Ein attraktives Elektroauto zu einem erschwinglichem Preis, das Sicherheit und Komfort bietet und eine vernünftige Reichweite besitzt: dies war das Ziel des Visio.M-Projekts. Die beteiligten Forscher der Technischen Universität München (TUM), die das Fahrzeug zusammen mit Spezialisten aus der Industrie aufgebaut haben, stellen es nun auf der eCarTec in München der Öffentlichkeit vor.
Das Ergebnis des Vorhabens, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über zweieinhalb Jahre mit insgesamt 7,1 Millionen Euro gefördert wurde, ist ein Kleinstfahrzeug, das bezüglich Effizienz und Sicherheit neue Maßstäbe setzt.
Flottes Leichtgewicht
Der Visio.M hat eine Reichweite von knapp 160 Kilometern und bietet Platz für zwei Personen mit Gepäck. Mit nur 15 Kilowatt Motorleistung erreicht das Fahrzeug eine maximale Geschwindigkeit von 120 km/h. Sein Design ist sportlich und selbstbewusst. Die Ausstattung erfüllt alle wesentlichen Anforderungen an ein modernes Fahrzeug, mit vernetztem Infotainment und Navigationshilfen bis hin zu Lenkrad- und Sitzheizung.
Der Elektromotor im Visio.M bezieht seine Energie aus einem Lithium-Ionen-Akku hinter den Sitzen, der aus Consumer-Zellen besteht und eine Kapazität von 13,5 kWh bereitstellt. Der Akku wiegt annähernd 85 kg und lässt sich in nur drei bis vier Stunden an einem 230 V-Anschluss aufladen. In seinen Gesamtkosten aus Anschaffung und Betrieb soll das Fahrzeug günstiger sein als ein vergleichbarer Benziner.
Entscheidend für die hohe Energieeffizienz des Visio.M ist sein geringes Gewicht. Die Fahrgastzelle besteht aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, in Vorder-, Hinterwagen und Dachrahmen kommt Aluminium zum Einsatz. Alle Scheiben bestehen aus Polycarbonat. Dieses Material ist nur halb so schwer wie Glas, dank einer speziellen Beschichtung aber ebenso kratz- und witterungsbeständig. Auch bei Fahrwerk, Lenkung und Getriebe sparten die Forscher mit speziellen Leichtbaukonstruktionen Gewicht ein. Ohne Batterie wiegt der Visio.M damit nur 450 Kilogramm.
„Für ein Elektrofahrzeug ist geringes Gewicht essenziell“, sagt Prof. Markus Lienkamp, Inhaber des TUM-Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik, „denn mehr Gewicht erfordert mehr Akkuleistung für die gleiche Reichweite und verursacht damit höhere Kosten. Mehr Gewicht heißt auch weniger Dynamik bei gleicher Leistung. Wir wollten aber ein Auto, das bezahlbar ist und Spaß macht beim Fahren.“
Sicherheit steht im Vordergrund
Ein alltagstauglicher Pkw für den Massenmarkt muss einen wirksamen Schutz für die Insassen gewährleisten. Vor allem beim Zusammenstoß mit schwereren Fahrzeugen muss auch ein Kleinstfahrzeug trotz seiner geringen Außenabmessungen einen sicheren Überlebensraum bieten. Beim Visio.M soll die Fahrgastzelle aus einem mehrteiligen Monocoque aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff in Kombination mit ultraleichten Sandwichmaterialien für eine besonders hohe Steifigkeit sorgen.
Zusätzlich haben die Ingenieure ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die vorausschauende Analyse des Verkehrsgeschehens einbezieht. Durch eine 360°-Erfassung der unmittelbaren Fahrzeugumgebung mittels Radar- und Kamerasensoren soll es möglich sein, frühzeitig kritische Fahrsituationen zu erkennen. Diese Informationen werden nicht nur für Fahrerassistenz und Warnung genutzt. Erkennt das Fahrzeug eine nicht mehr vermeidbare Kollision, aktiviert es eingebaute Insassenschutzsysteme schon vor dem eigentlichen Crash.
Neuartige Struktur-Airbags sind im Stoßfänger und in den Türen montiert: Sekundenbruchteile vor dem Aufprall füllt ein Gasgenerator Druckschläuche, die als zusätzliche Absorptionselemente dienen.
Adaptive Gurtstraffer- und Kraftbegrenzer-Systeme reduzieren die auf die Insassen wirkenden Kräfte. Ein mit dem normalen Sicherheitsgurt kombinierter 2-Punkt-Gurt verbindet die Insassen optimal mit dem Sitz. Erkennt das System einen unvermeidlichen Seitenaufprall, wird der Insasse auf der Unfallseite vor dem Anprall mit Hilfe seines Sitzes nach innen verschoben und so aus der unmittelbaren Gefahrenzone gebracht. Die Vorbeschleunigung des Insassen mindert den auf ihn wirkenden Crash-Impuls und erhöht die Wirksamkeit des Seitenairbags. Einen möglichen Zusammenprall zwischen Fahrer und Beifahrer fängt ein zwischen den Sitzen eingebauter Interaktions-Airbag ab.
Ergonomisch gestaltet
Im Gegensatz zu konventionellen Autos, bei denen die Ferse des Fahrers als Fixpunkt für die Verstellfunktionen festgelegt ist, wurde für Visio.M das Auge des Fahrers gewählt. Die Positionierung der Sicherheitssysteme und die Sicht auf das Verkehrsgeschehen konnten die Forscher so optimal anpassen. Der Fahrzeugsitz muss nur noch in der Höhe variabel sein, dafür sind die Pedale verstellbar.
Bedienelemente wie Radio, Klimaanlage oder Navigationsgerät erreicht man über ein zentrales Touch-Display, das ebenfalls verstellbar ist. Die Mensch-Maschine-Interaktion basiert dabei ausschließlich auf Wischgesten, die auf dem gesamten Display ausgeführt werden können. Der Fahrer muss also keine Schaltflächen treffen, und zur visuellen Orientierung genügen sehr kurze Seitenblicke.
Basis des Systems ist eine offene Software-Architektur, die jederzeit um zusätzliche Elemente erweitert werden kann. Dies ermöglicht, über Cloud-Anwendungen die heimische Musiksammlung einzubeziehen oder rechenintensive Applikationen wie eine um aktuelle Wetter- und Verkehrsdaten bereicherte energieeffiziente Routenplanung auf einem zentralen Server ausführen zu lassen. Alle erdenklichen Premium-Services sind so realisierbar. In Zukunft könnte dem Kunden beispielsweise ein Leihfahrzeug ferngesteuert vor die Tür gefahren werden. Experimentell wurde das im Projekt bereits realisiert.
emovefreak meint
Hier soll doch wieder demonstriert werden dass Emobilität nur für Kleinwagen mit geringer Reichweite taugt. Wenn ich sehe was Tesla mit dem Model III vor hat, dann sieht dieses Fahrzeug auch bei dem angestrebten Preis ganz schön alt aus. Ist das alles was deutsche Ingenieure auf die Reihe kriegen? Mir wird schwindlig wenn ich an die Zukunft der Autonation Deutschland denke.
Markus Bauer meint
Ist es denn so schwer oder überhaupt gewollt, einen Kombi, für Familien, mit einer Reichweite um die 300 bis 400 km zu bauen? Wäre für den Wochenendausflug und das Pendeln zur Arbeit für die meisten absolut ausreichend. Ich denke, da wäre auch ein Markt da, um dann durch die Nachfrage automatisch in ein „erträgliches “ Preisniveau zu rutschen.
ecomento.de meint
Das Tesla Model S besetzt diese Nische ja bereits – zumindest teilweise, ein echter Kombi würde natürlich noch einmal mehr Platz bieten.
Ansonsten gibt es für größere Familien bisher leider nur Transporter wie den Kangoo ZE oder den Nissan e-NV200. Bei der Reichweite kommen diese aber nicht über 200 km…
VG
TL | ecomento.de
Markus Bauer meint
Das ist das Problem. Als Otto-Normalbürger mit Kind, wäre ein Kombi in der Größe Audi A3, 3er BMW oder auch ein Van wie Opel Zafira interessant. Aber was soll ich mit einem i3? Wo bringe ich da den Kinderwagen unter und die Wochenendeinkäufe? Mit Kleinkind ist mir das Geld für den Tesla einfach zu schade und auch die Lademöglichkeiten (hier Gepäck, nicht Strom (-; ) nicht wirklich ausreichend.
ecomento.de meint
Das erfüllen derzeit am ehesten noch Mercedes B-Klasse Electric Drive (kommt in Kürze) und oben genannter Nissan in der Minivan-Ausführung „Evalia“ (https://ecomento.de/modelle/nissan-e-nv200-minivan-evalia/).
VG
TL | ecomento.de
Dr. M. meint
Bei 160 km Reichweite hört sich das ja verdächtig nach einem adaptierten i3 an, im Winter reden wir dann über noch 80 oder noch weniger km Reichweite.
Die Sache unterliegt meines Erachtens einem ähnlichen Denkfehler wie beim i3:
Es soll mal wieder ein Stadtauto sein, nur sollte es ja so sein, dass in der Stadt eher der öffentliche Nahverkehr genutzt wird und man ein Auto eben dann braucht, wenn man mal aufs Land will. Denn Elektroautos werden in den Städten sicher nicht die Lösung für Verkehrsstaus in der Stadt sein, den an den Park(platz)problemen ändern die auch nichts.
Und nur für einen Ausflug aufs Land, da sind (optimale!) 160 km Reichweite schlicht zu wenig. Das sehen offensichtlich auch die Kunden so, deswegen hat ja Tesla die 40 kwh Version des Model S mangels Bestellungen wieder vom Markt genommen. Es mag ja alles sein, dass statistisch bestrachtet kaum jemand mehr als 160 km am Tag fährt – aber anscheinend stimmt die Statistik nicht mit den Kundenwünschen überein.
Und zum Einkaufen in der Stadt, schön, da dürfte der Stauraum der Studie wohl etwas klein sein, wenn man nicht jeden Tag wieder losfahren will. Und ich kenne genug Leute, die im Stadtzentrum wohnen und ihr Auto nie für den Weg zur Arbeit nutzen sondern nur am Wochenende für Ausflüge – dann aber richtig.
Und wenn schon kleinere Autos: Das macht Renault mit dem ZOE oder Nissan mit dem Leaf – wozu da jetzt das Rad noch einmal neu mit freundlicher Unterstützung des Steuerzahlers erfunden werden muss, ist mir wirklich nicht klar.
Die genannte Sicherheitsausstattung dürfte ja wohl heute selbstverständlich sein, wir reden schliesslich nicht über einen Renault Twizzy, übrigens ganz sicher auch nicht beim Preis, bei den genannten Materialien und der Ausstattung dürfte das wohl im Bereich eines i3 liegen, der dann mit den ganzen Sicherheits-Features auch wieder auf mindestens 40.000 Euro kommt. Carbon und alles andere Genannte ist sehr teuer, Aluminium auch teuer, weswegen wird Teslas Model 3 wohl aus Stahl gebaut werden?
Die Sache mit der Umgebungsüberwachung, das macht Tesla jetzt auch, und bis die Studie dann mal in Serie (die Teile müssen noch angepasst werden, hmmm, wieso kann man das nicht gleich entsprechend entwerfen?!?) geht, da dürfte es 2017 sein und Tesla mit seiner Gigafactory in die Gänge kommen und das Model 3 auf den Markt bringen. Wer zu spät kommt….
Also: Grundidee zwar nicht schlecht, ähnlich wie beim i3, aber die Sache wurde nicht wirklich alltagstauglich umgesetzt.
Ja, ich stimme da zu, wir brauchen Autos für die Strasse und nicht für Ausstellungen.
Für mich bleibts es dabei: Auch wenn Tesla wirklich teuer ist, das Gesamtpaket des Model S mit kostenlosen Superchargern ist schon attraktiv, für einen i3 mit guter Ausstattung kann man locker 60.000 Euro ausgeben, dann ist ein Model S gar nicht mehr so weit weg.
Starkstrompilot meint
an sich prima Sache, aber wie wär’s denn mal mit einem nützlichen Fahrzeug. Lade- und Transportvolumen scheint es ja nicht wirklich zu geben. Warum kein 5-Sitzer, warum kein Kombi? Nur wegen cw-Wert? Die Elektromobilität braucht Fahrzeuge für den Alltag, nicht für Ausstellungen. Man muss damit einkaufen können, es muss an jede Steckdose passen. Dass kleine Autos gehen, wissen wir mittlerweile, dafür muss man keine Steuergelder mehr verschleudern. Große kann bisher nur Tesla.
Außerdem würde mich mal interessieren, wieso die Masse so entscheidend ist. Die Masse steckt zwar linear in der kinetischen Energie, aber auch in der Bremsenergie und kann somit, bei gutem Wirkungsgrad, zu 80-90% zurückgewonnen werden. Verlustwiderstände sind nur der Luftwiderstand, der nur von der Geometrie, aber nicht von der Masse abhängt und Rollwiderstände. Hier drückt die Masse auf die Reifen, kann aber durch hohen Reifendruck minimiert werden. Dass natürlich der Gesamtenergieumsatz bei hoher Fahrzeugmasse entsprechend größer ist und jede Energieumwandlung verlustbehaftet ist, ist klar. Außerdem müssen die Komponenten darauf ausgelegt sein. Aber eigentlich hat gerade die Batterie gestützte Elektromobilität durch die Rekuperation den Vorteil, dass der Einfluss der Fahrzeugmasse auf den Energieverbrauch in den Hintergrund tritt. Bei Verbrennerantrieben ist alles verloren und jegliche frei gesetzte Energie endet in der Reibung.
Isses nicht so?
Euer Starkstrompilot
Wer war denn der Fahrzeughersteller? BMW? Die machen mit ihrem Karbonzeugs den gleichen Denkfehler.
k0sh meint
naja, was spricht dagegen leichtere Autos zubauen? leichtbauchassis ist bestimmt kein Denkfehler, sondern trägt dazu bei das Gesamtpaket zu erweitern.
Wenn es von BMW entwickelt wurde, müsste es ohnehin beim Bremsen Energie zurück gewinnen… aber Rekuperation reicht nicht um das gesamte Fahrzeug noch x-hundert kilometer weiter zu bringen… das ware ja gar nicht möglich… es reicht vielleicht für die elektronischen Systeme…
Diese Fahrzeuge sind zukunftsweisend, was jetzt noch fehlt ist eine anständige Batterie! Aber auch das wird mit der Zeit kommen… dafür haben wir ja unsere hochgeschätzten Studien…
ein tesla kostet übrigens keine 20’000 euro… also kann man es bestimmt nicht mit dem obigen FZ vergleichen
raleG meint
„naja, was spricht dagegen leichtere Autos zubauen? “
Die Carbonkarosserie macht das Auto teurer als der größere Akku bei größerem Gewicht und gleicher Reichweite. Hinzu kommt, es sind keine großen Stückzahlen ohne riesige Investionen in Fertigungsanlagen möglich! Es ist ein Denkfehler – kommt aber aus der Verbrennerdenke, weil man hier, wie schon von Starkstrompilot erklärt, die komplette Energie der beschleunigten Masse in den Bremsscheiben verheizt. Will man den Verbrauch und CO2-Ausstoß senken, spielt das Gewicht beim Verbrenner eine viel größere Rolle. Ausser auf der Rennstrecke braucht man kein leichteres Auto – dank Rekuperation.
Werden die Akkus in Zukunft günstiger, hat man den Klotz der Carbonkarosse am Bein – keine gute Idee.
Tesla-Fan meint
Glaubst Du, dass dieser Kleinwagen, so sich jemand finden würde, der ihn baut, mit einer Karbonzelle für 20000€ beim Händler stehen würde? Im Leben nicht!
Jeder Hersteller, der sich etwas mit Karbon auskennt wird dankend ablehnen.
Schade um die Steuergelder.
Alles, was damit „erforscht“ wurde, war bereits vorher bekannt.
Tesla-Fan meint
Nachtrag –
Ich habe mir das Fahrzeug am Dienstag auf der ecartec angesehen, ich weiss also, wovon ich rede – das Teil ist MEILENWEIT von einer Serienentwicklung weg.