Die türkische Regierung und mehrere einheimische Unternehmen treiben den Marktstart der ersten inländischen Automarke voran. Anfang des nächsten Jahrzehnts soll das Premierenmodell eingeführt werden – ein Elektroauto. Der Chef des türkischen Autozuliefererverbands Alper Kanca hat mit dem Manager Magazin über den aktuellen Stand des Projekts gesprochen.
Ursprünglich sollte das türkische „Nationalauto“ auf Basis eines älteren Saab-Modells entstehen, die derzeit fünf mit der Entwicklung und Produktion betrauten türkischen Firmen setzen nun aber auf eine komplette Neuentwicklung. An der Spitze des Konsortiums steht ein türkischer Manager, der jahrzehntelang für den deutschen Zulieferer Bosch gearbeitet hat.
Alper Kanca vom lokalen Autozuliefererverband kündigte im Interview mit dem Manager Magazin an, dass die erste Baureihe ein Batterie-SUV wird. Der Preis sei noch offen. Kanca erklärte, dass Neuwagen in der Türkei wegen der Besteuerung doppelt so teuer wie in Deutschland seien. Er gehe davon aus, dass die Steuern für Elektroautos so weit heruntergesetzt werden, dass das Nationalauto für den durchschnittlichen türkischen Verbraucher günstiger als etwa ein neuer VW Golf mit Verbrennungsmotor sein wird.
„Das wird sicherlich kein Landauto, sondern ein Stadtauto für die türkische Mittelschicht und etwas darunter“, so Kanca. Nach aktuellem Stand soll das Modell im Jahr 2021 vorgestellt und ein Jahr später eingeführt werden. Das Konsortium plant bis auf weiteres mit unter Hunderttausend Fahrzeugen pro Jahr. „Das wird ein Auto für die Türkei, nicht für Übersee. Wir wollen mit dem Auto nicht die Weltmärkte erobern, da sind wir schon etwas bescheidener“, erklärte Kanca. Ein Export sei zu einem späteren Zeitpunkt allerdings durchaus möglich.
Zu den fünf Gründungsmitgliedern des türkischen Nationalauto-Konsortiums gehören zwei Unternehmen mit Erfahrungen in Automobilindustrie: Die Anadolu-Group und BMC betreiben in der Türkei Autowerke für internationale Marken. Die anderen drei Konsortiumsmitglieder kommen aus der Elektronik- sowie Mobilfunkbranche und sind für neue Technologien zuständig.
„Bei Elektroautos werden die Karten neu gemischt“
Die Pläne der Türkei für ein eigenes Auto stoßen in der Branche auf Skepsis, auch viele Leute in der Türkei haben laut Kanca ihre Zweifel. Er gab sich zuversichtlich, dass das Projekt ein Erfolg wird. „Bei Elektroautos werden die Karten neu gemischt, heute kann man leichter ein komplett neues Auto bauen“, sagte Kanca. Konkrete technische Daten zu dem geplanten Stromer gibt es noch nicht.
Zu den Investitionen für das elektrische Nationalauto ist noch nichts bekannt. Der türkische Staat selbst ist nicht finanziell beteiligt, unterstützt und bewirbt das Vorhaben aber öffentlich und sorgt für das nötige Engagement der beteiligten Unternehmen. Auch ausländische „und speziell deutsche Firmen werden mitentscheidend sein für gewisse Teile“, merkte Kanca an. „Es wird ein türkisches Auto, aber mit Unterstützung und Know-How ausländischer Firmen.“
Wie in den meisten Ländern ist in der Türkei die Infrastruktur für Elektroautos noch sehr schlecht. Die für den Ausbau zuständigen Ministerien wollen Kanca zufolge erst einmal abwarten, wie es mit dem einheimischen E-Auto-Projekt vorangeht. Er hält das für einen Fehler, hofft aber: „Wenn wir ein paar Schritte machen und sehen, dass das türkische Nationalauto vorankommt, dann kommt der Wind. Dann wird auch der Ausbau der Infrastruktur schneller gehen.“
BB meint
„günstiger als etwa ein neuer VW Golf mit Verbrennungsmotor“
Wenn die Türkei das schaffen würde wären sie weiter wir wir.
Daran sieht man, wie lange hier bei uns in der Autoindustrie geschlafen wurde…
Torsten meint
Das Statement bezieht sich auf die hohen Konsumentensteuern auf Autos in der Türkei und die bereits antizipierten Subventionen bei Elektroautos um deren Absatz anzukurbeln. Das ist also nur die selbe Industrieförderung wie überall (auch in Norwegen rechnen sich BEVs ja richtig wegen der deutlich niedrigeren Zulassungssteuer). Ich sehe nicht wo sie da weiter wären als irgendein anderer Hersteller.
Remo meint
+1
Felix meint
„Neuwagen in der Türkei wegen der Besteuerung doppelt so teuer wie in Deutschland“
Da wird die Besteuerung ein wenig geändert, und schon ist der Preis erreicht. Also keine Kunst, den Preis so niedrig zu halten.
Wännä meint
Ließe sich in D ebenfalls realisieren: anfangs ein oder zwei Cent pro Liter den Sprit verteuern (quasi Verkehrswende-Steuer), dann jährlich schrittweise erhöhen (auch zum Ausgleich entgangener KFZ-Steuer) und schon ist die Kuh vom Eis äh elektrisiert