Als eine der größten Hürden für den Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland gilt die Reichweite von Elektroautos. Laut einer Studie von Horváth & Partners liegt die durchschnittliche Reichweite aktueller Stromer bei 210 Kilometer. 2011 habe der Wert noch bei rund 150 Kilometer gelegen. Setzt sich der Trend fort, dürfte die durchschnittliche Reichweite von Elektroautos 2020 bei 400 Kilometer liegen, prognostiziert die Studie. Grund dafür seien die verbesserte Batterietechnik und das Angebot größerer Elektroautos.
Steigen dann die Verkaufszahlen von Elektroautos, die in Deutschland derzeit hinter den Erwartungen der Politik zurückliegen? Ist damit dann das Reichweitenproblem gelöst?
Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) ist da skeptisch. Das Institut hat die Langstreckentauglichkeit von Elektrofahrzeugen herstellerunabhängig betrachtet. Das Fazit der Wissenschaftler: Die Ladeinfrastruktur und mögliche Ladeleistung sei entscheidender, als die in der öffentlichen Wahrnehmung vorrangige Reichweite. Das sei sowohl praktisch als auch numerisch gezeigt worden.
Versuch: Elektroautos auf der Langstrecke
Die Forscher des Fraunhofer LBF haben in einem Selbstversuch mehrere Langstreckenreisen innerhalb Deutschlands und Europas mit einem Elektroauto unternommen. Das Versuchsfahrzeug habe die häufig von potenziellen Käufern geforderte Reichweite von 300 Kilometer überstiegen, geben die Wissenschaftler an. Das Fahrzeug habe durch ein herstellereigenes Schnellladesystem Ladungen mit bis zu 120 kW oder 12 km/Minute erlaubt. (Anm. d. Red.: Klar, dass es sich hierbei um das Tesla Model S handelt). Die Fahrten seien anschließend hinsichtlich des Energieverbrauchs und Ladeverhaltens analysiert worden.
Zusätzlich sei am Fraunhofer LBF ein numerisches Simulationsmodell entwickelt worden, das Energieströme in Elektroautos darstellt. Anhand des Modells lässt sich laut den Wissenschaftlern ermitteln, welchen zeitlichen Nachteil Fahrer von Elektrofahrzeugen auf Fernstrecken gegenüber Fahrern konventioneller Fahrzeuge in Kauf nehmen müssen. Berücksichtigt wurden dabei die Aspekte verfügbare Ladeinfrastruktur, Reichweite und Fahrgewohnheiten.
Leistungsfähigkeit der Ladeinfrastruktur ist entscheidend
Das Ergebnis der Untersuchung: Für zügiges Vorankommen ist weniger die absolute Reichweite des Fahrzeugs als vielmehr die Leistungsfähigkeit der Ladeinfrastruktur entscheidend. Sowohl der Versuch als auch Modellrechnungen hätten dies bestätigt, so die Wissenschaftler.
Die Forscher sind verschiedene Strecken mit unterschiedlichem Reiseverhalten gefahren. Zum einen eine niedrige Reisegeschwindigkeit und wenige, dafür längere Ladestopps (maximale Geschwindigkeit 120 km/h, Ladezustand (State of Charge (SOC)): SOCmax > 90 Prozent, Teilstrecken bis 350 km) zu Gunsten einer hohen Reichweite. Zum anderen eine hohe Reisegeschwindigkeit mit häufigeren, kurzen Ladestopps (maximale Geschwindigkeit 180 km/h, SOCmax < 70 Prozent, Teilstrecken < 200 km).
Generell lässt sich festhalten, dass aufgrund der Lithium-Ionen-Technologie bei allen Ladestandards die Ladeleistung mit dem SOC abnimmt. Daher nimmt das Verhältnis von geladener Reichweite pro Zeiteinheit mit höherem SOC immer ab. Dies habe zur Folge, dass trotz insgesamt höherem Energieverbrauch bei schneller Fahrweise, und dementsprechend größerer Menge an benötigter elektrischer Energie, dieses Reiseverhalten sowohl in Bezug auf die Netto-Ladezeiten als auch in der Gesamtreisedauer einen leichten Zeitvorteil gegenüber der langsameren, auf Reichweite fokussierten Fahrweise ergab.
Ist die flächendeckende Versorgung mit CCS-Ladepunkten sinnvoll?
Daher bezweifeln die Wissenschaftler, ob die flächendeckende Versorgung mit CCS-Ladepunkten, wie derzeit von der Politik angestrebt, zielführend ist, um die Elektromobilität auch auf der Langstrecke zu etablieren.
Mit einer maximalen Anschlussleistung von 50 kW in Abhängigkeit des SOC seien selbst unter idealen Voraussetzungen und gemäßigter Fahrweise, ohne Berücksichtigung der Fahrzeughöchstreichweite, Ladezeiten von 24 min/100 km zu erwarten. Der entsprechende Zeitverlust summiere sich auf Strecken wie München-Berlin, Frankfurt-Hamburg oder Stuttgart- Hannover somit auf bis zu zwei Stunden gegenüber konventionellen Fahrzeugen.
Die Forscher geben zu bedenken, dass von den Probanden mehrere kürzere Ladestopps gegenüber wenigen, dafür deutlich längeren Pausen präferiert wurden. Allgemein habe die Akzeptanz der Ladepausen mit zunehmender Dauer abgenommen. Pausen bis 20 Minuten wurden von keinem der Probanden als störend oder negativ empfunden. Pausenzeiten von mehr als 40 Minuten hätten hingegen durchgängig alle Probanden subjektiv als „zu lang“ bewertet.
Niels meint
Meine Sicht als jemand, der regelmäßig 100 km und oft weiter fährt:
Ein großer Teil der heutigen (2015) Elektroautos hat noch realistische Reichweiten von ca. 120 km, die im Winter auch schnell weniger als 100 km werden können. Das ist nicht durch schnelles Laden auszugleichen. Unterwegs nicht laden zu müssen, ist besser, als schnell zu laden. Hier ist also für die Weiterentwicklung der Elektroautos eine Steigerung der Reichweite wichtiger als die Ladegeschwindigkeit.
Der Tesla S ist mit hoher Reichweite und Akkukapazität der Exot. Um zu testen, ob Reichweitensteigerung oder Ladegeschwindigkeit wichtiger ist, ist er das falsche Elektroauto.
Skarrin meint
Dasselbe Ergebnis hat auch ein Praxistest mit einem Tesla S und einem Renault Zoe ergeben, die beide nur mit 22kW laden durften und in 12h so weit wie möglich fahren sollten.
Knapper Sieger: der Zoe mit lediglich knapp 30% der Tesla-Kapazität!
Könnte der Zoe ebenso wie der Tesla mit 135kW laden wäre das Ergebnis wohl noch deutlicher, da dann der Zoe-Akku schon in <10 Min. zu 80% geladen wäre während der Tesla (bei leerem Akku) dafür mindestens eine halbe Stunde am Lader steht.
Herbert meint
Das würde ich so nicht bestätigen, bzw. es kommt darauf an.
Natürlich, wenn ich einen Tesla in 5 Minuten voll laden könnte, wäre mir die Reichweite auch egal.
Wenn ich aber eine Batterie im Tesla hätte, die es mir erlaubt, echte 1000km weit zu fahren, wäre mir wieder eine Ladezeit von 5 Stunden egal (für eine Volladung).
Ich fahre auch jetzt berufsbedingt ein Auto, mit dem ich über 1000km weit komme mit einer Tankfüllung, und je weniger oft ich Zeit bei Tankstellen verschwenden muß, umso besser.
Aber ich rechne fix damit, daß es eine 1000km Batterie sehr bald geben wird.
Lachenmeier meint
Die Verluste beim Laden (Wärmeentwicklung) steigen quadratisch mit der Ladeleistung und dürfen nicht einfach ignoriert werden, wie es im vorliegenden Artikel geschieht. Beim Tesla werden sie im Bereich von mindestens 5 kW bei 120 kW Ladeleistung liegen. Nicht ohne Grund sind die Ladekabel der Tesla-Schnellladestation gekühlt. Der Betrieb der Kühleinrichtung bedeutet weitere Verluste. Aus Sicherheitsgründen sollte man auch besser die Finger von gekühlten Hochspannungskabeln lassen. Wann werden die Wissenschaftler einmal über Batterie-Wechselsysteme nachdenken?
Juanma meint
Die Verluste von der höhere Ladeleistung am Superchargern interessiert nur Tesla. Man tank ja auch da für umsonst.
Soweit ich weiß, Telsa ist auf Flüssigkeitsgekühlte Kabel umgestiegen um Kupfer und Gewicht zu sparen. Und meistens (>90%) schon vorhandene Supercharger haben keine Flüssigkeitsgekühlte Kabeln.
Aus Sicherheitsgründen sollte man nicht mit hochentzündbares, krebserregendes Flussigkeit spielen (Benzin?)…
Batterie-wechselsysteme pilotprogramme sind nicht von die Kunden akzeptiert worden. Google für Tesla Battery Swap Station). Supercharger sind schnell genug: eine 20min Pause nach 250-300km ist Gesund für Alle.
Dr.M. meint
Da ist Tesla auch schon drauf gekommen, ganz offensichtlich. Und eleganterweise kombiniert Tesla auch noch eine hohe Reichweite mit einer hohen Ladeleistung – und Kostenfreiheit.
Gerade vor diesem Hintergrund ist auch völlig unverständlich, warum Renault bei der Zoe mit dem neuen R240 Motor die 43 kwh Schnellladung dergestalt eingeschränkt hat, dass laut Renault-Vergleichs-Datenblatt eine 80%-Ladung gegenüber dem Q210 Motor nicht mehr 30 min, sondern eine Stunde dauert. Gerade bei Fahrzeugen mit einer eher geringen Reichtweite sollte es doch wohl selbstverständlich sein, dass es gerade hier noch mehr auf die Ladeleistung ankommt. Denn wer schon öfter nachladen muss, der soll dann wenigstens länger warten müssen, oder wie ist diese Logik zu verstehen?
Und auch die Positionierung und Verfügbarkeit der Ladesäulen spielt eine enorme Rolle. Wenn ich von der Autobahn erst einmal kilometerweit in ein Industriegebiet zu einem Vertragshändler fahren muss um dann dort eine einzige (und dann am Besten auch noch von einem Verbrenner zugeparkte oder gleich defekte oder mit keinem Zahlungssystem kompatible) Ladesäule vorzufinden, dann macht das so richtig keinen Spass. Und nach Murphys Gesetz passiert das dann natürlich zum ungünstigsten Zeitpunkt, nachts, im Winter…..
Mit dem Model 3 wird Tesla bei den Superchargern sowohl bei Zahl als auch Menge sicher auch noch eine Schippe drauflegen müssen, aber derzeit ist Tesla unter allen Gesichtspunkten das beste Elektroauto am Markt – was sich allerdings auch beim Preis wiederspiegelt….
ecomento.de meint
Wir haben uns das auch schon gefragt und bereits mehrfach bei Renault bezüglich den ZOE-Motoren angefragt. Leider scheint man die Anfrage nicht beantworten zu wollen…
VG
TL | ecomento.de
Juanma meint
Renault hat bei der Alte Zoe (43kW) die Wicklungen die Motoren als Ladegerät genutzt. Diese Sorte von Laden hat aber eine Schlechtes Wirkungsgrad bei niedrige Ladeleistungen. Da Renault ein neues Motor entwickelt hat, kann ich mich vorstellen dass der nicht mehr mit diesen Lade-Konzept kompatibel ist.
Allerdings ist der 22kW AC Lader die man in der R240 hat auch nicht schlecht. (vielleicht der hier http://www.brusa.eu/produkte/energie/ladegeraete-400-v/nlg664-schnellladegeraet.html)