Die Verbreitung von alternativen Antrieben verändert das Geschäftsmodell der Lkw-Hersteller: Der Dieselmotor wird nach einer aktuellen Studie als bisheriger Wettbewerbsvorteil der europäischen Lkw-Produzenten schrittweise abgelöst. „Die Hersteller müssen nicht nur erhebliche Investitionen in parallele Technologieentwicklung tätigen. Die Auswirkungen des Umbruchs sind auch in den Bereichen Aftersales und Wiedervermarktung zu spüren. Steuern die Lkw-Hersteller nicht um, drohen etwa zehn Prozent ihres Umsatzes wegzufallen“, so die Strategieberatung Oliver Wyman.
Derzeit sind schwere Nutzfahrzeuge für rund ein Viertel der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich. Die Europäische Kommission sieht vor, die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Oliver Wyman geht daher davon aus, dass 2030 bereits 25 Prozent der Lkw in Deutschland mit alternativen Antrieben verkauft werden. Der Dieselmotor werde in Kombination mit einem Elektroantrieb zum Hybrid – oder durch andere alternative Antriebsarten wie Gas, Wasserstoff-elektrische oder rein-elektrische Technologie ersetzt. Einige Unternehmen prüfen zudem die Wiederkehr von Oberleitungs-Lkw.
„Ähnlich wie beim Pkw werden Kurzstrecken-Lkw früher vollelektrisch fahren als Langstrecken-Lkw“, sagt Romed Kelp, Nutzfahrzeugexperte bei Oliver Wyman. „Auf der Langstrecke ist der batterieelektrische Antrieb kurz- und mittelfristig nicht die Lösung. Hier werden Brückentechnologien wie Hybride oder Gasantriebe zum Tragen kommen.“
Durch die Umstellung auf neue Antriebsarten gerät das Geschäftsmodell der Lkw-Hersteller unter Druck – der Verbrenner ist bis heute der wichtigste Wettbewerbsvorteil der etablierten Produzenten. Er bestimmt in hohem Maß sowohl die Gesamtbetriebskosten als auch die Leistung des Fahrzeugs. „Sobald dieses Differenzierungsmerkmal wegfällt, wird der Wettbewerb der bestehenden Hersteller härter“, erklärt Kelp.
Dies wäre insbesondere der Fall, wenn sich der batterieelektrische Antrieb flächendeckend durchsetzt. Denn: Die Motoren der Elektro-Lkw unterscheiden sich kaum voneinander, Batterien – und damit die Reichweite – werden zum wichtigsten Differenzierungsfaktor. Diese werden nicht von den Lkw-Herstellern gefertigt, sondern von Elektronik- und Chemiekonzernen. Der Kompetenzschwerpunkt liegt in China, Südkorea und Japan – in diesen Ländern werden laut Oliver Wyman über 90 Prozent der aktuellen Batteriekapazität gebündelt.
Umsatzeinbußen bei Aftersales & Wiedervermarktung
Durch die Umstellung auf alternative Antriebe drohen Herstellern Umsatzeinbußen von etwa zehn Prozent im Aftersales sowie beim Wiederverkauf gebrauchter Fahrzeuge. Im Aftersales sind Oliver Wyman nach 50 Prozent der Gewinne auf Ersatzteile des Antriebsstrangs zurückzuführen – etwa Ersatz- und Verschleißteile für die Verbrennungsmotoren -, die nach dem Lkw-Verkauf für Umsatz sorgen. Im Zuge der Elektrifizierung fallen hier große Umsätze weg.
Weitere Einbußen sind bei der Wiedervermarktung von Lkw zu erwarten: Ältere Modelle werden aktuell Richtung Osteuropa und dann in den Mittleren Osten oder nach Afrika verkauft. Diese Wiedervermarktungslogik gerät bereits unter Druck, da asiatische Hersteller sich zunehmend auf diese Märkte fokussieren. Hinzu kommt: Lkw mit alternativen Antrieben sind nicht in allen Ländern einsetzbar. „Gebraucht-Lkw mit Elektro- oder Gasantrieb können nur in Länder mit entsprechend entwickelter Infrastruktur weiterverkauft werden. Das schränkt die Wiedervermarktungsmöglichkeiten deutlich ein“, so Joachim Deinlein, Partner bei Oliver Wyman. „Neue Technologiesprünge werden den Wiedervermarktungswert weiter belasten. Notwendig sind neue Lebenszykluskonzepte, insbesondere für alternative Antriebe.“
Neues Geschäftsmodell nötig
Die Berater empfehlen Lkw-Herstellern, ihr Geschäfts- und Gewinnmodell rasch grundlegend neu auszurichten. Laut Kelp sollten sich die Hersteller weg vom reinen Fahrzeugverkauf hin zum Angebot ganzheitlicher Betreibermodelle und Transportlösungen orientieren. „Künftig sollten Hersteller den Fokus vom Lkw-Verkauf auf das Anbieten von Transportleistungen richten. Dann basiert der Gewinn nicht auf einzelnen Aspekten des Lkw, sondern auf dem Gesamt-Service.“
Mit Blick auf den Antrieb sei ein rigoroser Investitions- und Portfolioprozess innerhalb der Zukunftstechnologien erforderlich. „Einerseits gilt es, Kundenakzeptanz und Differenzierung sicherzustellen“, sagt Deinlein. „Vor allem jedoch müssen die Hersteller agil sein. Nur so können sie ihre Strategie anpassen, falls eine Technologie dann doch nicht breit eingesetzt wird.“ Eine kritische Schnittstelle in der Elektrifizierung sei auch die Zusammenarbeit mit Batterieherstellern. Deinlein: „Reichweite, Gewicht und Kosten werden zu entscheidenden Kauffaktoren.“ Auch die Infrastruktur müsse gegebenenfalls aktiv mitgestaltet werden.
Im Aftersales sollten laut den Beratern neue Erlösquellen erschlossen werden. Dazu zähle, dass Hersteller bereits bei der Produkt-Entscheidung Chancen im Aftersales-Geschäft erkennen und das Produkt und den Service entsprechend ausrichten. Im Bereich Elektromotor gehe es dabei um Erlöspotenzial rund um Batterie und Ladung sowie maßgeschneiderte Teile- und Service-Angebote für jedes Fahrzeugalter.
Für erfolgreiche Wiedervermarktung sei es wichtig, erweiterte Lebenszykluskonzepte zu definieren. Dazu gehören zum einen Umrüstungsmöglichkeiten sowie Erneuerungskonzepte für Batterien, Software und Elektronik. Zum anderen müssten die Wiedervermarktungsketten im Hinblick auf technische Möglichkeiten dynamisch angepasst werden. „Insgesamt sollte der Lkw künftig wesentlich modularer gestaltet werden, um in der Wiedervermarktung weiterhin Gewinne zu erzielen“, so Deinlein.
Icke meint
Wie wird es bei den Arbeitsmaschinen wie Minbagger, Hoftrecker, Kommunalfahrzeuge, usw aussehen?
In der Landwirtschaft ist großes Potenzial ab 2020. Dann gehen dort große Stromerzeuger aus der Förderung. Und der Saft wird dann sicher nicht auch noch für teures Geld entsorgt werden. Also wird im großen Stil auf Stromverbraucher umgestellt. Diese müssen dann auch den Saft wieder ins heimische Stromnetz für die Eigenversorgung abgeben können.
Und das “ stromabgeben“ ins Netz sollten auch die Lkws können.
Und warum muss bei den ElektroLkw die Zugmaschine die „ganze“ Schubkraft leisten? Kann nicht auch im Anhänger ein Akku und der Antrieb verbaut sein?
In der Ladezeit wird dann der Anhänger, Auflieger geladen, oder Netzdienlich eingesetzt.
Soll doch der Auflieger für seine Antrieb selber sorgen. Die Zugmaschine kann dann zum nächsten Transport von Auflieger usw fahren.
Ebenso in der Landwirtschaft.
Warum riesige Traktoren, wenn der Anhänger, oder das Arbeitsgerät auch emotoren oder mobile Akku an Bord haben kann.
Die „leeren“ stehen dann am Hof an der PV-ANLAGE und werden geladen.
Eine völlig neue Verteilung der Aufgaben wird sicher die mobile Stromspeicherung ermöglichen.
Jörg meint
Das hängt vielleicht ein wenig mit den jährlichen Betriebsstunden der Anhängetechnik in der Landwirtschaft und den Trailerverkehren zusammen.
Bei den ersten steht sich dann noch teurere Technik die Radnabe in die Aufhängung.
Bei den zweiten soll bitte der ziehende Frachtführer des Fremdtrailers sein Kapital für die Entlohnung einsetzen.
Selbst bei 100% eigenen Verkehren (SZM und Trailer gehören dem Frachtführer) wäre es Quatsch, sich pro Zug zwei antreibende Systeme einzukaufen.
wolfgang Krähenbühl meint
Ich bin in der Landwirtschaft und habe alles mögliche an Fahrzeugen auf meinem Hof, von Kommunalfahrzeugen bis zum Mini Tracker. Die Belastung ist hoch würde sich es da lohnen einen zwei antreibendes System zu kaufen? Dank für deinen Artikel, und dass du auf die Fragen deiner Leser eingehst!
Peter W meint
In den letzten 20 Jahren hat sich der LKW stark verändert. Mechanisch ist der Antriebsstrang für über eine Million km geeignet, aber Elektronik und Abgasprobleme, und die ständig steigenden Mautkosten für ältere Diesel macht es unmöglich die Fzge mehr als 5 bis 8 Jahre zu nutzen. Alle größeren Transportuntenehmen stoßen die Fzge mit 600 bis 800tsd. km ab.
Mit einem fast unverwüstlichen E-Motor und einer 8 bis 10 Jahre laufenden Batterie könnte ein LKW locker 25 Jahre genutzt werden. Nach 10 jahren das Fahrerhaus aufhübschen und den Akku tauschen, der Rest hält das locker 2 mal durch. Am Design der Fahrzeuge ändert sich ja ohnehin kaum was.
Da wären ganz neue Geschäftsmodelle denkbar anstatt immer nur neu zu kaufen und den Umweltschrott nach Afrika zu verschiffen.
Jörg meint
Zusatz:
Und hier kommen dann plötzlich ganz andere Zulieferer in´s Spiel.
Wenn der Frachtfüher sich bisher bei kaputten MAN-Motor eher nur an MAN wenden konnte, wird es für die Großserienfahrzeuge möglicher Weise freie Anbieter für ganze Antriebseinheiten und/oder Batteriepacks geben.
Jörg meint
Sehr gute Zusammenfassung der aktuellen Probleme der großen LKW-Hersteller.
Keiner der derzeit fahrenden Prototypen von MAN & Co bieten hier eine Antwort.
Die Antwort kann, was das einzelne Fahrzeug betrifft, nur in einer gnadenlosen Neukonstruktion liegen. Das Rumbasteln an Verbrennerfahrgestellen hilft da nicht weiter.
150kW meint
Welche der obigen Fragen würden sich denn nur durch eine Neukonstruktion lösen lassen?
E.OFF meint
na überlegen Sie mal, schauen Sie sie mal das Führerhaus von Nicola oder Tesla an gegen die restlichen Fahrenden Scheunentore!
Der cw wert Spielt hier genauso eine rolle! das gleiche wie bei dem Autos deshalb kommt weder Jaguar, Mercedes und auch kein Audi an die Verbrauchswerte von Tesla ran das ist mal fakt…
150kW meint
Der CW-Wert spielt auch bei Verbrennern eine Rolle.
Des weiteren ist im obigen Text nichts von CW-Wert oder Effizienz zu lesen.
Jörg meint
@150kW
Zur Zeit muss die Antriebseinheit in das vorgegebene Verbrennerfahrgestell eingepasst werden. Ob hierbei immer die beste Effizienz für die Antriebseinheit herauskommt (Leistung, Standfestigkeit, Gewicht, einfache Montage und Austauschbarkeit), wage ich zu bezweifeln.
Gleiches gilt für die Batterieeinheit und Leistungselektronik.
Beim Verbrenner hat MAN&Co ja auch nicht erst den Gitterrahmen hingestellt und dann den Diesel und den Antriebsstrang und den Vorderwagen daran angepasst.
Die Konstruktion sollte auch beim eLKW andersherum erfolgen und hier dann leichte Modulwechsel zulassen. Über die Lebenszeit einer SZM wird sich beim e-Antriebsstrang und bei den Akkupacks erhebliches entwickeln. Das Fahrgestell sollte also auch solche Änderungen vorbereitet sein.