Deutsche und europäische Politiker wollen, dass die hiesige Automobilindustrie die Batteriezellen für ihre Elektroautos nicht mehr hauptsächlich aus Asien bezieht. Laut Experten lassen sich die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorangetriebenen Planungen für eine Zellfabrik jedoch nicht wie geplant realisieren.
Tobias Schmidt, Professor für Energiepolitik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich), und sein Team haben die Pläne Deutschlands und der EU für eine lokale Zellproduktion analysiert. Ihr Fazit: Die Fertigung könne zwar nach Europa geholt werden, die aktuelle Strategie von Altmaier und EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič sei dafür aber nicht geeignet.
Nach aktuellem Stand sollen mehrere Firmen mit Unterstützung der Politik eine europäische Batteriezellenfertigung nach dem Vorbild von Airbus, also in Form eines Konsortiums aufbauen. Die ETH-Forscher bezweifeln, dass dies funktioniert. „Wir sind dagegen der Meinung, dass es sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich ist, jetzt eine reine europäische Batteriezellen-Industrie aufzuziehen“, so Schmidt im Gespräch mit dem Branchenportal PV Magazine.
Deutsch-chinesische Zell-Partnerschaften
Die Wissenschaftler sprachen sich dafür aus, Partnerschaften mit Innovationsführern aus Ostasien einzugehen. Aktuell lassen sich die deutschen Autobauer fertige Zellen liefern und bauen aus diesen Batteriepakete für ihre Stromer zusammen. Sie sparen so die Investitionskosten für die Eigenentwicklung und -fertigung von Zellen, gehen aber auch Abhängigkeiten ein.
Partnerschaften mit Batteriefertigern aus Asien würden den ETH-Forschern zufolge den Vorteil bieten, dass deutsche Autohersteller die Entwicklung der Zelltechnologien besser abschätzen und ihre Elektroautos und Strategie entsprechend auslegen können. Mit Partnerschaften könnte zudem stärker Einfluss auf die Zellentwicklung genommen und so Vorteile im Wettbewerb erarbeitet werden.
Die Entwicklung leistungsfähiger Batteriezellen wird stark von der Regierung Chinas getrieben, sich davon unabhängig zu machen ist den ETH-Experten nach möglicherweise nicht die beste Strategie. Da die europäische Autoindustrie „ein riesiger potenzieller Kunde“ vor allem auch im Premiumsegment sei, dürfte bei asiatischen Unternehmen durchaus die Bereitschaft zu einer engen Zusammenarbeit vorhanden sein, glaubt Schmidt.
Eigenes Zell-Know-how unerlässlich
Dass Europa sich Know-how im Bereich der Batteriezelle sichert, ist den Forschern zufolge unerlässlich. Das Design eines Akkus sei deutlich komplexer als etwa das einer Photovoltaikzelle, da die Komponenten wie Anode, Kathode und Elektrolyt sehr ineinander verzahnt sind. „Wenn ich eine Komponente ändere, muss ich die beiden anderen ebenfalls anpassen. Dadurch gibt es sehr viele Optimierungsprobleme“, erklärte Schmidt.
„Noch wichtiger ist, dass auch die Herstellung und das Design miteinander verzahnt sind. Wenn ich im Design etwas anpasse, muss ich in der Regel auch die Herstellung anpassen“, so Schmidt weiter. Nicht immer sei klar, „wie ich was anpassen muss“ – aus diesem Grund gebe es zahlreiche kleine Optimierungsprobleme zu lösen. „Dadurch wird dieses stillschweigende Wissen, das ich nur sehr schwer aufholen kann, bei Batteriezellen noch wichtiger“, unterstrich der Wissenschafter.
Mini-Fan meint
Sehr guter Bericht.
Und wohl sehr zutreffend.
Dieser Peter Altmaier hat nicht nur von Wirtschaft (k)eine Ahnung.
Und es gibt sogar Politiker, die Doktor der Physik sind, und nicht nur aus der Kohleverstromung und aus der Atomkraft gleichzeitig aussteigen (wollen) – sondern auch groß in die e-Mobilität einsteigen wollen.
Jürgen Baumann meint
Offenbar soll die Abhängigkeit von Öllieferungen gegen die von Akku Lieferungen getauscht werden. Ich bezweifle, dass das bei den Chinesen gut kommt.
Jörg2 meint
So direkt, wie sie sich (zu befürchten) in Abhängigkeiten von den Zellproduzenten begeben, war es vom Öl nicht. Das Benzin/Diesel-Preis-Problem haben ja eher die Nutzer und nicht die Autohersteller.
Allerdings sehe ich auch die Gefahr einer Kartellbildung ähnlich der OPEC. Wenn das so kommen sollte, dann wird ein Großteil der Autoindustrie am Nasenring durch die Manege geführt.
nilsbär meint
Ja, die Gefahr einer Kartellbildung ist bei den wenigen großen Zellherstellern wohl gegeben. Ich denke, Preisabsprachen gibt es bereits. LG Chem hat VW schon die Zähne gezeigt. Und von CATL können wir schon gar keine Wohltaten erwarten. Mit der rasch zunehmenden Zahl an E-Autos wird die Lage für die deutsche Autoindustrie bald besch..eiden werden.
Jörg2 meint
Warum sollten zum jetzigen Zeitpunkt asiatische Zellproduzenten Partnerschaften mit europäischen Autobauern eingehen?
Um dohende Überkapazitäten am Markt frühzeitig zu binden?
Um Zell-Know-how zu erhalten?
Um einer Preisflexibilität am freien Markt zu entgehen?
3x nein
Überkapazitäten drohen mittelfristig nicht. Wenn doch, dann legen z.B. die Chinesen fest, dass Autoimporteure die chinesischen Zellen zu nehmen haben.
Zell-Know-how scheint es bei europäischen Autobauern nicht zu geben.
Der Zellenmarkt ist z.Z. ein Verkäufermarkt. Die Preisflexibilität kommt den Zellenherstellern zu gute.
nilsbär meint
Partnerschaften von VW, BMW und Co. mit asiatischen Zellherstellern wären toll, nur haben diese kein Interesse daran. Die Zusammenarbeit von Conti mit SK Innovation ist gescheitert, andere nicht in Sicht. Die chinesische Regierung will die deutschen Autoproduzenten nicht durch Partnerschaften stärken, sondern diese schwächen, um Marktanteile für die eigenen Autos zu gewinnen. Da ist es logisch, dass CATL kein Batterie-Joint-Venture mit BMW gemacht hat, sondern jetzt mit Geely. Korea denkt wohl gleich. Und Panasonic ist fest mit Tesla verbunden.
Ich sehe keinen leichten Ausweg aus dem Zellen-Dilemma.
Karla meint
Vielleicht ein Grund warum die Industrie hier so ihre Zweifel an dem Elektroauto mit Batterien als Energiespeicher hatte?
Wovon ist Deutschland dann abhängig wenn es seine eigenen Zellfertigungen hat, verschiebt sich dadurch die Abhängigkeit derart dass sich das lohnt?
Was hätte Deutschland machen können (vor x Jahren) um diese Abhängigkeit selbst auf dem Rohstoffmarkt erst gar nicht entstehen zu lassen? Auch halb Afrika aufkaufen?
Wenn jetzt immerhin schon mal die Einsicht keimt dass es China gar nicht darum geht, da strategisch absolut im Vorteil, die auswärtigen Automobilbauer zu stärken, wo bitte ist da der Vorwurf an die Industrie belastbar (oder eventuell sogar erklärbar), sie hätten die E-Mobilität verschlafen oder nicht gewollt?
Freuen wir uns wirklich so sehr auf einen Zusammenbruch der europäischen Industrie? Ich lese hier ganz oft raus: Ja, absolut – die bösen Dinosaurier haben es verdient und alle die dahinter hängen.
Egal wie wir es wenden, egal wie die Wertschöpfungskette aussieht, am Rostoffzipfel wird immer ein Chinese stehen, dem die Mitarbeiter in der Afrikansichen Miene reichlich egal sind und auch die Europäische Wirtschaftskraft, die deutschen Renten und Beiträge in die Krankenkassen.
Jörg2 meint
@Karla
Es ist für mich nicht klar geworden, ob Du Deutschland oder Firmen in Deutschland meinst.
Der Staat sollte (außer im sozialen Bereich und bei grundlegenden infrastrukturellen Aufgaben) nicht als Unternehmen auftreten. Die Unternehmen haben zu unternehmen.
Sebastian meint
Traurigerweise sind unseren Unternehmen die afrikanischen (und auch andere) Menschen genauso egal wie den Chinesen. Nur wenn man halt überall Pressemeldungen schaltet, dass Kobalt und Lithium gaaaanz böse ist, um E-Autos zu verhindern, dann muss man jetzt so künstliche und gaaaanz sicher ernst gemeinte Fair-Trade-Shows aufziehen.
Die Schummelsoftware hatte ganz klar finanzielle Gründe und ging zu Lasten der Menschen. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass die Verantwortlichen auf einmal alle Philanthropen geworden sind.
nilsbär meint
Ja, Philanthropen sind unsere Verantwortlichen wohl nicht geworden (und waren es auch nie).
Anstatt für das Vergiften von Menschen in das Gefängnis zu gehen, gibt es hohe Boni, Abfertigungen und Rentenzahlungen. Ich hoffe, dass diese Herrschaften mit den E-Autos weniger Schaden anrichten können.
Aber die Masse der Menschen ist nicht besser. Allen meinen Bekannten geht es am Allerwertesten vorbei, was die Erdölindustrie im Allgemeinen und sie selbst im Speziellen anrichten. Traurig.
150kW meint
Die Chinesen sind nicht so blauäugig zu glauben das sie den gesamten internationalen Automarkt übernehmen. Daher ist es neben den BEV ebenso das strategische Ziel den Zell-Markt zu erobern. Das Feld wird man also wohl eher nicht den Koreanern oder Japanern überlassen. Sieht man ja schon daran das CATL in Deutschland baut (mit BMW Beteiligung). Ich wüsste daher nicht warum die Chinesen nicht auch über eine Partnerschaft langfristige Verträge ergattern zu versuchen sollten, falls das notwendig sein sollte.
Karla meint
Danke, 150kw, mit dir kann man diskutieren. Ja, also Chinas Ziel Nummer 1 (mit staatlicher Einmischung übrigens, aber mit den beiden Typen da oberhalb ist einfach nichts zu holen; Frag mich wie naiv man sein muss wenn man meint Politik und Wirtschaft würden sich nicht die Hand halten MÜSSEN um den Laden am Laufen zu halten, über das Ausmaß kann man natürlich diskutieren) wird die ökonomische Dominanz sein, Netto Export, denn nur so kommt Geld ins Land um die aktuell noch ruhig haltende Mehrheit an Unterschicht irgendwann mal hinreichend zufrieden stellen zu können.
Wenn sie mit Autos NICHT den Weltmarkt bedienen können oder dort die Zahlen erreicht haben die sie stemmen können und wollen, da gebe ich dir recht, da werden strategische Partnerschaften das Mittel zur Wahl für weitere Wertschöpfungen sein. Was bleibt ist dass Deutschland immer von den Chinesen abhängig sein wird und das sollte man sich sparen genauso wie die letzten 70 Jahre Abhängigkeit von den Ölscheichs.
eMobilitätsberater meint
Also doch Wasserstoffantrieb im PKW :-) Da werden wir unabhängig.
Leotronik meint
Das war eine Ohrfeige für die Autobosse. Es heisst immer wieder wie fit sie im Batterie know-how sind. Pustekuchen. Die kennen nur Powerpoint Präsentationen und denken das sie wieder Vorreiter sind.
Es ist klar dass die Asiaten immer die besseren Zellen einbauen werden weil die einfach einen besseren Draht zu den Zellenherstellern haben werden. Also werden europäische BEV immer 2. Wahl sein.
150kW meint
„Deutsche und europäische Politiker wollen, dass die hiesige Automobilindustrie die Batteriezellen für ihre Elektroautos nicht mehr nur aus Asien bezieht.“
Immer wieder erstaunlich das Polen und Ungarn in Asien liegen sollen :)
nilsbär meint
Ersetze ‚Asien‘ durch ‚asiatische Hersteller‘ und es passt wieder:-)
alupo meint
Bitte nicht vollständig die dort geplanten Kapazitäten unterschlagen.
Am besten vergleicht man sich mit den Plänen desr weltgrößten Anlage. Die steht in den USA und witrd gerade auf 105 GWh Zellkapazität und auf 150 GWh Akkukapazität erweitert.
Jetzt bitte eine %-Zahl ;-).
150kW meint
„Die steht in den USA und witrd gerade auf 105 GWh Zellkapazität und auf 150 GWh Akkukapazität erweitert.“
Da wird derzeit gar nichts erweitert. Die Gespräche mit Panasonic laufen wohl noch. Und wenn Panasonic Nein sagt, bleibt es (erst mal) bei 35GWh. Soweit zur „sicheren“ Zukunftsplanung von Tesla.
„weltgrößten Anlage.“
Ja, wenn einer z.B. 10 Fabriken a 5GWh hat, ist das natürlich nichts gegen eine weltgrößte Fabrik mit 35GWh :)
„Bitte nicht vollständig die dort geplanten Kapazitäten unterschlagen.“
15GWh bei LG in Polen 10GWh bei Samsung in Ungarn. Wobei LG eine Verdreifachung angekündigt hat.
Horst Krug meint
Wenn deutsche Autohersteller in China Elektroautos produzieren wollen, dann müssen die Batterien aus lokaler chinesischer Produktion gekauft werden, Sie dürfen noch nicht mal aus Südkorea kommen. Wenn aber nun deutsche Autohersteller im größten und wichtigsten Elektro Auto Markt der Welt, China, nur Batterien zukaufen dürfen, ist damit das Risiko für eine eigene Batteriefertigung zum Beispiel in Deutschland zu groß, eine deutsche Batterieherstellung wird sich niemals lohnen – ohne China. / Damit sitzen die deutschen Autohersteller in der zweiten Batteriefalle
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
In die „Batteriefalle“ hat man sich höchst freiwillig reinbegeben; dass in der Industrie die Zeit keine Wunden heilt, ist auch bekannt.
Je länger man wartet, umso schwieriger wird es sein, jemals Fuß zu fassen und vielleicht bessere Zellen als die Chinesen zu entwickeln.
Swissli meint
Die Empfehlung ist eigentlich das, was Tesla mit Panasonic hat.
Allerdings lässt sich ein Zellhersteller heute kaum mehr nötigen, gleich auch noch einen Teil der Investition für die Autoproduktion zu übernehmen. Aber das haben die „etablierten“ Autohersteller nicht nötig, weil Werke bereits vorhanden.
Im Übrigen: wenn Politiker Wirtschaftskapitäne spielen wollen, kommt das selten gut.
Harry meint
@swissli: genau. Anscheinend merkt die Deutsche Autoindustrie jetzt, dass man nicht eine x-beliebige Batterie bei einem Zulieferer aus Asien kaufen kann und damit ökonomisch und technologisch vorne mitspielen kann. Zudem sollten die Deutschen Tesla’s Beispiel folgen und die Herstellung mit erneuerbaren Energie betrieben.
So wird der viel gescholtene “CO2-Rucksack“ deutlich kleiner. Genau das wird übrigens bezüglich Tesla regelmässig bei “Studien“ unterschlagen, zuletzt vom BAFU, Schweiz.
150kW meint
“ Anscheinend merkt die Deutsche Autoindustrie jetzt, dass man nicht eine x-beliebige Batterie bei einem Zulieferer aus Asien kaufen kann und damit ökonomisch und technologisch vorne mitspielen kann“
Weil?
Swissli meint
Wichtig ist, dass die Autohersteller bei den Zelllieferanten diversifizieren (Teslas enge Verbandelung mit Panasonic könnte irgendwann auch nachteilig werden).
Beispiel: Hyundai bezieht die Zellen für den Kona von LG. Kia für das (technische) Schwesterauto E-Niro praktisch baugleiche Zellen von SK Innovations. Für den Kunden identisch.
Die deutschen Hersteller handhaben das meines Wissens ähnlich (je nach Modell anderer Lieferant). So müssen die Zellhersteller um jeden neuen (Gross-) Auftrag „kämpfen“. Dazu brauchts nicht mal viele Mitbewerber. Bei Flugzeugen sind es seit Jahrzehnten nur 2: Boeing und Airbus. Dort spielt der Wettbewerb trotz mickriger Anzahl Anbieter.
Harry meint
@150kW weil: Die aufgrund steigender Nachfrage urplötzlich mit dem Preis rauf gehen, siehe Audi. Tesla produziert seine Batterien 20% günstiger als der nächstbeste Konkurrent, LG .
Zudem Knowhow; keine Batterie im EV-Sektor hat so geringe Degradation wie die von Tesla. Die werkeln schliesslich schon über einer Dekade mit grossen Batterien/ -management.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
@ Swissli: Bin absolut Deiner Meinung. Politiker, die in Wirtschaftsunternehmen sich verwirklichen wollen, funktioniert nicht, wurde und wird oft genug bewiesen (siehe Bahn, Telekom).
Die Symbiose zwischen Tesla und Panasonic ist langfristig gesehen vielleicht riskant, bislang aber sehr erfolgreich. Jeder ist auf den anderen angewiesen, das Ergebnis ist Höchstleistung.
150kW meint
„Tesla produziert seine Batterien 20% günstiger als der nächstbeste Konkurrent, LG “
Tesla produziert keine Zellen. Und wenn die Zellen von Panasonic 20% günstiger als die von LG herzustellen sind, heißt das nicht das Tesla die auch 20% günstiger bekommt.
„keine Batterie im EV-Sektor hat so geringe Degradation wie die von Tesla.“
Keiner außer Tesla muss die Ladeleistung nach ein paar hundert Ladezyklen begrenzen um die Batterie zu schützen. Die Idee mit der Silizium Anode bei Tesla war keine besondere Innovation. Zumindest nicht aus Sicht des Kunden ;)