Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), hat im Gespräch mit der Bayerischen Staatszeitung über Elektromobilität in Deutschland und den Stand der alternativen Antriebsart in seinem Bundesland gesprochen. Mit einem lokalen Autohersteller ging er streng ins Gericht.
Es gehöre „zu den schwersten Aufgaben eines Unternehmers, sich von einem gut laufenden Geschäftsmodell rechtzeitig zu verabschieden“, so Fischer. Da „BMW und Co.“ noch nicht nicht restlos davon überzeugt seien, dass der Verbrennungsmotor für Autos ausgedient hat, würden sie jedoch zwangsläufig gegen Firmen verlieren, die für die Elektromobilität „brennen“. BMW habe mit dem Elektroauto-Kleinwagen i3 im Jahr 2013 angefangen, „und dann war jahrelang quasi Sendepause“, kritisierte Fischer. Er fahre daher lieber Tesla.
Zu der von vielen deutschen Politikern geforderten einheimischen Batterieforschung und -fertigung sagte Fischer: „Jeder investierte Euro in Speichertechnologien ist gut investiertes Geld.“ Es gehe dabei aber nicht nur um Akkus, sondern auch Technologien wie „Power-to-X“, um eine bedarfsgerechte Energienutzung zu ermöglichen. Wo die Produktion von Batterien stattfindet, hält der Verbandschef für zweitrangig. Wichtig sei vor allem, dass sich deutsche Unternehmen mit ihrem Know-how maßgeblich an der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb der entsprechenden Fabriken beteiligen.
Die Freude über die zunehmende Bedeutung der Elektromobilität hält sich bei vielen Mitgliedern des VBEW offenbar noch in Grenzen. „Unser Wirtschaftszweig hat sich halt mit der Erdgasmobilität schon einmal die Finger bei einem Mobilitätsthema verbrannt und agiert jetzt bei der Elektromobilität entsprechend vorsichtig“, erklärte Fischer. Er „halte das für falsch“ und habe deshalb auch „ein paar ‚Freunde‘ weniger“.
25 Prozent mehr Stromverbrauch als heute
Der VBEW-Geschäftsführer kritisierte, dass „das am besten ausgebaute Schnellladenetz in Europa nicht von einem Energieversorger sondern von einem amerikanischen Elektroautohersteller betrieben wird“. Er bezog sich damit auf die „Supercharger“-Infrastruktur von Tesla. Das Schnelllade-Angebot des US-Herstellers sei fast so, als würde Audi Tankstellen betreiben, „um Sprit und Harnstoff zu verkaufen“.
Kritiker der E-Mobilität warnen, dass das Stromnetz nicht genügend Energie vorhält, außerdem sei es nicht auf das gleichzeitige Laden vieler Batterie-Fahrzeuge vorbereitet. Dazu Fischer: „Wenn alle Pkws (E-Scooter eingeschlossen) elektrisch fahren würden, dann bräuchten wir in etwa 25 Prozent mehr Strom als heute.“ Da der E-Motor dreimal effizienter arbeite als ein Verbrennungsmotor, entfalle dafür die dreifache Energiemenge an Diesel und Benzin. Die „Gutschrift an die Scheichs und die Russen würde daher entsprechend kleiner“. Hinzu komme, dass sich die Stromerzeugung aus Photovoltaik auf dem eigenen Dach mit der E-Mobilität „recht ordentlich“ ergänze.
Mit Blick auf die Belastbarkeit der Stromnetze in Bayern sagte Fischer, dass diese in den ländlichen Räumen in den vergangenen Jahren aufgrund des Photovoltaik-Booms bereits verstärkt worden seien. Davon profitiere jetzt die Elektromobilität. Anders sehe es in den Städten aus. „Dort wird man aufgrund der Elektromobilität in einigen Jahren zu netzverstärkenden Maßnahmen in einem überschaubaren Umfang greifen müssen. Dort gab es bislang kaum Netzausbau wegen Photovoltaik und Co.“, erklärte der Experte.
Die Energiewende komme über die Elektromobilität in der Stadt jetzt erst richtig an, meinte Fischer. Die Kosten dafür würden sich aber in Grenzen halten: Der Stromverbraucher werde dies „gar nicht merken, da sich die Mehrkosten auf eine größere Strommenge verteilen“. Ein größere Herausforderung seien die Baustellen, damit müsse man in der Stadt jedoch klarkommen.
Fischer äußerte sich auch zu der Diskussion um die Umweltbilanz von Elektroautos. „Ganz klar: Die Elektromobilität alleine rettet die Welt nicht vor dem Untergang“, sagte er. „Der Unsinn“, der über die Ökobilanz der E-Mobilität von teilweise hochangesehenen Menschen zu Papier gebracht werde, sei allerdings erschreckend. „In mindestens zehn seriösen Studien“ sei mittlerweile nachgewiesen, dass ein Elektroauto schon heute über seine komplette Wertschöpfungskette und Lebensdauer gerechnet eine bessere Ökobilanz aufweist als ein vergleichbarer Verbrenner. Und das künftige Potenzial der Antriebsart, noch umweltfreundlicher zu werden, sei anders als bei Verbrennern „enorm“.
Verbrennerscheucher meint
Bei BMW wird gerade ein Posten frei. Herr Fischer sollte sich bewerben. Seinen TESLA müsste er dann wohl allerdings in der Entwicklungsabteilung zum auseinandernehmen abgeben.
Railfriend meint
25 % mehr Stromverbrauch durch BEV, dazu kommt noch die WP.
Zugleich fällt bald die Grundlast weg. 50 % Kohle- und Atomstrom.
Damit der Verkehr bei Dunkelflaute nicht stehen bleibt und der Reststrom dann unbezahlbar teuer (siehe Regelenergiestrompries vor ein paar Tagen) wird, ist EE-Technologievielfalt sinnvoll. Z.B. mit Solarkraftstoff, der aus einem Quadratkm täglich 20 t EE-Kraftstoff = 200.000 kWh produziert. Wohlgemerkt speicherbare Energie.
Reiter meint
Also mal aus dem Stegreif: Treibstoffverbrauch weltweit 2016: 4.418.000.000.000 L
/ 20t/km / 365 = 602 500 Quadratkilometer
Dann haben sie ja die Atacamawüsten-Salzpfannen gerettet, wenn wir die Saharawüste mit einmal Frankreichgröße-inklusive -Überseeprovinzen zubauen (CO2 neutral natürlich)!
Railfriend meint
Ihre Angst vor Technologievielfalt ist bekannt-ecomento-konform.
Keine Antwort zu den genannten Fakten.
Stattdessen schieben Sie gekonnt den Welt-Treibstoffverbrauch vor…
Und rechnen nicht:
Welche PV-Flächen brauchen Sie für batteriebetriebene Überseeschiffahrt und die Luftfahrt – falls Sie überhaupt am Ziel ankommen, da Sie primär Batterien spazieren fahren. Welche PV-Flächen für den weltweiten Auto-, Lkw- und Bahnverkehr ?
Falls im Treibstoffverbrauch auch noch das Heizöl enthalten ist, kommen die PV-Flächen dazu auch noch oben drauf.
Jabu Banza meint
Ohje, die Stromlobby versucht schon ihre Pfründe zu retten.
Scheint ja grad einiges in Bewegung zu sein.
Wieviel Dach braucht es wohl für eine 1200kW Ladestation? ;-)
Wännä meint
„Das Schnelllade-Angebot des US-Herstellers sei fast so, als würde Audi Tankstellen betreiben, „um Sprit und Harnstoff zu verkaufen“.“
Made my day
agdejager meint
Genau so ist es. Endlich mal jemand der die Wahrheit spricht.
Andreas meint
Wow. Erst dachte ich, dies sei wieder eine dieser Betonköpfe aus der Energiewirtschaft und dann auch noch aus dem BWW-Lager.
Weit gefehlt. Die Fakten sind endlich mal okay und auch die Analyse.
Vielleicht könnten dann die Medien auch mal umschwenken von wilden Anekdoten und veralteten Studien zu einer klaren Information an die Verbraucher.
Denn die meisten sind verunsichert und bringen vieles durcheinander.
Was aber wahrscheinlich erwünscht ist.
PS: Wäre auch gut, wenn mehr Stadtwerke endlich aus dem Dämmerschlaf erwachen.
Skeptiker meint
Wer zuviel Wahrheit sagt, verliert immer mal ein paar Freunde.
Was soll’s. Aber der Herr hat vollkommen recht und ist aus dem Metier, versteht also was davon.
Ich kann auch sie so oft verbreiteten Halbwahrheiten mit Zusammenbruch des Stromnetzes echt nicht mehr hören.
Bei mir in der Straße hat jeder einen elektrischen Durchlauferhitzer und jeder zweite eine Klimaanlage. Fragt da einer danach wenn die bei der Hitze alle duschen und die Klima anhaben?
So ein Durchlauferhitzer zieht bei 16A locker 3000 Watt und die Klimaanlage auch nicht viel weniger.
Und ja, der Strom ist bei der Hitzewelle tatsächlich an manchen Orten ausgefallen, weil es windstill war.
Aber da sieht man mal, dass etwas mehr Photovoltaik Zubau sicher ganz gut wäre, bei dem tollen neuen Klima jetzt.
PharmaJoe meint
Soweit stimme ich zu, nur eine Korrektur: Ein Durchlauferhitzer leistet zwischen 10 und 21kW an drei Phasen (je zwischen 16 und 32A), das aber nur kurzzeitig. Dafür lädt ein Elektroauto über Nacht selten mit mehr als 3-4kW.
Und wenn in einer Straße morgens mehr als drei Familien duschen oder abends die Wanne füllen, bricht auch nichts zusammen.
JürgenV meint
Das nenne ich mal ein eindeutiges Signal. Sehr treffende Aussagen. Jetzt muss das nur noch in die sturen Betonköpfe. Wenn jetzt nur 50% der Zögerer und Zauderer endlich Gas geben würden, dann, ja dann wird das auch was.
Futureman meint
Am Anfang des Smartphonebooms hatten auch nicht gleich 100% der Handyanbieter entsprechende Produkte im Programm. Alles Anbieter, die zu lange gewartet haben, gibt es nicht mehr. Da der Lebenszyklus eines Autos rund 3-4 mal länger als bei einem Handy ist, dauert es nur entsprechend länger bis die ersten Hersteller schießen. Alleine die Reihenfolge der Schließungen steht noch nicht fest. Vielleicht hat ja jemand einen Tip, welche 10 Hersteller in welcher Reihenfolge schließen oder verschwinden werden….
nilsbär meint
So riesige, multinationale Konglomerate wie die großen Autohersteller und Zulieferer verschwinden nicht einfach. Ich denke eher an Übernahmen, Rückzug von Märkten, Aufgabe/Verkauf von Geschäftsbereichen und Firmenstandorten, Verlagerung in Niedriglohnländer. Die Zulieferer wird es zuerst treffen. Der einfachere Aufbau von E-Autos zwingt die Hersteller dazu, zunehmend mehr Teile selbst zu fertigen, um die eigenen Werke auszulasten. Zusammen mit dem Rückgang des Aftersales-Geschäfts wird das für die meisten Zulieferer ein dramatisches Schrumpfen bedeuten, für viele auch die Pleite. Ich könnte mir vorstellen, dass es in 20 Jahren keinen europäischen Volumenhersteller mehr gibt und von den Premiumherstellern nur mehr Porsche. BMW und Audi wird es nicht mehr geben, höchstens noch als kleine Nischenanbieter. VW wird vielleicht nur mehr Nutzfahrzeuge herstellen, ebenso Daimler. Die Besitzverhältnisse werden sich dramatisch ändern. Chinesen und Inder werden das Sagen haben.
Puh, jetzt braucht meine Glaskugel aber eine Pause:-)