance- und Governance-Standards der gesamten Branche zu entwickeln und umzusetzen. Wenn uns dies alles gelingt, dann hat der Volkswagen Konzern mit seiner Innovationskraft, seinen starken Marken und vor allem seiner kompetenten, hochmotivierten Mannschaft die Chance, langfristig gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen.“
Matthias Müller wurde am 9. Juni 1953 in Chemnitz geboren. Er absolvierte nach seinem Abitur in Ingolstadt eine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei der Audi AG und studierte an der Fachhochschule in München Informatik. Nach seinem Abschluss als Diplom-Informatiker setzte Müller 1978 seine berufliche Laufbahn bei der Audi AG in Ingolstadt fort, übernahm dort 1984 die Verantwortung für die Abteilung System-Analyse und wurde 1993 Leiter des Projektmanagements für den Audi A3. 1995 übernahm er die Leitung des Produktmanagements der Audi AG sowie von SEAT und Lamborghini.
Als Leiter des Produktmanagements des Volkswagen Konzerns und der Marke Volkswagen wechselte Müller 2007 nach Wolfsburg und wurde dort zum Generalbevollmächtigten des Konzerns ernannt. Seit 2010 ist er Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG sowie Vorstandsmitglied der Porsche Automobil Holding SE. In seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG wurde Müller zum 1. März 2015 in den Vorstand der Volkswagen AG berufen. Diese Funktion wird er bis zur Benennung eines Nachfolgers weiterführen. Der bestehende Vorstandsvertrag der Volkswagen AG mit Matthias Müller wird in seiner neuen Funktion als Vorstandsvorsitzender weitergeführt. Dieser Vertrag läuft bis Ende Februar 2020.
Schnelle Lösung gefordert und in Aussicht gestellt
Wie die SHZ berichtet, gerät das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nun selbst in die Kritik und fordert gleichzeitig eine schnelle Aufklärung des Skandals sowie einen konkreten Zeitplan zur Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge.
Bereits am Freitag hatte Dr. Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen Pkw angekündigt: „Wir arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung, die wir so rasch wie möglich dem Handel, unseren Kunden und der Öffentlichkeit präsentieren werden. Ziel ist, unsere Kunden schnellstmöglich zu informieren, damit ihre Fahrzeuge vollumfänglich den Vorschriften entsprechen. Ich versichere Ihnen, dass Volkswagen alles Menschenmögliche unternehmen wird, um das Vertrauen unserer Kunden, der Händler und der Öffentlichkeit wieder zu gewinnen.“
Weitere Verantwortliche gefeuert?
Nach bislang nicht bestätigten dpa-Informationen müssen mehrere Top-Manager, darunter Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg ihren Hut nehmen. Der 65-Jährige galt als Vertrauter von Martin Winterkorn und als technischer „Mastermind“ im Konzern. Offiziell hieß es bereits am Freitag: „Der Aufsichtsrat hat nach aktueller Erkenntnislage empfohlen, einige Mitarbeiter umgehend zu beurlauben. Dies ist teilweise bereits erfolgt.“
Diskussionen um Winterkorn-Boni und Staatsanwalt Braunschweig ermittelt gegen Ex-VW-Boss
Während die Diskussion weiter geht, ob Martin Winterkorn eine horrende Abfindung zusteht, hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig aufgrund von Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn eingeleitet. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt auf dem Vorwurf des Betruges durch den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten. Es gehe vor allem um die „Klärung der Verantwortlichkeiten“.
So geht es diese Woche weiter
Montagabend versprach der neue Volkswagenchef Matthias Müller eine „schonungslose und konsequente Aufklärung“. Dabei könne man allerdings nur Stück für Stück voran gehen, und man müsse auch mit Rückschlägen rechnen, betonte Müller in einer Mitteilung des Unternehmens. Volkswagen stehe demnach vor der „größten Bewährungsprobe“ der Unternehmensgeschichte.
Volkswagen versucht nun, an vielen Fronten zu vermitteln und aufzuklären – nicht nur in Deutschland. VW-Markenchef Herbert Diess wird an diesem Dienstag in Brüssel erwartet. Dort sollen Gespräche mit EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska über den Abgas-Skandal stattfinden. Die EU-Kommission hatte die vollständige Aufklärung des Skandals von den nationalen Behörden verlangt.
Diesen Mittwoch wird sich das oberste VW-Krisenteam bestehend aus Übergangs-Aufsichtsratschef Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Betriebsratschef Bernd Osterloh und Aufsichtsrat Wolfgang Porsche wohl abermals zu einer Sitzung treffen und einen auf internen Ermittlungen basierenden ersten Zwischenbericht vorgelegt bekommen.