Steve Cannon, Geschäftsführer von Mercedes-Benz in den USA, hat einen überraschenden Seitenhieb in Richtung Tesla Motors ausgeteilt und öffentlich Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Kalifornischen Elektroauto-Startups geäußert.
Anlässlich der Premiere eines neuen Mercedes-Modells auf der New York Auto Show sagte Cannon, dass das Model S von Tesla zwar derzeit sehr populär sei, die Elektroauto-Infrastruktur des Herstellers möglicherweise aber bald an ihre Grenzen stoßen könnte.
„Tesla ist großartig, aber es gibt viele etablierte Marken, die für Luxus stehen, wie Porsche oder Mercedes-Benz, und wie lange glauben Sie, lassen wir Tesla da draußen alleine?“, äußerte sich Cannon gegenüber Forbes. „Also, gut gemacht Tesla, aber werden sie in der Lage sein, das aufrecht zu erhalten, wenn wir anderen im Markt aktiv sein werden? Das bleibt abzuwarten.“
Besonders Teslas vergleichbar kleines Netz an Service-Centern wurde von Cannon hervorgehoben – obwohl bei Elektroautos bekanntlich nur sehr selten und in geringem Umfang Wartungsarbeiten anfallen. Auch würde Tesla nicht das „komplette Luxuserlebnis“ liefern, das Mercedes-Benz seinen Kunden bei Kauf und Service biete.
Cannons Argumentation überrascht aus zwei Gründen: Zum einen hat Mercedes sich noch nicht eindeutig zur Elektromobilität als Antrieb der Zukunft bekannt. So kommt mit der B-Klasse Electric Drive erst später dieses Jahr der erste rein elektrische Pkw in Großserienfertigung des Unternehmens auf den deutschen Markt. Denn Mercedes setzt aktuell hauptsächlich auf Hybridfahrzeuge und forscht zudem weiter am Wasserstoffauto. Warten die Schwaben zu lange mit der Markteinführung weiterer batterieelektrischer Fahrzeuge, könnte Tesla bei Technik, Beliebtheit und auch Infrastruktur möglicherweise bereits weit vorne liegen.
Zum anderen hält der Mutterkonzern von Mercedes-Benz, die Daimler AG, nach wie vor einen Anteil von 4,3 Prozent an Tesla Motors. Darauf aufbauend kooperieren die beiden Unternehmen im Bereich Elektroauto-Technik intensiv: Der Elektroantrieb der kommenden B-Klasse Electric Drive besteht zu großen Teilen aus Tesla-Komponenten. Es erscheint also etwas seltsam, dass das US-Management von Mercedes jetzt öffentlich ein Unternehmen abschreibt, mit dem es derart eng verbunden ist.
Sollte Mercedes-Benz sich kurzfristig doch noch dem Bau rein elektrischer Premiumautomobile verschreiben, könnte der traditionsreiche Hersteller die Verkaufszahlen von Tesla wohl aber schnell übertreffen. Denn die Kalifornier stellen realistisch betrachtet aktuell noch keine wirkliche Konkurrenz für Gigant Mercedes dar, vielmehr liefert das Tesla-Team um Geschäftsführer Elon Musk Mercedes wertvolle Einblicke in die Massenfertigung hochwertiger Elektroautos. Noch aber kommt aus Stuttgart kein eindeutiges Bekenntnis zum Elektroauto, Steve Cannons Äußerung wirkt daher reichlich unüberlegt und unausgereift.
Vorerst bleibt es also dabei: Wer ein schnelles, sicheres und hochwertiges Elektroauto fahren möchte, geht nicht zu Mercedes, sondern zu Tesla.
Reinhard meint
„Es erscheint also etwas seltsam, dass das US-Management von Mercedes jetzt öffentlich ein Unternehmen abschreibt, mit dem es derart eng verbunden ist.“
Finde ich ehrlich gesagt nicht sonderlich verwunderlich. Die beiden Unternehmen sind nicht sonderlich eng miteinander verbunden. Daimler hält nur 4,x % der Tesla Aktien und auch die Kooperation beim Antriebsstrang und anderen kleinen Bauteilen sind eher zu vernachlässigen. Zumindest sind diese nicht so umfassend dass der Gewinn daraus den Verlust im Fahrzeugsegment der Oberklasselimousinen kompensieren könnte. Dieser wird mit steigender Produktion bei Tesla immer größer bzw. kann in nicht allzu ferner Zukunft unangenehm werden. Mahatma Gandhi hat mal folgendes gesagt, was meiner Meinung nach sehr gut auf die Situation von Tesla im Zusammenspiel mit den etablierten Premiumherstellern zutrifft:
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Aktuell befinden wir uns in der Phase des Bekämpfens :-)
ecomento.de meint
Schönes Zitat! Wäre toll, wenn das wirklich so stattfinden würde.
Zu Daimler: Unseres Wissens nach liefert Tesla viel und wichtiges Elektroauto-Know-how nach Deutschland, der aktuelle Anteil an Tesla von nur knapp 4 Prozent ist aber natürlich nicht wirklich groß. Davor waren es allerdings auch einmal 10 Prozent – allerdings abgestoßen vor der Explosion des Tesla-Aktienkurses…
VG
ecomento.de
Dr.M. meint
Man könnte ja sagen, dass es sich hier um das Pfeifen im Walde handelt oder um den berühmten getretenen Hund, der jetzt bellt.
Aber in einem Punkt hat der gute Mann sicher recht (wenn auch weniger in der Oberklasse einer S-Klasse):
Wenn Mercedes dagegen in der Mittelklasse des Model E mal wirklich loslegt, dann kann es ganz schön eng werden für Tesla.
Und so ganz von der Hand zu weisen ist das nicht:
Immerhin kommt die B-Klasse (wenn auch mit Tesla-Technik und nur 200 km Reichweite) im Herbst in Europa auf den Markt und in China wird von Mercedes zusammen mit einem chinesischen Partner gerade ein Fahrzeug vorgestellt, welches angeblich 300 km Reichweite hat.
Da das Model S (leider!) für die Allermeisten einfach zu teuer ist und das Model E noch bis mindestens 2017 auf sich warten lassen wird, könnte es für Tesla mit dem Massenmarkt eng werden. Und mit der bisher bekannten 48kwh Batterie und 35.000 Dollar Preis (in den USA, was in Europa sicher locker 40.000 Euro werden) und einer Reichweite von angeblich knapp über 300 KM sind die Anderen auch nicht weit weg.
Auch wenn SUVs in den USA sehr beliebt sind (und es auch in Europa immer mehr werden) so habe ich es schon bei der Vorstellung des Model X für einen Fehler von Tesla gehalten, sich hauptsächlich auf ein weiteres Fahrzeug im oberen Preissegment zu konzentrieren. Schön, die Plattform war identisch mit dem Model S – aber der Marktstart des Model X wurde ja bekanntlich um ein Jahr verschoben, so einfach scheint es also trotz der vorhandenen Basis nicht gewesen zu sein mit der Entwicklung des Model X. Mit etwas Pech wird es deutlich später als 2017 mit dem Marktstart des Model E. Auch stimmt die immer wieder verkündete Strategie von Tesla im diesem Punkt nicht mehr so ganz: Erst ein sehr teures Model („low volume, high cost“ – der Roadster),, dann ein Oberklasse-Fahrzeug (Model S) und dann eben die Mittelklasse (high volume. low cost“) mit dem Model E. Wo passt da das Model X hinein?
Und schon damals war der i3 und auch kurz danach die elektrische B-Klasse absehbar. Bei beiden Autos ist die Reichweite das sicher grösste Manko (ja, gut, über Design kann man streiten, aber die Eckdaten Preis und Qualität stimmen). Nun gibt es auch noch den e-Golf mit 190 km Reichweite.
Wenn das nun in China vorgestellte Auto wirklich 300 km weit kommt und diese Technik von Mercedes auch in Europa angeboten werden sollte, dann könnte das Model E schlicht zu spät kommen, um noch ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Denn Begeisterung für die Marke Tesla und das schicke Design hin oder her, ein Model S zum Preis des Model E wird (und kann es schon rein wirtschaftlich) nicht geben. Da wird man sich ganz sicher auf Abstriche einstellen müssen.
Auch geht die Akkuentwicklung schnell weiter und diese Akkus können von Mercedes, BMW & Co. einfach in die bestehenden Fahrzeuge eingebaut werden – Tesla entwickelt währenddessen vermutlich noch das Fahrzeug. Da dürften auch die Patente Tesla nicht weiterhelfen, denn i3 und e-Golf sind ohne Tesla Technik auf dem Markt.
Nicht, dass ich missverstanden werde: Ich finde es genial, dass es Tesla gibt und wenn das Kleingeld reichen würde, dann stünde bei mir schon längst ein Model S vor der Tür. Aber kritische Anmerkungen zur Strategie dürften erlaubt sein, oder?
Tesla Fan meint
Tesla muss zu allererst sehen, wie kurzfristig (viel) Geld in die Kasse kommt, um die immensen Investitionen in Entwicklung, Ladestationen und Servicenetz gegenfinanziert zu bekommen.
Die Entwicklung eines SUV auf der vorhandenen Model S Bodengruppe kostet einen Bruchteil dessen, was die Model E Entwicklung insgesamt kosten wird.
Und – man kann einen SUV eben deutlich teurer verkaufen als eine kleine Limousine.
Die Verzögerungen schreibe ich eher einem zu ambitionierten Terminplan zu.
Erprobungen verlaufen nicht immer wie gewünscht, man muss nachbessern, Software wird nicht rechtzeitig fertig und, und, und
– kennt doch jeder ;)
GoSilla meint
naja grundsätzlich (obwohl ich ein Riesenfan von Tesla bin) stimme ich dieser Aussage zu, dass Mercedes im Handumdrehen Marktführer sein könnte im Elektrofahrzeugmarkt. Aber leider bleibt das nur eine illusion, denn im Vorstand sitzen Öl-Scheichs (die sicherlich alles dagegen unternehmen werden, dass maximal 3 Fahrzeuge im Protfolio sind die rein elektrisch funktionieren) und die bescheuerten Aktionäre, die zumeist konservative, verkrustete, geldgeile idoten sind.
Somit glaub ich kaum das in den nächsten 10 Jahren bei Mercedes ein Einlenken statt finden wird, im Gegenteil sie werden einer der ersten großen Automobilunternehmen sein die krampfhaft versuchen werden dem Elektromarkt hinterher zu hecheln (bsp. Nokia anno 2007, als apple das iPhone präsentierte ;) obwohl sie schon seit Jahrzehnten die Technik dazu gehabt hätten…
ecomento.de meint
Was genau die deutschen Hersteller derzeit in Richtung Elektroauto denken bzw. planen, ist ziemlich nebelhaft. Einerseits wird betont, dass das Ganze nicht wirklich ausgereift ist bzw. das Interesse der Käufer fehlt, andererseits scheint Teslas Erfolg den etablierten Herstellern immer mehr auf die Nerven zu gehen.
Die Verbrenner-Verkäufe werden vorerst zwar nicht einbrechen, Technologieführerschaft bzw. ein innovatives Image wird es aber einfach nicht mehr ohne stimmige Elektroautos im Angebot geben.
VG
ecomento.de
Paul meint
Da macht sich aber jemand in die Hose… ;)
Mal sehen, ich würde mein Geld auf tesla setzten.
ecomento.de meint
Fürs Image sind solche Sticheleien auf Dauer sicher nicht gut für die Marke Mercedes. Gönnen oder selber machen wäre die bessere Reaktion eines so traditionsreichen Unternehmens.
VG
ecomento.de