Die Brennstoffzelle gilt als Zukunftstechnologie für Autos, aber auch für Hausheizungen. Doch sind Brennstoffzellen umweltfreundlicher als andere Energieträger? Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Führung des Forschungsinstituts Empa hat es durchgerechnet und kommt zum Schluss: Es kommt auf den Treibstoff an.
In der Zukunft könnten wir mit Brennstoffzellenautos fahren, die solar erzeugten Wasserstoff verbrennen. Das Null-Emissionsauto wäre damit Wirklichkeit. Zugleich könnten in den Kellern unserer Häuser kleine Blockheizkraftwerke stehen – ebenfalls basierend auf Brennstoffzellentechnik. Sie verwandeln Erdgas und Biogas in Elektrizität und erzeugen nebenbei Wärme zum Heizen des Gebäudes.
Nur: Ist das, was technisch möglich ist, auch sinnvoll für die Umwelt? Der Empa-Forscher Dominic Notter hat mit Kolleginnen und Kollegen aus Griechenland und Brasilien die Umweltbilanzen für den Einsatz von Brennstoffzellen durchgerechnet: von der Herstellung über die gesamte Lebensdauer und den Betrieb bis hin zum abschliessenden Recyceln einer solchen Brennstoffzelle.
Entscheidend ist, wie der Strom erzeugt wird
Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß eindeutig aus: Brennstoffzellen für Autos sind nur dann ökologisch sinnvoll, wenn sie mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen betrieben werden können. Es hat keinen Sinn, Strom aus dem europäischen Netz zu zapfen, daraus per Wasser-Elektrolyse Wasserstoff herzustellen und damit Autos zu betanken. Der CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom wäre bei dieser Methode viel zu hoch.
Derzeit wird industrieller Wasserstoff überwiegend direkt aus Erdgas gewonnen. Doch auch mit dieser Art Treibstoff bringt die Brennstoffzelle praktisch keinen Umweltvorteil. Ein Auto mit Verbrennungsmotor hat derzeit die Nase vorn: Die Herstellung konventioneller Autos ist nämlich weniger umweltbelastend.
Auch im Öko-Vergleich zu Elektroautos hat die Brennstoffzelle derzeit noch keine Chance: Zunächst muss aus Strom Wasserstoff erzeugt werden. Dieser wird ins Auto getankt, im Auto wird aus Wasserstoff wieder Strom erzeugt. Diese doppelte Umwandlung senkt die Effizienz deutlich. Wer mit dem gleichen Strom direkt die Batterie seines Elektroautos lädt, fährt sparsamer und somit auch umweltfreundlicher.
In Zukunft könnte das jedoch anders aussehen, sagt Notter. Sobald eine Gesellschaft ihren Strom überwiegend aus Sonne, Wind und Wasser produziert, wird ein Brennstoffzellenauto konkurrenzfähig – denn es verschlingt bei der Herstellung weniger Ressourcen als ein batteriebetriebenes Elektroauto, hat eine wesentlich grössere Reichweite und kann schneller betankt werden.
Elektroautos mit EU-Strom sind nicht umweltfreundlicher als Benziner
Für ihre Berechnungen nutzten Notter und seine Forscherkollegen das Instrument der Ökobilanz. Damit lässt sich der Umwelteinfluss von Gütern und Dienstleistungen berechnen und vergleichen. Die Bauteile der Brennstoffzellen berechneten die Forscher dabei von Grund auf selber: Fürs Blockheizkraftwerk hat die Brennstoffzelle eine Leistung von 1 kW (Kilowatt) und wird mit einem Stirling-Motor verglichen, der die gleiche Menge Strom erzeugt. Das Brennstoffzellenauto in der Studie hat 55 kW Leistung und wird mit einem 55 kW starken Elektroauto und einem 55 kW-Benzin-Kleinwagen verglichen.
Ergebnis: Zieht man den aktuellen EU-Strom-Mix als Vergleich heran, dann hat der Benzin-Kleinwagen mit einem angenommenen Verbrauch von 6,1 l /100 km nach 150.000 km Fahrleistung die Nase vorn. Das mit EU-Strom geladene Elektroauto erzeugt eine leicht höhere Umweltbelastung – vergleichbar mit 6,4 l / 100 km Benzinverbrauch. Ein Brennstoffzellen-Kleinwagen, dessen Wasserstoff mit EU-Strom erzeugt wird, wäre heute bei weitem die schlechteste Option. Das Auto würde den gleichen Umwelteffekt erzeugen wie ein Luxus-Sportwagen mit einem Benzinverbrauch von 12,1 l /100 km.
Blockheizkraftwerke: Weltmeister der Energieeffizienz
Beim Vergleich der Blockheizkraftwerke liess das Wissenschaftlerteam eine Brennstoffzelle basierend auf neusten Carbon-Nanoröhrchen gegen einen Stirling-Motor antreten. Diese abgasfreie Maschine verwandelt Hitze in Bewegung und wurde 1816 vom schottischen Priester Robert Stirling erfunden und patentiert. Beide Arten des Blockheizkraftwerks lassen sich mit Erdgas betreiben.
Das Ergebnis dieser Rechnung: ein leichter Vorteil für die Brennstoffzelle, weil sie einen höheren Anteil des Erdgases in wertvolle Elektrizität verwandelt. Wer mit ihr Wärme und Strom zugleich erzeugt, nutzt 90 Prozent der im Erdgas enthaltenen Energie – ein Spitzenwert. Blockheizkraftwerke, egal welcher Bauart, sind also Meisterwerke der Energieeffizienz.
Nachteil: Eine Brennstoffzelle enthält seltene Metalle wie Platin, die immer teurer werden und in Zukunft schwer zu beschaffen sein könnten. Der Stirling-Motor lässt sich dagegen einfach aus Stahl konstruieren.
Doch die Brennstoffzelle könnte eine wichtige Zukunftstechnologie sein – dann nämlich, wenn in Zukunft überschüssiger Strom aus Windkraft und Solarenergie in Form von Wasserstoff zwischengespeichert wird und damit für Hausheizungen oder Mobilität zugänglich wird. Aktuell werden Windkraftanlagen schlicht abgeschaltet, wenn zu viel Strom auf dem Markt ist. Die Öko-Energie geht damit ungenutzt verloren.
Paul meint
Geben wir doch beiden Systemen die Chance und die Zeit sich auf dem Markt zu bewähren. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Es wird sich dann zeigen welches von beiden sich im Verkehrsalltag als effizienter zeigt und wird dann auch durch die Massenfertigung für Jedermann erschwinglich werden. Durch die fortschreitende Dezentralisierung der Stromerzeugung wird es in Zukunft möglich werden seine eigene Energie durch Sonne und Wind zu erzeugen, abzuspeichern und für Haus, Hof und Auto gemeinsam zu nutzen. Die öffentlich Tankstellen werden dann nur noch als Reserve benötigt ebenso die Stromnetze.
Tom meint
Gibt es einen Link zu der Studie?
Mercedes kommt in seiner Vergleichsstudie zum Produktlebenszyklus seiner B-Klasse Electric Drive im Vergleich zur Verbrenner-B-Klasse zu ganz anderen Ergebnissen, und man darf wohl Mercedes-Benz des Elektromobilitäts-Hurra-Patriotismusses eher unverdächtig halten:
http://media.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/2582746_final_UZ_B_Kl_ED_dt_15_12.pdf
Fazit auf Seite 17:
„Im Vergleich zu einem B 180 mit Benzinmotor und Doppel-kupplungsgetriebe ergeben sich folgende Einsparungen:
– Reduzierung der CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus um 64 Prozent (19 Tonnen) bei Strom-gewinnung aus Wasserkraft.
– Reduzierung der CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus um 24 Prozent (7,2 Tonnen) bei Strom-gewinnung im EU-Mix.
– Höhere CO2-Emissionen bei der Herstellung werden damit deutlich überkompensiert.
Der Erdölverbrauch wird sehr deutlich um 87 % (EU Strom-Mix) bzw. 90 % (Strom aus Wasserkraft) reduziert.
– Insgesamt wird der fossile Ressourcenverbrauch (ADP fossil) gegenüber dem Benziner deutlich um 32 % (EU Strom-Mix) bzw. 66 % (Strom aus Wasserkraft) reduziert“
Redaktion meint
Die Pressemeldung enthält folgenden Literaturhinweis (ist aber wohl nur kostenpflichtig zu beziehen):
http://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2015/ee/c5ee01082a#divAbstract
VG
TL | ecomento.de
i_Peter meint
@Tom, Dein Hinweis mit der B-Klasse trifft voll ins Schwarze ! Ähnliche Berechnungen kenne ich für VW eGolf und BMW i3, die beide im EU-Strom-Mix schon deutliche Emissionsverringerungen gegenüber vergleichbaren Verbrennermodellen darstellen.
Hier Angaben zu typischen CO2-Emissionen über den gesamten Produktions- und Lebenszyklus,
1. EU Strommix, 2. Ökostrom:
VW eGolf vs. Golf 1.2 TSI
-26%, -61%
vs.Golf 1,6 TDI
-12%, -54%
(Seite 22) http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/publications/2014/02/hintergrundbericht-umweltpraedikat-e-golf-2014.bin.html/binarystorageitem/file/e_Golf_UmwPraed_HB_DEU_2908.pdf
BMW i3:
Im Vergleich zu einem sparsamen Diesel-Model
(vermutlich 320 tdi efficient dynamics, 4,2l/100km)
-30%, -50%
https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/pressDetail.html;jsessionid=3ydyVZbRTz3vb6RJ2BS0TsGMH4nvmrykd7YwycmSQKM4lkvDRpGL!-432307874?title=nachweislich-nachhaltig-iso-zertifikat-für-die-Ökobilanz-des-bmw-i3-tÜv-sÜd-bestätigt-dem-bmw-i3-ein&outputChannelId=7&id=T0155165DE&left_menu_item=node__8601
Mercedes B-Klasse ED:
im Vergleich zu B-180 (Benziner)
-24%, -64%
http://www.emobilitaetonline.de/news/produkte-und-dienstleistungen/1038-oekobilanz-der-mercedes-b-klasse-electric-drive-ausgezeichnet
Die Ergebnisse der Studie bezweifele ich deshalb komplett, soweit sie einen Kleinwagen mit Verbrennungsmotor bei den Emissionen als sauberer ansieht als E- und F-Cell-Autos. Leider werden solche Studien von Ecomento.tv immer wieder einfach ohne eigene Recherche wiedergegeben und somit Unsinn verbreitet.
Redaktion meint
Die Wiedergabe von Studien von etablierten Institutionen und renommierten Universitäten kann man sicherlich nicht als „Unsinn“ bezeichnen. In der Regel sind eher die von Unternehmen veröffentlichten Studien mit Vorsicht zu genießen.
Gerade beim Thema Brennstoffzelle gibt es allerdings unterschiedlichste Meinungen und Studien-Ergebnisse – die Zeit wird zeigen, wer Recht hat…
VG
TL | ecomento.de
i_Peter meint
Nennen Sie mir doch bitte auch nur eine einzige Studie, die behauptet dass F-Cell-Autos effizienter mit Energie umgehen als Batterie-E-Autos.
Christoph F meint
Das behauptet auch keiner, trotzdem bieten sie bei grüner Wasserstoffquelle CO2-neutrale Mobilität und das ohne dass sich das Nutzerverhalten ändern muss. Die Elektromobilität hat eine Achillesverse die physikalische bedingt nicht auszumerzen ist: Aufladen.
Ich würde die Rolle des Wasserstoffs nicht gleich abtun. Ich denke es ist wahrscheinlich dass wir in Zukunft viele Konzepte parallel in ihren jeweiligen vorteilhaften Nischen sehen.
Bariton65 meint
@i_Peter: Mit Verlaub: Bei der EMPA handelt es sich um ein renommiertes Institut, dass jahrzehntelange Erfahrung mit dem normierten (!) Verfahren der Ökobilanzierung besitzt. Es würde mich wundern, wenn es sich bei dieser Studie um „Unsinn“ handeln sollte. Haben Sie die Studie gelesen, dass Sie ein solches Urteil abgeben könnten?
Jeff meint
iPeter glaubt lieber den Studien von Autoherstellern. Dank Milka weiß er auch, dass Schokolade gesünder ist als Obst und Gemüse, und dank Marlboro hat er erfahren, dass das mit dem Gift in Zigaretten gar nicht stimmt…
jep meint
„…denn es verschlingt bei der Herstellung weniger Ressourcen als ein batteriebetriebenes Elektroauto, hat eine wesentlich grössere Reichweite und kann schneller betankt werden.“
Wie viel Ressourcen mehr soll denn ein Elektroauto verbrauchen??
Da sich die Reichweite in den nächsten Jahren deutlich erhöhen wird, wird dies kein Argument mehr sein.
Und beim betanken muss man extra zu einer Tankstelle fahren und kann nicht zu hause laden.
Dann muss der Wasserstoff noch mit einem Brennstoffzellen-LKW zur Tankstelle transportiwert werden. Und das ganze soll dann umweltfreundlich sein? Es würde zwar kein CO2 erzeugt, jedoch mehr Energie verbraucht als eigetnlich nötig wäre.
Denn wenn es genug Speichermöglichkeiten (in Form von Batterien) gibt, dann ist die Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück nicht mehr nötig.
Redaktion meint
Die Fertigung großer Elektroauto-Batterien ist ziemlich ressourcenintensiv, auch die erwartete Leistungsabnahme sowie das später notwendig werdende Recycling der Akkus verschlechtern die Umweltbilanz.
Stammt der Strom aber exklusiv aus „grünen“ Quellen, ist der Vorteil gegenüber dem EU-Strom-Mix und anderen Antriebsarten natürlich deutlich größer.
VG
TL | ecomento.de