Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Sigrid Nikutta begutachteten vor einigen Tagen im Rahmen einer Delegationsreise nach China Elektrobusse einheimischer Hersteller. Pop warnte: „Noch ist der E-Bus nicht abgefahren, aber wenn sich die deutschen Hersteller nicht ranhalten, geht die Zukunft an ihnen vorbei. Dann rollen künftig asiatische Busse durch Berlin.“
Die BVG will ihre Busflotte umfassend elektrifizieren. Da deutsche Anbieter bisher noch keine oder nicht dem Anforderungsprofil entsprechende Modelle im Angebot haben, erkundigen sich die Berliner Verkehrsbetriebe in China nach Elektrotechnik für den ÖPNV. Pop und Nikutta besuchten unter anderem einen Betriebshof für Elektrobusse im Chaoyang Distrikt von Chinas Hauptstadt Peking, wo eine der größten und leistungsfähigsten Ladestationen der Welt steht. Bis zu 30 Busse der staatlichen Marke Foton können dort gleichzeitig in unter 20 Minuten Energie beziehen.
Die erste Ausschreibung für Elektrobusse hat Berlin bereits abgeschlossen, die für zunächst 30 E-Busse eingegangenen Angebote werden derzeit geprüft. Demnächst steht die Beschaffung weiterer elektrischer Nutzfahrzeuge an. „Bitte bewerben Sie sich auf die nächsten 30 Busse, die wir im Sommer ausschreiben werden“, sagte Nikutta im Gespräch mit Foton-Managern. Die geplanten Mengen könnten den chinesischen E-Bus-Pionieren jedoch zu klein sein: Man wolle nicht einzelne Busse irgendwohin verkaufen, sondern ganze Lösungen für Verkehrsprobleme, hieß es von Foton. Was den europäischen Markt angehe, sei man allgemein „noch etwas vorsichtig“.
Deutsche Hersteller und Experten argumentieren, dass die Technik chinesischer Elektrobusse nicht auf dem neuesten Stand ist – dafür stimmen die Zahlen: In Peking sind derzeit rund 5000 E-Busse im Einsatz – 2020 sollen es bereits 10.000 sein. Das Problem der geringen Reichweite einiger Bus-Modelle lösen die Verkehrsbetriebe der Metropole mit Schnellladern in ihren Depots, die die Groß-Stromer in weniger als einer halben Stunde für die Weiterfahrt fit machen.
Michael meint
Egal wo die Busse herkommen, die Batteriezellen kommen auf jeden Fall aus Asien. Den Wettlauf haben wir schon verloren.
flip meint
Man muss ja nicht jeden Wettlauf mitmachen sondern sich auf seine Kompetenzen konzentrieren. Zellen sind/ werden ein billiges Massenprodukt. Auch wenn sie aktuell einen nicht unerheblichen Anteil der Kosten stellen so ist doch die Marge pro Zelle nicht sehr groß.
kritGeist meint
So weit nach China hätte Sie doch gar nicht reisen müssen, direkt in Berlin gibts es eine Vertretung von Solaris, die jede mögliche Bustechnologie hat. Daneben gibts noch holländische & norwegische Firmen ;-P
E-Tom meint
Im Amsterdamer Flughafen Schiphol kann man eine große Flotte BYD-Busse beobachten, sie haben fast alle Diesel-Busse verdrängt. Das Fahrprofil ist natürlich anders als im Stadtverkehr. Für den Fahrgast ist kaum ein Unterschied zu merken, leise natürlich. Die kleinere Fensterteilung kann wegen der höheren Dachlast erforderlich sein, ansonsten ist alles modern und gut ausgestattet.
Priusfahrer meint
Ja, ja – die Holländer sind fast so fortschrittlich wie die Norweger. Überall
Ladesäulen und Elektro-Fzg. Sogar Klein-LKWs sind schon in elektrischer
Version zu sehen. Und die Grachten-Aussichts-Boote für die Touris sind
zum Teil auch schon elektrifiziert.
Leonardo meint
Tja, und die Bayern erst!
Die Schiffe am Königssee fahren seit 1909 elektrisch.
Der Grund damals schon: Wartungsarm, Lärm und Gestankfrei
lo meint
neulich in Braunschweig:
https://www.youtube.com/watch?v=oSvS0lJnhb0
Lewellyn meint
Mit 30 Bussen kann man die Chinesen nicht beeindrucken. Dafür unterziehen die sich nicht den Mühen der EU-Homologation.
Urs meint
Dürfte zutreffen. Da müssten sich schon einige Busbetreiber in Europa zusammentun damit eine für alle potentiellen Hersteller, auch die europäischen, interessante Stückzahl resultiert. Mit 30 Stk. hier und 15 da und dann noch unterschiedliche Ausstattungen wird nie was draus.
Yoshi84 meint
„Dann rollen künftig asiatische Busse durch Berlin.“ <— und das wird letztlich auch passieren. So wie die Asiaten zu recht in vielen anderen Tech-Sparten (Hifi, Telekommunikation, Microprozessoren, Phototechnik) einen uneinholbaren Vorsprung haben, so werden sie auch die Automobilbranche allmählich für sich einnehmen.
Natürlich wird das langsamer vonstatten gehen als in den o.g. Branchen, weil die Denkweise "Es MUSS auf jeden Fall immer ein deutscher Premium-Anbieter sein" nur langsam rationalen Argumenten weichen wird. Des Deutschen liebstes Kind ist eben immer noch etwas anderes als ein Handy oder ein Fernseher. Doch wer hätte vor 10 Jahren gedacht, wie viele KIAs mittlerweile auf unseren Straßen (in guter Qualität wohlgemerkt) herumfahren? Ein chinesisches Auto wird in naher Zukunft absolute Normalität in Europa sein!
Paart man diese mögliche Entwicklung mit positiven Entwicklungsszenarien von Tesla, werden die Absatzzahlen deut. Autobauer spürbar zurückgehen. Ich glaube nicht an einen Untergang der OEMs. Aber warm anziehen werden sie sich müssen
Link meint
Die Asiaten sind zwar in fast allen Punkten den Europäern weit bis sehr weit voraus, bis auf einen Punkt. Mikroprozessoren. Das ist nahezu komplett in US-Hand, also geht dieser Preis in die USA.
Die EU, genauer Großbritannien, brachten die ARM-CPUs hervor. Die Dinger stecken in jedem Handy und auch sonst sind ARM-CPUs als diverse Derivate quasi in jedem elektronischen Gerät. ARM verkaufte keine CPUs direkt, sondern lediglich Lizenzen für die Architektur, die von ARM entwickelt wurde. Und wie es hier so üblich ist, wurde ARM verkauft und ist jetzt – japanisch.
150kW meint
„…nur langsam rationalen Argumenten weichen wird. “
Und das Argument lautet: „Ein Auto aus Deutschland muss gefälligst genauso günstig sein wie eins aus China.“
Yoshi84 meint
Falls du das ironisch meintest, lieber 150KW:
Der Preis (immer natürlich in Relation zur Qualität) IST ein rationales Argument. Im Bereich der Wirtschaft vielleicht sogar DAS rationalste überhaupt. Deswegen wird doch seit ca 20 Jahren fast alles „asiatisiert“. Die wenigen Industrien, die Deutschland/Europa im großen Maßstab noch für sich verbuchen kann, sind die absoluten Hochtechnologien. Alles andere, was eben einen positiven Quotienten aus Preis und Qualität aufweisen kann und aus Asien kommt, ist billiger und erobert unsere Märkte. Dass diese Dumping-Preise natürlich massivst zu Lasten von Umwelt und Mensch (keine Sicherheitsstandards, Hungerlöhne etc) geht, ist unbestritten. Es ändert nur leider nichts daran, dass den Kunden das am Ende sch…-egal ist.
Das gleiche erleben wir, die wir hier im Forum eigentlich alle einen baldigen Siegeszug der E-Mobilität erwarten/erhoffen, doch draußen in der richtigen Welt auch täglich. Sprichst du Freunde/Kollegen darauf an, was sie von E-Autos halten, sagen eigentlich alle „zu teuer“. Deswegen wird das mit der E-Mobilität – bis auf uns Exoten – ja erst genau in dem Moment was, wo E-Mobilität Kostenparität bzw. besser noch Kostenvorteile bietet. Genau zu dem Zeitpunkt geht’s los. Keinen Deut eher. Dann aber so richtig!
Jörg meint
Letztendlich entscheidet es die Ausschreibung.
Werden die Kriterien erfüllt, entscheidet der Preis.
Fühlt sich ein Ausschreibungsteilnehmer durch die Kriterien („die Produktion muss in Deutschland erfolgen“) diskriminiert, hat er Schadensersatzansprüche und kann klagen.
Die deutschen Kommunen müssen nun sehr viel Kreativität entwickeln, wenn Daimer&Co unangreifbar Ausschreibungen für E-Busse gewinnen will. (z.B. nur Kleinstmengen ausschreiben für die es für einen chinesischen Anbieter nicht lohn, ein Servicesystem aufzubauen…)
UliK meint
30 Busse von gesamt mehr als 1300. Na toll. Da reibt sich sicher jeder Hersteller die Hände. Hinterher heißt es dann: ’sorry, aber wir haben wirklich alles versucht, aber das mit dem elektrischen ÖPNV läßt sich leider nicht realisieren.‘
Peter W. meint
Unsere Hersteller sind wohl vom plötzlichen Boom überfordert. Ich muss allerdings zugeben, dass ich das gut verstehen kann, denn bisher wurde ja einfach alles gekauft was sie angeboten haben. In China wird der elektrische ÖPNV staatlich gefordert und gefördert. Bei uns wird nun „von Heute auf Morgen“ erwartet, dass die Hersteller von Diesel-Bussen jetzt Elektrobusse aus der Tasche zaubern.
Wir befinden uns derzeit in einem planlosen chaotischen Zustand. Während einerseits die Luft in den Städten besser werden muss, und jetzt Städte und Gemeinden aufwachen, bremst die berliner Regierung den Umbau massiv aus. Der Staat muss die Rahmenbedingungen schaffen und hätte die Städte schon seit mehreren Jahren unterstützen können.
McGybrus h meint
„E-Busse sind nicht auf den neusten Stand“ wird von Leuten kommentiert die selber nichts besseres anzubieten haben?
McGybrus h meint
Oder anders ausgedrückt. Sogar der alte Kram ist besser als das neue was man hier bekommt?
Daniel meint
…von Leuten die GAR NIX anzubieten haben ist das ziemlich frech. Müssen wohl Respekt erst noch lernen.