Im Februar hat Renault drei leichte Nutzfahrzeuge auf der neuen flexiblen, skalierbaren SDV-Architektur (Software Defined Vehicle) der Elektro-Tochter Ampere vorgestellt. Nun verraten die Franzosen mehr zu dem Konzept, das ab dem nächsten Jahr serienmäßige Transporter auf die Straßen bringen soll.
Die SDV-Architektur wird laut den Franzosen „die konventionelle Fahrzeugentwicklung und -nutzung in dieser Klasse revolutionieren“. Bisher wurden Fahrzeuge um ein Fahrgestell und einen Verbrenner- oder Elektroantrieb herum entwickelt – ergänzt um alle elektronischen Funktionen und Vorrüstungen, die für die verschiedenen Funktionen und Versionen erforderlich waren. Dieser Entwicklungsansatz erforderte eine große Anzahl von elektronischen Steuergeräten – bis zu 80 pro Fahrzeug –, was die Leistung und die Integration neuer Funktionen limitierte.
Der neue SDV-Entwicklungsansatz von Ampere ähnelt dem von leistungsstarken Computern. Er basiert auf einer einzigen Plattform mit zentralisierter Software-Architektur und einem vernetzten, intelligenten Betriebssystem. „Auf diese Weise können Fahrzeugfunktionen schnell und zuverlässig gesteuert, analysiert und erweitert werden“, erklären die Entwickler.
Als Gehirn des Fahrzeugs fungieren Hochleistungsrechner: Sie verarbeiten die Daten, die von den Sensoren an Bord und insbesondere von den Fahrerassistenzsystemen, dem Antriebsstrang, der Fahrwerkssteuerung und den Multimedia- und Konnektivitätsdiensten erfasst werden. Die Computer nutzen das von Ampere entwickelte Betriebssystem „CAR OS“ und können um neue Funktionen erweitert werden, um das Fahrzeug auf dem neuesten Stand zu halten oder seine Lebensdauer zu verlängern. Trafic, Estafette und Goelette sind die ersten Modelle, bei denen Ampere diesen neuen Ansatz verfolgt.
Maßgeschneiderte Funktionen
Gewerbliche Nutzer werden laut Renault in der Lage sein, ihr Fahrzeug zu aktualisieren und in Echtzeit um neue Funktionen zu erweitern, so wie sie es schon jetzt mit ihrem Laptop oder Smartphone tun. Zudem lassen sich personalisierte Angebote zur Verfügung stellen, die auf die tatsächliche Nutzung, die Fahrgewohnheiten und die Anforderungen der einzelnen Nutzer zugeschnitten sind.
Für Fahrzeuge mit spezifischen Funktionen wie Krankenwagen, Feuerwehrfahrzeuge, Polizeifahrzeuge, Kühlfahrzeuge und andere Umbauten lassen sich beispielsweise spezielle Apps bereitstellen, die den Betrieb der einzelnen Komponenten steuern. Eine ähnliche Lösung gibt es bereits beim System OpenR link für den Renault Master, das die Erstellung individueller Apps erlaubt. Hier wird diese Möglichkeit erweitert um die zusätzliche Intelligenz der SDV-Architektur.

Unternehmen, die ihr eigenes Betriebssystem verwenden, um etwa Auslieferungen vorzunehmen, können dies in das bordeigene Multimediasystem integrieren, um in Echtzeit Informationen (Zeit, Route, Kontakte, Bemerkungen usw.) an die Auslieferungsfahrer zu übermitteln. Fuhrparknutzer können sich in ihr Profil einloggen und auf eine personalisierte Schnittstelle mit ihren bevorzugten Fahrzeugeinstellungen und Apps zugreifen.
Höhere Sicherheit
Die vorausschauende Wartung, die bereits bei bestehenden Renault-Fahrzeugen möglich ist, werde durch „die unendlich größere Rechenkapazität und Intelligenz der SDV-Architektur noch präziser“, wirbt der Hersteller. Die Abnutzung bestimmter Teile lässt sich demnach in Echtzeit verfolgen und eine Ferndiagnose einleiten, um Reparaturen zu planen oder, wenn möglich, direkte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Diese Funktion soll vor allem für Flottenmanager nützlich sein, die damit Kosten, Betriebszeit und Fahrzeugverfügbarkeit optimieren können.
Mehr Wert
Die Möglichkeit, Software-definierte Fahrzeuge über die Cloud zu aktualisieren, bringe nicht nur Vorteile in Bezug auf das Fahr- und Nutzererlebnis an Bord, sondern steigere auch den Fahrzeugwert, so Renault. Ein drei oder vier Jahre altes Fahrzeug, das kontinuierlich aktualisiert und um neue Funktionen erweitert werde, verliere weniger an Wert als ein konventionelles Fahrzeug.
„Dieser ‚Anti-Falten‘-Effekt ist bei leichten Nutzfahrzeugen besonders nützlich, denn diese haben eine viel längere Lebensdauer als Pkw und werden intensiver genutzt“, erläutern die Franzosen.
Die neuen elektrischen Renault-Transporter Trafic, Estafette und Goelette wurden in Zusammenarbeit mit Flexis entwickelt. Das unabhängige Unternehmen wurde von der Renault Group, der Volvo Group und CMA-CGM gegründet. Die E-Fahrzeuge rollen in Frankreich vom Band und sollen ab 2026 auf den Markt kommen. Zum E-Antrieb äußert sich der Hersteller noch zurückhaltend und nennt offiziell nur eine WLTP-Reichweite von bis zu 450 Kilometern. Laut Berichten dürfte es verschiedene Batterieoptionen und Leistungsstufen geben.
Mary Schmitt meint
Tja, in Europa ist man auch bei Fahrzeug-IT nicht behäbig, sondern agil. Es fehlt eigentlich nur noch Stellantis. Die geben aber immerhin schon mal Interviews, in denen sie wortreich erklären, wie wichtig ein SDV wäre…