Die Schweizer Elektroauto-Knutschkugel Microlino sollte eigentlich Ende 2017 auf den Markt kommen, wird nun aber erst 2021 eingeführt. Wesentlich verantwortlich dafür ist ein Gerichtsstreit mit dem früheren Produktionspartner Artega aus Deutschland. Die Firmen haben sich mittlerweile geeinigt und bringen jeweils eigene Mini-Stromer auf den Markt. Die Macher hinter dem Microlino sprachen vor kurzem mit dem Schweizer Tagesanzeiger über die Hintergründe.
Hinter dem Microlino steckt das mit Tretrollern und Kickboards erfolgreiche Familienunternehmen Micro Mobility Systems aus Zürich. Vorangetrieben wird das Projekt vor allem von den Söhnen des Gründers Oliver und Merlin Ouboter. Ursprünglich sollte der italienische Auftragsfertiger TMI den Microlino bauen. Mit diesem habe man „quasi auf Handshake-Basis zwischen zwei Familienunternehmen“ einen Vertrag geschlossen, erklärte Merlin Ouboter.
Mit der Übernahme von TMI durch Artega im letzten Jahr habe das Microlino-Team dann „einen Partner bekamen, den wir uns nicht ausgesucht haben“. Denn eine sogenannte „Change-of-Control“-Klausel sei nicht vereinbart worden. „Wir wären nie im Leben drauf gekommen, dass das ein Risiko ist. Wir waren euphorisch beim Projektstart“, räumte Merlin Ouboter ein.
Klaus Dieter Frers, Chef von Artega und dem deutschen Autozulieferer Paragon, kündigte bereits kurz nach der Übernahme von TMI einen eigenen, dem Microlino sehr ähnlichen Stromer an – den Karolino. „Das war natürlich ein Schock für uns und hat auch gezeigt, dass wir als Partner wohl nicht allzu gut zusammenpassen“, so Merlin Ouboter. Vor Gericht konnten die Schweizer den Karolino zunächst stoppen, arrangierten sich später dann aber mit Artega.
Die Vereinbarung sieht vor, dass Artega mit seinem nun Karo-Isetta heißenden Gefährt eine eigene Version des Microlino einführen darf. Das deutsche Fahrzeug soll schon bald ausgeliefert werden, das Schweizer Konkurrenzmodell kommt erst im nächsten Jahr. Die Ouboters nehmen es sportlich und sehen den Karo als Bestätigung für ihre Idee. Die E-Mobilität sei in der Zwischenzeit zudem immer populärer geworden. „Das Potenzial unseres Projekts ist wegen des gesellschaftlichen Wandels gestiegen, insofern profitieren wir auch von all diesen Verzögerungen“, meinte Oliver Ouboter.
Auch die Käufer des Microlino sollen von dem späteren Start profitieren. Der Wagen sei zwar bereits fertigentwickelt gewesen und habe schon vor zwei Jahren die Zulassungstests bestanden. „Aber es zeigte sich, dass das Fahrzeug bei weitem nicht unseren Ansprüchen genügt“, sagte Merlin Ouboter. Sein Bruder Oliver verriet, dass der Komfort nicht gut war und es Probleme mit der Dichtigkeit gab. Auch das Fahrverhalten habe noch Verbesserungspotential aufgewiesen.
Von den Vorbestellern des hierzulande ab 12.000 Euro kostenden Microlino sind wegen der Verzögerung laut Merlin Ouboter „nur zwei oder drei“ abgesprungen. Es würden außerdem immer neue Reservierungen eingehen. Das Vormerken ist allerdings kostenlos, die Finanzierung des Startups erfolgt bislang exklusiv mit den Einnahmen aus dem Geschäft mit den Scootern von Micro Mobility Systems.
nilsbär meint
Es ist leicht, ein paar Autos in Handarbeit zu bauen und um 12.000 Euro zu verkaufen.
Die Einnahmen aus dem Scooter-Geschäft würden es wohl auch erlauben, diese Autos einfach zu verschenken. Eine rentable Serienfertigung ist aber etwas ganz anderes (wie auch Dyson und selbst Tesla feststellen mussten).
Die genannten Verkaufspreise sind daher einfach Lockangebote (auch die vom E.go, Sion u.a.), die vielleicht für die ersten hundert Käufer gelten, aber auf Dauer nicht eingehalten werden können.
Frank meint
Bisher ging die Aufrüstungs-Spirale immer nach oben, denn das eigene Fahrzeug sollte größer und sicherer sein als das des potentiellen Unfallgegners.
Es gibt aber auch einige die an der Richtigkeit dieses SUV Wahns für unsere heutige Gesellschaft zweifeln in der unsere Hauptaufgabe die Bewältigung der Klimakriese ist.
Der Fußgänger kann sich in der heutigen Welt dann nur schützen, in dem er möglichst sein Haus oder SUV nicht verlässt.
So gibt es immermehr, die mit einem Kleinstfahrzeug die SUV-Fahrer mit ihrem unsozialen Verhalten bloßstellen wollen.
Franz Mueller meint
Warum ist es unsozial einen SUV fahren zu wollen?
Mein Audi Q3 SUV ist nicht länger oder schwerer als ein Audi A4, bietet aber fast den gleichen Innenraum und eine übersichtliche Sitzposition. Normverbrauch ist lediglich ein halber Liter Diesel mehr.
Sobald es den Q4 Etron gibt, steig ich elektrisch um.
Unverständlich für mich ist es, wie man ein solches Fahrzeug ohne Knautschzone fahren möchte. Da werden ja schon kleine Rempeleien auf dem Parkplatz lebensgefährlich für die Insassen.
Frank meint
Wir hatten mal einen A2 (noch im letzten Jahrtausend entwickelt), der war der Benchmarkt für niedrigen Verbrauch 3,6Liter /100km langfristverbrauch auf der Straße (und das bei relativ hoher Sitzposition und er war Innenraumwunder- man konnte Waschmaschine und Trockner gleichzeitig transportieren) – die heutigen Autos (SUVs) brauchen tatsächlich im Schnitt sicher das doppelte – ich halte das für unsozial unser Klima dafür zu zerstören.
PS: Heute fahren wir ein Model 3 das braucht im Lanfristigen Schnitt 17kWh/100km also die Energiemenge, die in 1,7Litern Diesel steckt.
Unser TWIKE braucht 5kWh/100km (0,5Liter)
Swissli meint
Ist es nicht auch unsozial, dass Tesla Käufer (und viele andere E-Auto Käufer jenseits von Mittelklasseautos) von der Allgemeinheit (auch Wenigverdienern) subventioniert werden?
Woher kommt eigentlich die Idee, dass wegen eines neuen Antriebsstranges (BEV) die Leute andere Autobauformen kaufen werden, zumal sich diese über Jahrzehnte im Alltag bewährt haben?!
Alex E. meint
Ja, es ist unfassbar. Viel unprofessioneller geht es kaum noch. Aus diesem Grund werden wir definitiv keinen Microlino kaufen.
Wenn schon das Markting seit Jahren so herumstümpert – wie wird dann erst die Qualität des Fahrzeugs aussehen.
Sehr schade.
Franz Mueller meint
Was stimmt eigentlich nicht mit den Firmengründern? Wenn man ein Fahrzeug nicht selbst entwickeln und produzieren kann, dann sollte man es lassen. Wenn eine andere Firma das kann und zuerst damit auf dem Markt kommt, dann sollte man ebenfalls nicht weiter machen.
Der Markt für solche Quetschkugeln ist sehr sehr klein, fast genauso klein wie der Microlino sein wird wenn er mit einem der vielen vielen SUVs zusammenstößt. Der Markt wird nicht mal für einen Isetta-Klon da sein, und auf jeden Fall nicht für zwei.
Wenn die ihr Geld einfach in Tesla Aktien stecken würden wären Sie wesentlich besser bedient als dieses Projekt weiterzuführen.
Swissli meint
Naja, Musk hätte sich nach dem Verkauf der Paypal Anteile auch zurücklehnen und es sich gut gehen lassen können. Seien wir doch dankbar, dass es immer wieder Pioniere gibt, die den inneren Antrieb haben, Fortschritte für die Menschheit zu erzielen.
Und wenn solche Leute ihr eigenes Geld dafür einsetzen, umso respektabler.
Von Unternehmen deren Businessmodell „Plagiat“ ist, verdienen weniger Respekt.
Für den Microlino sehe ich einen kleinen Markt für sympathische Werbefahrzeuge (wie in den Anfängen der Smart) bzw. Kleintransporte in Städten, also Pizzalieferant, Kurier usw.
Da in Städten sowieso immer mehr Tempo 30 flächendeckend kommt, dürfte die Unfallgefahr relativ klein sein.
Wännä meint
@Franz Mueller
Es ist immer das Gleiche: wenn einem SUV-Fahrer die Argumente für seinen Monsterklumpen ausgehen, bleibt ihm nur noch die passive Sicherheit, mit der er sich brüsten kann…als Auswuchs der Ellenbogengesellschaft
Franz Mueller meint
Kannst ja gern deine Familie damit als Zweitwagen fahren lassen. Ich lasse meinen aus Gründen der Impulserhaltung jedenfalls nicht in Fahrzeugen unter 1.5 Tonnen einsteigen.
Der Microlino ist mangels Knautschzone und mangels Eigengewicht bei jedem Unfall mit größerer Relativgeschwindigkeit eine Gefahr für die Insassen.
Sven meint
Das DLR demonstriert erfolgreich dass Leichtfahrzeuge sicher sein können.