Neben technischen Aspekten spielen beim Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos diverse weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Die Thüga, das größte deutsche Netzwerk kommunaler Energie- und Wasserdienstleister, hat mit dem Freiburger Start-up Geospin nun eine Potenzialanalyse für Ladesäulen entwickelt.
Wenn Städte und Kommunen neue Stromer-Tankstellen bauen wollen, stellt sich schnell die Frage nach dem Wo. „Das ist ein Thema, das wir dank unserer detaillierten Potenzialanalyse beantworten können“, so Evamaria Zauner, Projektmanagerin Mobilität bei der Thüga. „Bisher hat man Ladesäulen meist nach einem einfachen Auswahlverfahren aufgestellt oder sich auch aus Imagegründen für Ladeplätze entschieden. Das führt teilweise zu einer schlechten Erreichbarkeit und damit zu Einbußen bei der Wirtschaftlichkeit.“
Die Daten-Spezialisten von Geospin haben einen selbstlernenden Algorithmus entwickelt, der die Eignung von Standorten bewertet. „Mit unserer Software ist es erstmals möglich, die versteckten Strukturen und Dynamiken einer Stadt zu analysieren. Diese Erkenntnisse können wir schließlich Unternehmen oder Städten zur strategischen und operativen Entscheidungsfindung zugänglich machen“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Sebastian Wagner.
Basis für die Berechnung ist ein Datenfundus von mehr als 700 externen Umgebungsinformationen. Diese schließen unter anderem Wetter, Verkehr, Demographie, soziale Medien und Points of Interest – etwa Kinos, Restaurants oder öffentliche Einrichtungen – ein. Zusätzlich berücksichtigt die Software zur Standortanalyse 400 ausgewertete Standorte mit über 180.000 historischen Ladevorgängen. Die Daten stammen aus dem Netzwerk ladenetz.de, in dem über 140 Partner ihre Ladesäulen in ein gemeinsames Backend eingebunden haben. Über die Roaming-Plattform e-clearing.net sind weitere Anbieter eingebunden.
Je mehr Daten das System erfasst, umso genauer wird das Analyse-Ergebnis. Dazu werden kontinuierlich weitere Daten eingepflegt. „Am Ende erhalten wir durch die Potenzialanalyse sogenannte Heatmaps“, so Thüga-Managerin Zauner. „Mit ihnen können wir sehr genau feststellen, dass in Musterstadt beispielsweise zwei neue Ladesäulen in der Hauptstraße zwischen Museum und Supermarkt gut genutzt würden.“
Erster Praxiseinsatz in Wiesbaden
Ihren ersten Praxiseinsatz leistet die neue Standortanalyse in Wiesbaden. Die regionale ESWE Versorgungs AG baut dort seit einigen Jahren ein Ladenetz und hat zwei Auswertungen beauftragt. Bei der ersten Analyse prognostiziert der Algorithmus innerhalb definierter Postleitzahlengebiete die geeignetsten Standorte für neue Ladesäulen, zusammen mit einer hochgerechneten Auslastung. „Gleichzeitig haben wir eine eigene Liste mit potenziellen Standorten erstellt. Diese hat Geospin dann zusätzlich geprüft“, erläutert ESWE-Referent Sergej Stimeier.
„Einige Standorte haben in beiden Analysen übereingestimmt, andere waren neu für uns, aber unsere Liste war überraschend gut“, so das Fazit von Stimeier. Bei einigen neuen Standorten stimmen die Netzbedingungen bereits für den Betrieb einer Ladesäule. Bei anderen muss zuerst das Netz ausgebaut werden. Die geplanten Säulen sollen primär für das Zwischenladen zur Verfügung stehen. „Beim Zwischenladen wird mit einer Ladezeit von etwa einer bis drei Stunden gerechnet“, erklärt Stimeier. „Beispielsweise beim Einkaufen, beim Frisörbesuch oder Arztbesuch und vielen ähnlichen Fällen.“ Dementsprechend prognostiziert die Standortanalyse die besten Stellen für diesen Nutzungsfall.
Am Ende des Projekts ist eine Liste mit 20 möglichen Standorten entstanden, bei denen die Netzbedingungen und die prognostizierte Auslastung stimmen. Die ESWE wird auf Basis der Potenzialanalyse und mit Fördermitteln des Landes Hessen ein erstes flächendeckendes Netz an Ladeinfrastruktur, bestehend aus zusätzlichen 20 Ladesäulen mit 40 Ladepunkten in Wiesbaden errichten.
Fotolaborbär meint
Der ganze Aufwand und das auf Basis einer falscher Annahme. Wie soll mit einer Ladesäule Geld verdient werden? Das haben ja schon einige Betreiber festgestellt: kein Geschäftsmodell möglich. Und klar es sind nur die nicht wissenschaftlich ausgesuchten Standorte. Wenn es bis vor wenigen Wochen noch ein gewisses Fenster für Schnellladesäulen entlang der Fernverkehrswege gab ist mit der Aldi Süd Ankündigung auch hier Schicht im Schacht. Ich habe meine Ladekarten nur für den Fall der Fälle dabei und selbst zu Hause wird nur noch aus Spass geladen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Einfach mal mit GMV versuchen (GMV = Gesunder MenschenVerstand): Wenn ich als Reisender in eine Stadt komme, brauche ich im Stadtzentrum Lademöglichkeiten, in einem Industriegebiet die Ladeweile zu verbringen ist nicht sehr attraktiv.
Ladepunkte im Zentrum sind auch für die Städte selbst interessant, da ich dann in Museen gehe und Restaurants und Cafes besuche, also Punkte, für die heute üblichen Stadt-Marketingabteilungen sonst viel Geld für Werbung ausgeben. Bezahlen mit EC-Karte, damit es schnell geht, auch bei Dunkelheit und Schnee und Regen.
Biker0815 meint
plus 1
Priusfahrer meint
Außer den normalen öffentlichen Ladestationen, könnte man durch
eine elektronische Umfrage per Internet erfragen, wo E-Auto-Besitzer ihre Ladestationen haben wollen. An den Schnittpunkten, wo die meisten
Platzierungen waren, werden dann Ladesäulen aufgestellt.
Aber die EU macht dann sowieso einen „Generalplan“, der alles über den
Haufen wirft.
Fritz! meint
Man kann es aber auch wie die Niederländer machen, mit einem Hundertstel des Aufwandes. Es werden dort einfach die Leute gefragt, die ein E-Auto gekauft haben, wo sie die Säule gerne hinhaben möchten und ziemlich oft wird dann auch mehr oder weniger genau dort welche gebaut. Der Käufer hat sofort was zum laden und das Netz wird immer dichter und, ganz wichtig, genutzt!
Peter W meint
Da haben welche SimCity oder Cities gespielt, und dabei die Idee gehabt …
Michael S. meint
Immer dieses Over-Engineering…
Rechtfertigt der Aufwand den Nutzen tatsächlich?! Schließlich ist man mit der eigenen Liste schon ganz gut gewesen.
Gunarr meint
Aus meiner Sicht geht nichts über empirische Datenerfassung. Ich würde an interessanten Standorten provisorische, wenn nötig batteriebetriebene, Ladesäulen aufstellen und dann vergleichen, wo die am intensivsten genutzt werden.
JuergenII meint
Wofür braucht es da Software?
Die Anbieter von E-Fahrzeugen teilen den Behörden mit, wer ein E-Fahrzeug kauft und – sofern es sich um ein Siedlungsgebiet ohne eigene Lademöglichkeit handelt – wird in unmittelbarer Nähe eine Ladestation errichtet – sofern noch nicht vorhanden. Die wird dann auch vom EV-Käufer genutzt und ist vor allem in unmittelbarer Nähe des Fahrers. Hat man doch perfekt in Amsterdam umgesetzt.