In 16 Städten klagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für saubere Luft. In diesem Zusammenhang fordert sie auch Fahrverbote für Diesel. Warum dies eine unverzichtbare Maßnahme ist und welche Konsequenzen dies hat, beantwortet Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, in einer kürzlich als Interview veröffentlichten Mitteilung.
Warum klagt die DUH in derzeit 16 Städten?
Die Luft in zahlreichen Städten in Deutschland ist zu dreckig und macht krank. Die zuständigen Behörden der Länder tun nicht genug, damit die vorgeschriebenen Luftqualitätsgrenzwerte eingehalten werden. Im Juni 2015 hat die EU-Kommission daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen anhaltender Überschreitung der Stickstoffdioxid (NO2-)Grenzwerte eingeleitet.
Was möchte die DUH mit den Klagen erreichen?
Wir möchten, dass die zuständigen Behörden schnellstmöglich wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen, damit die Luftqualitätsgrenzwerte eingehalten werden und die Umwelt und die Gesundheit der Menschen geschützt werden.
Mit welchen Maßnahmen kann die Luft in unseren Städten sauberer werden?
Die Maßnahmen, die betroffene Städte ergreifen können, sind vielfältig: Diesel-Taxen sollten von den Straßen verschwinden und durch Erdgas-/Benzinhybridantriebe ersetzt werden, Busse für den öffentlichen Nahverkehr sollten mit wirksamen NOx-Katalysatoren nachgerüstet werden, öffentliche Dienststellen sollten auf die Anschaffung von Diesel-Pkw für ihren Fuhrpark verzichten. Ganz entscheidend ist auch die Attraktivitäts- und Kapazitätsverbesserung der öffentlichen Verkehre, beispielsweise durch die Einführung eines Bürgertickets oder Park&Ride-Angeboten. Der Ausbau von Radwegen oder Tempolimits in belasteten Straßen sind ebenfalls empfehlenswert.
Wenn es so viele Maßnahmen zur Luftreinhaltung gibt, warum fordert die DUH dann ein Diesel-Fahrverbot?
Die genannten Maßnahmen sind alle wichtige, aber leider auch zusammengenommen nicht ausreichend. Dieselmotoren sind die Hauptquelle für die Luftverschmutzung mit Stickstoffdioxid (NO2) in Städten. Moderne Euro 6 Diesel-Pkw emittieren bis zu 30 mal mehr Stickoxid (NOx) im realen Fahrbetrieb – also auf der Straße, als moderne Euro 6 Benzin-Pkw. Das belegen auch die aktuellen Messungen der DUH. NOx oxidiert in der Atmosphäre zu NO2. NO2 zählt aufgrund seiner unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu den aktuell gefährlichsten Luftschadstoffen.
Warum ist Stickstoffdioxid in der Luft so gefährlich?
NO2 schädigt die Atmungsorgane und beeinträchtigt das Herz-Kreislauf-System. Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen, dass die Langzeitbelastung mit durchschnittlichen NO2-Konzentrationen, wie sie an verkehrsnahen Standorten vorherrschen, mit einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit und einer erhöhten Sterberate verbunden sind. Die Europäische Umweltagentur (EEA) hat gerade eben veröffentlicht, dass allein in Deutschland 10.600 Menschen vorzeitig an den Folgen des Dieselabgasgiftes NO2 sterben.
Wie kommt es, dass Diesel-Pkw so viel schmutziger sind? Es gibt doch Grenzwerte die vorgeben, wie viel Emissionen ein Fahrzeug ausstoßen darf?
Ja, in der Tat. Die von der EU vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte für Diesel-Pkw werden jedoch nur im Labor eingehalten. Auf der Straße, im realen Fahrbetrieb, stoßen die Fahrzeuge jedoch viel mehr Stickoxid aus als erlaubt. Das belegen unsere eigenen Messungen, sowie die Messungen anderer Institute wie die des International Council on Clean Transportation (ICCT), aber auch die Messungen im Auftrag der Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministeriums.
Wie ist das möglich?
Die Fahrzeuge werden von den Herstellern manipuliert. Und zwar so, dass sie bei der für die Typzulassung erforderlichen Emissionsmessung im Labor die Grenzwerte einhalten. Das Fahrzeug erkennt, dass es getestet wird und schaltet auf “sauber” bzw. es aktiviert die Abgasreinigung. Sobald das Fahrzeug die Prüfrolle verlässt, wird die Abgasreinigung deaktiviert. Dies ist illegal und sorgt dafür, dass unsere Atemluft mit dem Dieselabgasgift NOx geflutet wird. Daher brauchen wir Fahrverbote für dreckige Diesel-Pkw.
Zu wann rechnen Sie mit den ersten Fahrverboten?
Wir gehen davon aus, dass die ersten Fahrverbote Anfang 2018 kommen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 13. September 2016 erklärt, dass in Düsseldorf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge so schnell wie möglich auszusprechen seien, um die NO2-Grenzwerte einzuhalten. Die rechtlichen Instrumente dafür sind nach Auffassung des Gerichts bereits vorhanden. Das Land NRW hat in diesem Verfahren Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht Leipzig eingereicht. Wir nehmen an, dass dieses Gericht im Sommer 2017 über die Klage der DUH entscheidet. Das Urteil hat dann wiederum Relevanz für alle Städte in Deutschland in denen NO2-Grenzwerte nicht eingehalten werden.
Welche Fahrzeuge wären von einem Fahrverbot betroffen?
Betroffen wären alle Fahrzeuge, die die aktuellen Euro 6 Grenzwerte für NOx im realen Straßenbetrieb nicht einhalten Das sind im Moment alle Dieselfahrzeuge. Die meisten Benzin-, Hybrid, Erdgas-, Flüssiggas- und Elektro-Pkw könnten weiter einfahren.
Wird es Ausnahmen von dem Fahrverbot geben können?
Rettungsdienste, Feuerwehr, Polizei sind generell von einem Fahrverbot ausgenommen. In einer Übergangszeit wird es in begründeten Fällen sicher auch Einzelausnahmen geben können. Dies war bei der Einrichtung der Umweltzonen ebenfalls der Fall. Dies zu entscheiden, ist Sache der zuständigen Behörden.
Was rät die DUH, wenn man sich ein neues Fahrzeug kaufen möchte?
Auf keinen Fall einen Diesel-Pkw kaufen. Sauber und spritsparend sind Fahrzeuge mit Erdgas- bzw. Benzin-Hybridantrieb oder Elektroautos.
Nicht jeder kann sich bis 2018 ein neues Fahrzeug anschaffen. Schadet ein Fahrverbot nicht vor allen den Verbrauchern, statt sie zu schützen?
Die Hersteller sind dafür verantwortlich, Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die die Grenzwerte einhalten. Halten die Fahrzeuge auf der Straße die Grenzwerte ein, gibt es auch kein Problem. Wir setzen uns dafür ein, dass die Pkw-Hersteller die Betrugs-Diesel zurücknehmen und den Kaufbetrag erstatten oder die Abgasreinigungsanlage so nachbessern, dass sie auch auf der Strasse funktioniert. Amerikanische Behörden haben exakt diese Lösung durchgesetzt. Technologisch ist übrigens die Nachbesserung möglich, wir haben entsprechende Konzepte getestet. Ich sehe gute Chancen, dass die Autobesitzer einen Rechtsanspruch auch in Deutschland durchsetzen werden. Zumal Autohersteller bislang ihren Kunden saubere Euro 6 Diesel-Pkw versprochen haben.
Was aber, wenn ich keine Euro 6 Pkw fahre, sondern ein Modell mit einer älteren Abgasnorm? Kann auch dieses Fahrzeug nachgerüstet werden?
Für manche Euro 5 Diesel-Pkw können wir uns Nachrüstlösungen vorstellen, noch ältere Diesel-Modelle werden allerdings zukünftig keine Zukunft in unseren Städten haben. Hier empfehlen wir den Haltern, sich rechtzeitig für ein sauberes Neu- oder Gebrauchtfahrzeug zu entscheiden.
Starkstrompilot meint
Der Diesel ist tot. War er eigentlich schon immer. In den 80ern wurde mit Einführung des 3-Wege-Kats ein ziemlich hoher Abgasreinigungsstand erreicht.
Mit der unnötigen massenhaften Verbreitung von Dieslfahrzeugen unter dem Spar- und Ökomäntelchen wurde diese Verbesserung völlig zunichte gemacht.
Super Idee, das mit dem Diesel. Dabei geht es ohne NOx beim Diesel gar nicht.
Verbieten und zwar alle.
Seltsamerweise hört man bei diesem Abgasskandalständig den Begriff ‚vorzeitig sterben‘. Tatsache ist, wir alle sterben je nach Lebensumstände vorzeitig.
Die richtige Formulierung muss also lauten:
‚Die Europäische Umweltagentur (EEA) hat gerade eben veröffentlicht, dass allein in Deutschland 10.600 Menschen an den Folgen des Dieselabgasgiftes NO2 sterben.‘
Das Wort ‚vorzeitig‘ kann entfallen. Die Todesursache ist eine andauernde NOx-Vergiftung. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich bin kein Jurist, aber ich würde sagen, hier liegt ein Straftatbestand vor.
Jensen meint
Nur gerichtlich fixierte und in die Praxis umgesetzte Fahrverbote werden für eine spürbare Verbesserung der Luftqualität und eine seit Ewigkeiten überfällige Veränderung der Fahrgewohnheiten führen….
Martin meint
Warum kann man nicht einfach einen Dieselkraftstoff einführen, der garnicht erst solche Luftverpestung zulässt? Dann würden alle Dieselfahrzeuge und vor allem unsere Umwelt davon profitieren.
Fritz! meint
Wo soll der herkommen? Wer will den bezahlen? Was soll da anders sein? Der NO2 und NOX Nachteil des Diesels ist systembedingt, alos nicht so einfach „zu entfernen“.
Ampidriver meint
Bis so was in die Gänge kommt, ist mein noch nicht geborener Enkel schon in Rente…vergiss es.
Weber J. meint
Diesel-Taxen sollten von den Straßen verschwinden und durch Erdgas-/Benzinhybridantriebe ersetzt werden…………
Dieser Vorschlag schlägt ja wohl dem Fass den Boden raus. Gerade Taxis sind prädestiniert, um komplett durch Elektroautos ersetzt zu werden. Und zwar sofort und ohne jegliche Übergangsfrist. Dies könnte ganz einfach durch steuerliche Anreize umgesetzt werden, ohne dass es jemanden schmerzt. Taxis fahren überwiegend kurze Strecken. Im Winter stehen sie mit laufenden Motoren rum, damit die wartenden Fahrer nicht kalt bekommen und verschmutzen aufs heftigste die Umwelt ohne auch nur einen Kilometer zurück zulegen. Das kann man sich an allen Bahnhöfen der Republik ansehen. Dazu wär nichts geeigneter als ein reines Elektroauto mit Vorklimatisierung. Dazu gibt es noch die geniale Möglichkeit an Taxiständen PV-Anlagen zu installieren und kostengünstig zu laden. Wie kann es sein, dass eine so einfache Lösung, die dazu noch so effizient ist nicht von der DUH vorgeschlagen wird???? Auf die Ausreden bin ich mal wieder gespannt.
lo meint
Ich bin Ihrer Meinung. Vielleicht möchte der DUH die Debatte „NOx“ bewusst _nicht_ mit der E-Auto-debatte vermischen, um nicht beide „Gegenlager“ aufzuwiegeln.
So wie der Text jetzt formuliert ist, kann Niemand sowas sagen wie:
„Und wo soll der ganze Strom herkommen?“,
„Die Akkus sind Sondermüll.“,
„E-Autos sind viel dreckiger.“
uswusf…
Fara Day meint
Die DUH sieht das so, weil sie von Toyota finanziert werden und diese eben auf Benzinhybridantriebe setzen.
Außerdem hat Hr. Resch bereits mehrfach gesagt, dass Elektroautos in den Augen der DUH aktuell keine saubere Antriebsart darstellen. Daher werden Elektroautos nicht als wirkliche Alternative genannt. Stand sogar hier auf der Seite – der obige Beitrag ist ja eigentlich 1:1 aus dem Oktober 2016 kopiert. Dieser Teil wurde diesmal allerdings rausgelassen.
Fara Day meint
Und kleiner Zusatz: das Düsseldorfer Gericht hat gesagt, dass Dieselfahrverbot in eine Überlegung mit einbezogen werden können – es wurde nicht gesagt, dass Fahrverbote so schnell wie möglich auszusprechen seien. Das sagt die DUH zwar immer wieder, wahr wird es aber nicht. Ebenso, dass keine Euro 6-Diesel die Grenzwerte auf der Strasse einhalten. Das hat die DUH mit ihren eigenen Messungen belegt.
senrim meint
genau wie die taxibetreiber im ausland die deshalb fast nur noch hybriedfahrzeuge für ihre flotte kaufen ;)
der diesel hat sich überlebt ob mit oder ohne fahrverbote.
Wännä meint
Derzeit ist das Angebot an Elektrotaxen einfach noch zu klein.
Also macht es Sinn, die nächstbeste Lösung ins Spiel zu bringen, und das sind nun mal abgesehen von Erdgas- und Flüssiggas-Antrieben die (besonders in der Stadt sparsamen) Hybrid-Benziner, also z.B. Prius und Prius +, die derzeit schon gefühlte 20% Taxenanteil in Berlin haben.
Davon kann das Daimler-verdieselte Stuttgart nur träumen…
EcoCraft meint
Sind die Taxis wirklich prädestiniert dafür reine E-Autos zu werden. Gerade Taxen haben eine der höchsten Km-Leistungen pro Jahr. Gerade sie sollten also von der „Reichweitenangst“ betroffen sein.
Ehe die Taxiflotte umgestellt wird bräuchte es einen massiven Ausbau der (Schnell-)Ladeinfrastruktur und zwar primär in den Wartebuchten der Taxistände vor Bahnhöfen usw.
Doch selbst da warten die meisten Wagen keine 20 Minuten ehe sie den nächsten Fahrgast aufnehmen.
Ich glaube hier wird zu kurz gedacht.