Helmut Holzapfel leitet das Zentrum für Mobilitätskultur in Kassel. Die E-Mobilität sei „ohne eine generelle Verkehrswende keine Lösung“, meinte der Verkehrswissenschaftler im Interview mit Klimareporter.de. Die bisherigen Bundesverkehrsminister „hielten an den alten, autozentrierten Vorstellungen fest“, kritisierte er. Dies führe unter anderem dazu, dass es noch keine flächendeckende Ladeinfrastruktur für elektrische Pkw gibt.
„Das muss jetzt alles viel schneller und fachübergreifend realisiert werden, sonst fährt man die Klimafrage im Verkehr im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand“, forderte Holzapfel. Bei der Verkehrswende gehe es nicht nur um E-Mobilität, sondern um die klimaneutrale Zukunft des Verkehrs. „Dabei ist E-Mobilität nur ein Baustein“, sagte der Verkehrsexperte. Die Autonutzung sollte nicht aus Steuermitteln subventioniert werden, sondern aus Steuern und Abgaben der Autofahrer oder der Autoindustrie. Daraus wiederum könnten Investitionen in „eine echte Mobilitätswende“ finanziert werden, insbesondere in den Städten.
Vor allem in dicht besiedelten Stadtvierteln müsse es weniger Privatautos geben, so Holzapfel. Im Fokus sollten stattdessen neben einem besseren Bus- und Bahn- sowie mehr Fuß- und Radverkehr auch mehr Carsharing-Autos stehen. Zusätzlich brauche es neue Autoantriebe – Elektromotoren seien hier „durchaus ein Fortschritt“. Dass im nächsten Jahrzehnt Millionen neue Elektroautos auf die deutschen Straßen kommen, hält der Verkehrswissenschaftler nach aktuellem Stand für unrealistisch. Ohnehin sei unklar, „wo der zusätzliche Ökostrom herkommen soll“.
„Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur“ nötig
Eine große Zahl an Elektroautos könne nicht ohne „einen Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur“ versorgt werden, warnte Holzapfel. Dies gelte vor allem in den Stadtzentren. „Die Engpässe werden doch nicht beim Laden am Einfamilienhaus auftreten, das Minister Scheuer vor allem fördern will“, so der Stadtplaner. Er merkte an, dass der Energiebedarf des Verkehrs von kurzzeitigen, oft räumlich konzentrierten Nachfragespitzen gekennzeichnet sei.
Holzapfel sprach sich dafür aus, nicht nur einzelne, verstreute Ladesäulen aufzubauen. „In Tiefgaragen zum Beispiel sollte mindestens die Hälfte der Plätze elektrifiziert werden.“ Auch auf Parkplätzen von Supermärkten und Bürohäusern müssten Ladesäulen installiert werden, die idealerweise nachts Anwohner in der Nähe nutzen können.
Mit Blick auf den für saubere E-Mobilität nötigen Ökostrom gab sich Holzapfel skeptisch. Die Produktion müsse viel schneller ausgebaut werden, eine große Menge „grüne Energie“ werde so schnell aber nicht verfügbar sein. Man müsse zudem berücksichtigen, dass Ökostrom etwa auch für die Gebäudeheizung wichtig sei.
„Bei extremen Nachfragespitzen“, etwa im Urlaubsverkehr, könne man zusätzlich zu Ladestationen an Autobahnen am Wochenende, wenn nicht gearbeitet wird, Schnelllade-Säulen größerer Industriebetriebe am Stadtrand für Reisende freigeben, schlug Holzapfel vor. Er betonte: „Die Käufer von E-Autos brauchen Sicherheit, dass sie auch dann nicht liegenbleiben.“
brzzler meint
Kann vielem, was Holzapfel sagt, zustimmen… aber hier wiederspricht er sich doch : (1)
„Vor allem in dicht besiedelten Stadtvierteln müsse es weniger Privatautos geben, so Holzapfel. Im Fokus sollten stattdessen neben einem besseren Bus- und Bahn- sowie mehr Fuß- und Radverkehr auch mehr Carsharing-Autos stehen“ UND „nicht ohne „einen Quantensprung bei der Lade-Infrastruktur“ versorgt werden, warnte Holzapfel. Dies gelte vor allem in den Stadtzentren.“ ….Die Autos sollen doch raus aus den Stadtzentren, der öffentliche Transport sollte da stark überwiegen – also Lade-infrastruktur nicht so superkritisch.
(2) „Dass im nächsten Jahrzehnt Millionen neue Elektroautos auf die deutschen Straßen kommen, hält der Verkehrswissenschaftler nach aktuellem Stand für unrealistisch“ …. im nächsten Jahrzehnt, also bis 2030 ? wenn da nicht 1 Mill. Elektroautos in Deutschland auf die Strassen kommen, dann weiss ich auch nicht ! In Norwegen sind es jetzt schon über 200 000 ( und in Deutschland werden es wohl bald auch 100 000 sein). Und er ist Verkehrswissenschaftler ?
Das ,was die ganze Entwicklung zur e-Mobilität aufhalten (verzögern) kann, ist die Frage der Verfügbarkeit an Batterien (und deren Rohstoffe) – und weder der Aufbau der erneuerbaren Energien, noch der Aufbau der Ladeinfrastruktur. Denn beides wird (langsam aber sicher) weiter vorangebracht werden.
eMobilitätsberater meint
@brzzler: Er hat von Millionen !!! gesprochen, nicht von 1 Million. Und da wird er wohl nicht ganz falsch liegen.
Ladeinfrastruktur in den Städten ist sehr wohl kritisch. Rotes Rathaus Berlin: ! Eine mit 22 KW. Also 2 Ladepunkte und oft von Verbrennern zugeparkt.
Wenn die Anzahl der Fahrzeuge in der Innenstadt um 50 % reduziert würde, die dann überwiegend elektrisch fahren, müssten auch die geladen werden. Ich denke er meinte es so, oder so ähnlich. Dieser Berichtmüsste jede Woche, immer und immer wieder den Politikern vorgelesen werden.
Josef meint
Es frustriert mich immer wieder, wie „Experten“ plötzlich für E-Autos offenbar Strom aus erneuerbarer Energie als Voraussetzung betrachten.
Hallo, wir betreiben seit x Jahrzehnten ein öffentliches Stromnetz! Dieses muss erneuerbar gespeist werden, völlig unabhängig davon, ob jetzt ein paar Prozent davon für E-Autos verwendet werden. Kohlekraftwerke waren schon immer ein Problem, nicht erst wenn wir mit dem Strom Autofahren wollen!
brzzler meint
Sehr richtig kommentiert !
1000 Ionen immer weiter... meint
Warum macht man es dann Eigenheim Besitzern so schwer, eine Photovoltaikanlage zu installieren? Bei einer Vollfinanzierung rechnet sie sich auf 20 Jahre nicht.
Dabei würde das so viele Probleme auf einmal lösen
stan meint
PV rechnet sich immer, egal ob mit Eigenkapital oder Vollfinanzierung.
Die richtigen Partner (PV Installateur, Bank) zu finden, ist mitunter schwierig.
Kritisch wird es dann, wenn man noch einen (unnötigen) Speicher dazunimmt.
Besser das Dach vollmachen.
A124 meint
Immer dieses „Quantensprung“-Gerede. Das ist ein Widerspruch zur physikalischen Bedeutung, obwohl hier auch noch eine große Veränderung gemeint ist. Genau so ein BS Bingo wie beim „Super-GAU“.
Es muss endlich massiv die Infrastruktur, vor allem in Städten, angegangen werden. Und hier mithin Mehrfamilienhäuser ohne TG’s. In den Städten müssen die Emmissionen runter.
eMobilitätsberater meint
@A124: Zweiter Absatz, alles richtig, aber es macht nur keiner. Und genau das kritisiert Er ja hier.
Redlin, Stefan meint
Es braucht für die Lade-Infrastruktur eine andere Denkweise. Ladesäulen (nicht DC an Highways) sind nur Zapfstellen im öffentlichen Netz, wie Haushalte mit Stromzähler. Jeder Autofahrer wohnt auch und hat somit einen Vertrag mit irgendeinem Anbieter für zu Hause. Über den müsste man abgerechnet werden, wenn man egal wo auch immer AC geladen hat. Mehr brauchts nicht. Stichwort Fahrstromverträge.
Sebastian meint
Es gibt viel zu tun. Auch beim Ausbau Erneuerbarer Energien. Gehen wir es an.