Continental teilt sich in drei Unternehmen auf, um den deutschen Zuliefer-Gigant fit für den Wandel der Automobilindustrie zu machen. In einem ausführlichen Gespräch mit dem Handelsblatt hat Vorstandschef Elmar Degenhart erklärt, warum er sich zu diesem Schritt entschieden hat und was seine Pläne für die E-Mobilität sind.
Degenhart betonte, dass er das Traditionsunternehmen nicht zerschlagen, sondern „schlagkräftiger“ machen will. Dazu verselbstständige er zwar Teile der AG, „im gemeinsamen Verbund“ werde die Organisation aber zukünftig wettbewerbsfähiger aufgestellt sein – „und zwar mit einer Produktkonstellation und Systemkompetenz, die auf der Welt einzigartig sind“.
Ausschlaggebender Grund für die Aufsplittung sei, dass Continental durch seine Größe und Struktur zunehmend eingeschränkt werde. Die neue Holdingstruktur soll dafür sorgen, dass Entscheidungen „eine, besser sogar zwei Stufen aus der Zentrale heraus delegiert werden“ können, was für mehr unternehmerische Freiheiten und schnellere Prozesse sorgen soll.
Die geplante Antriebssparte von Continental, die neben dem Geschäft mit Verbrenner-Technik auch Hybrid- und Elektroantriebe sowie alle Batterieaktivitäten umfassen wird, weist laut Degenhart „die größten Unsicherheiten“ auf und stehe daher vor besonderen Herausforderungen. Die Autokäufer seien zwar bereit, für Sicherheit und Komfort höhere Preise zu zahlen – „für saubere Autos aber nur sehr eingeschränkt“. In dieser Hinsicht werde die Branche maßgeblich von staatlicher Regulierung getrieben.
„Disruptive Entwicklung“ in der Autoindustrie
Bei der Umstellung von Verbrenner- auf Elektroautos erwartet Continental „eine disruptive Entwicklung“. Entscheidend sei dabei, „welche Technologien wann technisch verfügbar und wirtschaftlich sinnvoll sind“. Das Unternehmen müsse hier „noch schneller, noch agiler“ handeln. Bei der Antriebs-Einheit sei daher ein noch eigenständigeres Vorgehen als bei anderen Teilen des Unternehmens sinnvoll – und ab Mitte kommenden Jahres ein Börsengang. „Mit einem Umsatz von rund acht Milliarden Euro wird das einer der größten Player im Antriebsbereich“, so der Conti-Chef.
Für seine Antriebssparte geht Continental davon aus, dass der reine Elektroantrieb nicht alle Marktbedürfnisse abdecken wird. Die Strategie sieht aus diesem Grund „einen Technologiemix“ vor: Bei Nutzfahrzeugen für die Langstrecke „eher synthetische Kraftstoffe“ sowie Wasserstoff – letzteres allerdings erst nach 2030. Bei Pkw konzentriert sich Continental zunächst auf 48-Volt-Systeme – sogenannte Mild-Hybride – und klassische Hybride.
Damit rein akkubetriebene Elektroautos Kostengleichheit mit Verbrennern erreichen, muss Degenhart zufolge die Serienreife von Festkörper-Batterien erreicht werden. Die Energiedichte heutiger Lithium-Ionen-Zellen von etwa 300 Wattstunden lasse sich zwar „theoretisch verdoppeln“, dies sei aber nicht ausreichend, um Elektroautos wettbewerbsfähig zu machen. Entscheidend sei das Erreichen von 1000 Wattstunden.
Batteriezellfertigung mit Partnern möglich
Anders als sein Konkurrent Bosch kann sich Continental eine Eigenfertigung von Batteriezellen für Elektroautos vorstellen – vorausgesetzt, es finden sich Partner für die Entwicklung und Finanzierung eines solchen Vorhabens. Die Kosten für eine Zellfabrik mit einer Kapazität von 40 Gigawattstunden pro Jahr liegen laut Degenhart „über die Jahre bei etwa drei Milliarden Dollar“. Das reiche nach der Fertigstellung für 500.000 bis 600.000 Elektroautos pro Jahr.
Von einer Quote für Elektroautos hält der Continental-Vorstand nichts. Er sprach sich im Interview mit dem Handelsblatt für Vorgaben bei Emissionen aus, auch wenn diese in Europa „ambitionierter“ als in anderen Märkten seien. Man dürfe dabei jedoch nicht „über das Ziel hinausschießen“, zudem sollte die Gesetzgebung für 2025 und 2030 möglichst früh feststehen. Insbesondere die Vorgaben für Kohlendioxid und Stickoxide seien entscheidend dafür, welchen Mix aus Diesel-, Benzin- Hybrid- und Elektroantrieben die Hersteller benötigen.
Peter W. meint
Passt zum Thema: Habe gestern beim Arzt ein bischen ATM gelesen. Ein Bericht über die deutschen Modelle mit der Frage „können die das liefern was gebraucht wird“. Ganz klare Antwort von ATM: Die können alles liefern, sogar 600 Ps Verbrenner, und Hybride mit super Durchzugskraft, und sogar Wasserstofftechnik vom Feinsten und an der Wassereinspitzung um Lambda 1 zu erreichen wird auch fleißig detüftelt und und und. Ein vernünftiges BEV ist mir durch die Euphorie über die grandiosen Leistungen doch glatt entgangen.
Und dann der Bericht úber den Kona. Ok, er hat jetzt schon eine ordentliche Reichweite, aber ist doch eher eine recht einfache Rappelkiste mit laut surrendem E-Motor und deutlich vernehmbaren störenden Fahrgeräuschen. Ein eher unterdurchschnittliches Auto für viel Geld.
Conti macht also alles richtig, denn für so extrem professionell hergestellte Verbrenner reicht auch in 10 Jahren noch eine 48 Volt Lichtmaschine.
one.second meint
Ist schon interessant, was der Continental-Chef sich hier nicht vorstellen kann, während das in den USA und China schon umgesetzt wird.
Zur Erinnerung: Der Tesla-Semi soll 2019 schon ausgeliefert werden. Selbst wenn man Teslas notorische Verspätungen einrechnet, wird 2030 der Drops schon gelutscht sein, bevor Continental oder wer auch immer dann mit Brennstoffzellen-Nutzfahrzeugen auf den Markt kommt.
Man kann von Musk halten was man will, aber in der Regel bringt er das Versprochene auch auf den Markt, zwar mit Verspätung, aber selbst dann ist es noch um Längen vorraus.
Jörg meint
Sein „Markt“ sind ja die VW’s und BMW’s dieser Welt. Auf diesen Markt bezogen mag das alles richtig sein (?).
Mein „Markt“ ist der Endverbrauchermarkt. Da sehe ich seine Aussagen nicht so ganz zutreffend.
Ich bin gespannt, ob es BOSCH & Co. schaffen, den richtigen Zeitpunkt zum Absprung von ihrer Abhängigkeit von VW & Co. zu schaffen. Wenn VW & Co. aktuell husten, dann sind CONTI und BOSCH reif für die Intensivstation.
In dem TESLA-Geschäftsmodell sehe ich wenig Platz für solche Zulieferer.
Fritz! meint
Irgendwelche Sensoren kamen, bilde ich mir ein, von Bosch.
Aber ich glaube kaum, das 1 Million Sensoren 10 Millionen fehlende Zündspulen und Abgasreingunssysteme für Diesel & Benzin wettmachen können.
Pamela meint
auch Lenkgetriebe kamen/kommen von Bosch (die mit den rostigen Schrauben)
Astasil meint
Nicht nur die – das Bremssystem kommt auch von Bosch. Die wurden doch bei den etlichen Unfällen mit dem Autopilt bestimmt manipuliert (Ironie off).
Klar musste man das mit den Schrauben erwähnen… Bosch ist zwar kein Schraubenhersteller – die kommen von einem Zulieferer, aber einfach mal erwähnen, damit man die irre Theorie einer Verschwörung aufrecht erhalten kann.
Pamela meint
@Astasil
„… damit man die irre Theorie einer Verschwörung aufrecht erhalten kann.“
???
Ah, ich verstehe: die Hitze !
alupo meint
Bei der Hitze aufgrund des Klimawandels (wir sind laut den öffentlich rechtlichen Medien aktuell erst bei +1C und wer glaubt, die Erde macht bei nur +2C schon schlapp) kann schon irre …., ich meine kirre werden.
Schmidtchen meint
Zitat Conti: „Bei Pkw konzentriert sich Continental zunächst auf 48-Volt-Systeme – sogenannte Mild-Hybride- und klassische Hybride.“
Na dann – gute Nacht. Für morgen entwickeln, was man heute schon nicht mehr braucht.
Z.B. Hyundai bietet 2018 mit dem Kona für 40k€ einen kleinen Crossover mit >200PS, top Ausstattung und einer realen Reichweite von >350km. 400V-Technik, >60kW netto Akku. DC Schnelladung inklusive.
Kia Niro EV, der nächste Leaf oder die Neuauflage des Ioniq stehen mit vergleichbaren oder besseren E-Daten auch schon vor der Tür.
Nie waren wir in D so abgehängt wie heute. Als Gegenleistung gibt es ein völlig neues, kriminelles Image für „made in germany“. Und Conti fällt offensichtlich nichts besseres ein, als den großen, sterbenden Auftraggebern nach dem Mund zu reden.
energierebell meint
die ewigen Dampfplauderer, solche „Experten“ sind das Problem und nicht die Lösung,.. wie hier es bereits alltag ist: Eine Stadt steht unter Strom
https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/elektromobilitaet-eine-stadt-unter-strom/22844318.html
Alex meint
Planung und Entwicklung von Continental dauern viel zu lange.
Im Interview wird über neue Technologien gesprochen und gesagt was sich gut anhört aber nicht wie die Finanzierung verläuft oder strategische Partner. Conti sollte bei Reifen bleiben.
Pamela meint
In Asien und Amerika wird bereits gemacht, was man hier so langsam beginnt sich vorzustellen.
Nicht, dass die „disruptive Entwicklung” ganz anders kommt,
als Sie denken, Herr Degenhart.
Daniel S meint
…zudem sollte die Gesetzgebung für 2025 und 2030 möglichst früh feststehen.
Das kann nur sein: Ab 2030 lokal null CO2-Ausstoss.
Sebastian meint
Da CO2 völlig ungiftig ist aber den Treibhauseffekt verstärkt ist es völlig egal wo es emittiert wird. Lokal müssen CO, HC, PM und NOXe vermieden werden. Plus der andere Dreck der nicht angegeben wird weil man ihn in einem einzelnen Motor nicht nachweisen kann/will.
alupo meint
… nicht nachweisen will.
Können tut man heutzutage sehr viel, falls man denn will ;-).
Marcel meint
Es ist ja gut, dass in Sachen Technik so große Fortschritte gemacht werden, aber sollten Bedürfnisse wie Arbeitsplätze nicht auch ein großes Thema sein? Laut einer Studie werden „75.000 Arbeitsplätze in der Antriebstechnik wegfallen. Darin ist schon eingerechnet, dass rund 25.000 neue Stellen für Komponenten wie Batterien oder Leistungselektronik entstehen werden.“ (Quelle: https://www.hrblue.com/wirkungen-der-fahrzeugelektrifizierung-auf-die-beschaeftigung-am-standort-deutschland-elab/ ). Und das finde ich erstens schwierig und zweitens frage ich mich, ob dem wirklich so ist. Müssten damit nicht viel mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden?
jomei meint
Die Wirtschaft jammert doch ständig über Fachkräftemangel, da dürfte die weitere Einsparung von Arbeitsplätzen und das Vorantreiben von Industrie 4.0 dieses Problem lösen. Haben wir nun zuwenig Arbeitsplätze oder zuwenig Arbeitskräfte?
Jeru meint
Bei solchen Interviews habe ich immer das Gefühl, dass man zwar den Wechsel der Antriebstechnologie auf dem Schirm hat aber nicht das sich verändernde Businessmodel..
Das Fahrzeug allein muss keinen Gewinn mehr abwerfen, das erledigen dann die darum aufgebauten Abhängigkeiten in Form von Services und Ladeinfrastruktur.
Tesla macht es vor und hebt Mobilität auf die Stufe von Facebook oder Google.
Technisch sind die OEM‘s aus meiner Sicht spielend in der Lage ein grandioses eFahrzeug zu bauen. Das neue Businessmodel anzunehmen und zu verinnerlichen sehe ich aber zunehmend kritisch.
Niedrige Löhne, hire and fire, hohe Automatisierung, simpel aufgebaute Fahrzeuge und gleichzeitig starke Abhängigkeiten schaffen, um das Geld mit Services zu verdienen. Tesla macht es vor.
Frank meint
Welche Abhängigkeiten sollen das sein? Das man 80000 km ohne Wartung fahren kann ohne die Garantie zu verlieren? Das man den selbst produzierten Strom verfahren kann? Das man kostenlos oder zu vernünftigen Preisen Supercharger nutzen kann? Das man kostenlos oder gegen kleine Gebühr ans Internet angebunden ist? Das man immer die aktuellsten Karten für die Navigation nutzt.
Dieses unwissende oder mutwillig böswillige Geschwätz über Tesla nervt, zumal es wohl ohne Tesla noch immer keine Elektromobilität gäbe.
Gestern mit meinem Leaf bei 37 C versucht einen „Schnell“-Lader zu nutzen. Außer extremem Lüftergeräusch kam NICHTS raus. Sind wir in Europa inzwischen ein technisches Entwicklungsland? Aber von 350 kW faseln!
Fritz! meint
Ich habe ihn richtig verstanden, eine neue Antreibssparte zu gründen, in der Verbrenner-Technik und E-Technik zusammen arbeiten sollen? Halte ich für eine ziemlich dämliche Idee, bei der die richtigen E-Antriebe eher benachteiligt werden. Aber aus Sicht eines Konzerns, der möglichst lange an alter Abgas-Technik festhalten möchte, ist es nachvollziehbar.
Das sie sich eine Akku-Fertigung vorstellen können, ist zumindest (für mich) positiv zu werten.