Elektroautos werden aufgrund ihrer steigenden Verbreitung in Zukunft zwangsläufig an mehr Unfällen beteiligt sein. Dass sich Stromer in mehreren Aspekten von herkömmlichen Autos unterscheiden, wirkt sich laut dem Versicherungsunternehmen AXA auf das Unfallgeschehen aus.
Erste Auswertungen der bisherigen Schadenzahlen zeigten, dass die Schadenfrequenz von Elektroautos insgesamt vergleichbar ist mit jener von anderen Autos. Allerdings gibt es AXA zufolge je nach Fahrzeugklasse klare Unterschiede: Während E-Autos im Bereich Microklasse/Kleinwagen etwa 10 Prozent weniger Schäden als herkömmlich betriebene Autos der gleichen Fahrzeugklasse verursachten, sei die Schadenfrequenz bei größeren, PS-starken Modellen der Kategorie Luxuswagen/SUV rund 40 Prozent höher. Einen Grund dafür sehen die Unfallforscher im Beschleunigungsverhalten.
Elektroautos beschleunigen dank des unmittelbar anstehenden Drehmoment sehr schnell und immer gleich stark. „Die maximale Beschleunigung ist sofort verfügbar, während es selbst bei PS-starken Verbrennungsmotoren noch einen Moment dauert, bis die maximale Beschleunigung erreicht wird. Das stellt neue Anforderungen an die Fahrerinnen und Fahrer“, erklärt Bettina Zahnd, Leiterin Unfallforschung & Prävention bei der AXA. Die Hälfte der von der Versicherung kürzlich befragten Schweizer Fahrer eines E-Autos habe erklärt, dass sie beim Wechsel auf den Stromer ihre Fahrweise aufgrund des veränderten Brems- und Beschleunigungsverhaltens anpassen mussten.
„Wer ein Auto fahren kann, kann nicht zwingend jedes Auto fahren. Neben der klassischen Fahrausbildung sind vermehrt auch spezifische Kenntnisse der einzelnen Fahrzeugtypen wichtig“, so Zahnd. Speziell bei elektrischen Autos müsse man sich erst an die Technik und ihre Eigenheiten gewöhnen, bevor man das Fahrzeug sicher bedienen kann.
Ein Unfall mit einem Elektroauto ist für die Insassen ähnlich gefährlich wie mit einem konventionellen Auto. Sie absolvieren die gleichen Sicherheitstests und sind mit den gleichen Sicherheitselementen wie steifer Fahrgastzelle und Airbags ausgestattet. Bei einer sehr heftigen Kollision wird bei E-Autos zusätzlich die Hochvoltanlage ausgeschaltet, damit das Fahrzeug nicht mehr unter Spannung steht. Je nach Unfall kann es jedoch vorkommen, dass die Batterie beschädigt wird und einen Brand auslöst.
„E-Autos brennen zwar nicht häufiger als andere Fahrzeuge, doch wenn sich eine Batterie entzündet, brennt sie sehr schnell und kann kaum mehr gelöscht werden“, sagt Zahnd. In solch einem Fall gehe es nur noch darum, die Insassen möglichst schnell aus dem Auto zu befreien und in sichere Distanz zu bringen, um sie vor Verbrennungen und giftigen Dämpfen zu schützen.
Eine weitere Besonderheit von Elektroautos ist, dass sie sehr leise sind. Insbesondere das Starten des Motors ist kaum zu hören. In der EU müssen seit Juli 2019 alle neuen Typen von Hybrid- und Elektrofahrzeugen zum Schutz von Fußgängern mit einem akustischen Warnsignal (Acoustic Vehicle Alerting System, kurz AVAS) ausgerüstet sein. Für ältere Modelle gilt keine Nachrüstungspflicht. AXA empfiehlt Besitzern eines E-Autos, dieses freiwillig mit einem Geräuschgenerator auszustatten.
Assistenzsysteme kein Ersatz für den Fahrer
In Elektroautos kommen vermehrt moderne Fahrerassistenzsysteme zum Einsatz. Auch andere neue Fahrzeugmodelle werden mit Assistenzsystemen ausgestattet, E-Auto-Fahrer sind laut der AXA-Umfrage aber generell interessierter an technischen Innovationen, kennen mehr Assistenzsysteme und nutzen diese auch häufiger. 99 von 100 E-Auto-Fahrern, deren Fahrzeug mit einem sogenannten Autopilot ausgestattet ist, gaben an, dass sie diesen auch nutzen, mehr als die Hälfte sogar oft oder immer, am häufigsten auf der Autobahn und auf Überland-Strassen.
AXA habe in unterschiedlichen Studien nachgewiesen, dass Fahrerassistenzsysteme, insbesondere der Notbremsassistent und das elektronische Stabilitätsprogramm, helfen können, Unfälle zu vermeiden. Mit der zunehmenden Automatisierung steige allerdings die Gefahr, dass Fahrer der Technik blind vertrauen. Bereits heute seien diverse Unfälle bekannt, bei denen – vermutet oder nachgewiesen – der Fahrer zu viel Vertrauen in ein System hatte.
„E-Autos sind im Prinzip genauso sicher wie andere Fahrzeuge. Fahrerinnen und Fahrer sowie andere Verkehrsteilnehmer müssen sich jedoch auf ihre Besonderheiten einstellen und den richtigen Umgang damit finden“, so Zahnd abschließend. „Dasselbe gilt für Fahrerassistenzsysteme. Alle heute verfügbaren Systeme müssen ständig überwacht werden. Sie können den Fahrer zwar unterstützen, aber man darf sich nicht zu sehr auf sie verlassen, um die eigene Sicherheit und die der anderen nicht zu gefährden.“
NL meint
Was für eine Erkenntnis von AXA, bravo! ;)
jomei meint
Was nicht berücksichtigt wurde, ist der Unterschied zwischen Schaltern und Automatik beim Verbrenner, und E-Fzge sollten mit letzerem verglichen werden. Bin zuletzt Automatik gefahren, und das ist wesentlich entspannter, lässt den Blick konzentrierter auf dem Verkehrsgeschehen, als im Stadtverkehr mit so einer dämlichen Stange ständig herumzurühren und mit dem linken Fuß regelmäßig zu treten.
eDidi meint
„… Insbesondere das Starten des Motors ist kaum zu hören“ Müsste es nicht heißen: …das Starten des Fahrzeugs ist kaum zu hören“? Die Vorstellung, wie das beim e-Auto mit dem Motor funktioniert ist wohl für viele schwierig“. Wenn der Motor eines e-Autos startet, bewegt sich das Fahrzeug sofort! :-)
Herbs meint
Käufer von Autos mit 400+PS waren auch früher schon nicht generell als besonders defensive Fahrer bekannt.
Würde mich wundern, wenn das übermäßig mit der Abriebsart zusammenhängt… Wobei man vermutlich noch berücksichtigen muss, dass man Teslas ja gar nicht mit wenig PS bekommt und selbst defensive Fahrer da mit mehr PS fahren MÜSSEN, wenn sie einen haben wollen.
Herbs meint
Antrieb, nicht Abrieb.
alupo meint
Ja, mir ging es auch so.
Ich habe das PS-schwächste Modell genommen was es in Verbindung mit hoher Reichweite gab. Es wurden somit 421 PS.
Ich habe mich daran gewöhnt und nutze die Leistung nur gelegentlich. Zum Glück kam per Update eine Taste in der Bedienung neu hinzu, die es zum Kaufzeitpunkt noch nicht gab. Damit kann man den „lässig“- Modus einschalten und es wird die Leistung auf ca. 270 PS reduziert. Der Pedalweg ist damit angenehm länger, pro PS. Ich verwende diesen „lässig“-Modus zu ca 95 %.
Aber gelegentlich schalte ich ihn temporär aus wenn ein nebenstehender Premiumfahrer oder ein Mopedfahrer meint, seine PS-Stärke demonstrieren zu müssen. Ich lasse mir von so einem Vollgas-Dreckfinken doch nicht meinen großen HEPA-Innenraumluftfilter verschmutzen. Soweit kommt es nicht….
Skeptiker meint
Ich kann bestätigen, dass die heutigen Assistenz Systeme noch nicht ganz zuverlässig arbeiten.
Irgendwie so wie mit den ersten Touch Screen Handys.
Noch ein paar Jahre und die Systeme sind viel zuverlässiger.
Bsp.:
Der adaptive Tempomat. Biegt der Vordermann ab, beschleunigt das eigene Auto sehr heftig, was insbesondere an einer Kreuzung sehr kontraproduktiv ist.
Lösung: Die Navi Daten müssen unbedingt mit berücksichtigt werden. Vor einer Ampel/Kreuzung macht heftiges Beschleunigen keinen Sinn.
JuergenII meint
„E-Autos sind im Prinzip genauso sicher wie andere Fahrzeuge. Fahrerinnen und Fahrer sowie andere Verkehrsteilnehmer müssen sich jedoch auf ihre Besonderheiten einstellen und den richtigen Umgang damit finden,“
Wie lange wird es dauern, bis die Lobbyisten der alten Hersteller einen gesonderten EV Führerschein verlangen, den jeder Käufer vor Kauf erwerben muss …..
Der Fahrschullererverband wird sicher sofort dafür sein. Problem wird nur sein, dass die Fahrschulen gar nicht so viele EV’s kaufen können, da nicht vorhanden. [/Ironie]
alupo meint
Eine Fahrschule in Deutschland bildet schon auf einem Model 3 aus.