Elektroautos sollen möglichst bald nicht nur für den eigenen Verbrauch Strom beziehen, sondern auch als mobile Energiespeicher für andere Bereiche dienen. Letzteres sehen Politik und Branche vor allem als Beitrag zur Energiewende vor. Eine Studie der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) beleuchtet, wie sich durch bidirektionales Laden („V2G“/Vehicle to Grid: vom Fahrzeug zum Netz) für die Fahrzeugbesitzer Verdienstmöglichkeiten ergeben könnten.
Ob Elektroautos als flexible Energiespeicher – insbesondere für Sonnenenergie und Windkraft – eine sinnvolle und wirtschaftliche Lösung sind, und welche Voraussetzungen es dafür braucht, ist Dominik Storch in seiner Abschlussarbeit im THI-Masterstudiengang Automotive & Mobility Management nachgegangen. Betreut wurde er dabei von Thomas Becker, Professor für Digital Automotive Management.
Storch hat das Potenzial des bidirektionalen Ladens untersucht: Kompatible Elektroautos können damit elektrische Energie aus dem öffentlichen Stromnetz entnehmen und wieder zurückspeisen. Seinen Berechnungen legt er bis zu zehn Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen bis 2030 und eine durchschnittliche Fahrzeugnutzung von einer Stunde am Tag zugrunde. Das Ergebnis: Stünden über die restlichen 23 Stunden zehn Prozent der verfügbaren Batteriekapazität für Netzspeicherdienste zur Verfügung, könnte die zusätzlich resultierende Speicherkapazität theoretisch rund 135.000 Vier-Personen-Haushalte für einen Monat mit Strom versorgen.
Technische & regulatorische Barrieren
Noch sei eine großflächige Umsetzung aufgrund technischer und regulatorischer Barrieren nicht möglich, merkt Storch in seiner Analyse an. Denn sowohl Elektroautos als auch Ladestationen müssten zunächst bidirektionales Laden unterstützen, um Gleichstrom in Wechselstrom zu wandeln (und umgekehrt). Außerdem berücksichtige das Erneuerbare-Energien-Gesetz Elektroautos noch nicht als mobile Stromspeicher. Den Fahrzeugbesitzern könnte deshalb unter Umständen eine mögliche Doppelbesteuerung der bezogenen und abgeführten Energie drohen.
Um bidirektional laden zu können, müssen Besitzer in eines der wenigen entsprechend ausgerüsteten E-Autos – etwa den oben abgebildeten Nissan LEAF – sowie eine spezielle Ladestation und ein Energiemanagementsystem investieren. Diese Ausgaben rechnen sich Storch zufolge derzeit nicht, mit zunehmender Marktdurchdringung der E-Mobilität würden sich die Investitionen in die Infrastruktur jedoch reduzieren. Perspektivisch sei es daher „durchaus realistisch“, dass Besitzer mit ihrem Elektroauto Geld verdienen. Die Einnahmen fielen je nach Vertragsform aus, ein jährlicher Gewinn im unteren bis mittleren dreistelligen Bereich ist den Berechnungen Storchs nach möglich.
Bevor sich durch V2G-Technologie mit Elektroautos Geld verdienen lässt, muss der in Europa übliche Schnellladestandard CCS diese Funktionalität unterstützen. Anders als der mit dem in Japan gängigen CHAdeMO-Anschluss ausgelieferte LEAF laden die meisten neuen Stromer hierzulande mit CCS, darunter auch E-Pkw aus Asien wie beispielsweise der Honda-e. Die Branche erwartet, dass CCS erst ab 2025 offiziell für bidirektionales Laden ausgelegt sein wird.
Mathias meint
Ich würde mir sofort einen fahrbaren Speicher vors Haus stellen aber ein Nissan Leaf? Nein danke…
Jörg2 meint
Wenn sich ein großer BEV-Hersteller, der eventuell schon Erfahrungen mit dem Stromverkauf hat, da er z.B. eigene Ladeinfrastrukturen betreibt, sich als Energieversorger listen lässt, und eventuell (da aus einer Hand und gut kompatibel) solche Dinge wie PV-Dach, Homespeicher, Wallbox, Smartphone-App und V2G-fähige BEV anbietet…. dann könnte hier Konkurrenz zu den angestammten Versorgern entstehen.
Im Kleinen (Einfamilienhaus) fehlt eigentlich nur das V2G-Auto und eine Steuerung, nun nicht gleich „um Geld zu verdienen“, aber um ein wenig Geld zu sparen.
Peter W meint
Ihr werdet doch nicht ernsthaft daran glauben, dass das in Deutschland was wird. Wer eine 20 Jahre alte PV-anlage hat muss sie vom Netz nehmen; Einspeisung nicht erlaubt.
So lange Kohlestrom subventioniert wird, und im Überfluss vorhanden ist, lassen die Netzbetreiber keinen rein. Die wollen selbst Geld verdienen und es nicht verschenken.
150kW meint
„Wer eine 20 Jahre alte PV-anlage hat muss sie vom Netz nehmen; Einspeisung nicht erlaubt.“
Wenn man sich nicht drum kümmert, ja.
Die Speicher-Lobby schürt ja derzeit große Ängste davor um den Leuten die Speicher schmackhaft zu machen.
Jörg2 meint
Naja, nach 20 Jahren läuft die EE-Förderung aus.
Es gibt (so mein Wissensstand) kein Verbot, seinen Strom weiter zu verkaufen. Der Abnehmer muss halt gefunden werden und die (geringeren) Einnahmen müssen noch irgendwie passen…
Also eher: „es lohnt nicht mehr“ als „muss vom Netz“.
Kalle meint
Die o.g. Studie ist kalter Kaffee. Im GB geht das schon lange. Als Vielfahrer bekommt man im Ergebnis den Strom kostenlos. Wenigfahrer verdienen Geld damit.
Bernhard meint
Mir würde schon V2H reichen. Ich habe einmal 12 kWh mit Chademo und einmal 64 kWh mit CCS in der Garage stehen, habe eine kleine PV auf dem Dach und mache als Freiberufler Homeoffice. Ich könnte wahrscheinlich 9 bis 10 Monate mich autark aus den Autos mit Strom versorgen, wenn wenigstens V2H ginge. Aber selbst für Chademo gibt es bis heute keinen Lader-Wechselrichter zu kaufen.
Ich bin mir ziemlich sicher, daß 6 Monate, nachdem ich für teures Geld einen weiteren Speicher in den Keller gestellt habe, diese Technik bezahlbar auf den Markt kommt, und ich mich dann über die unnötige Investition ärgere.
Kalle meint
Das gibt’s schon länger in England.
Georg meint
@Kalle
Ist es möglich, uns eine schöne Lösung aus UK (Anbindung CCS an Home) zu verlinken?
Denn die Lösungen (CCS Anbindung als Heimspeicher) die derzeit in Deutschland von Einzelnen ausgeführt werden, sind sehr individuelle „Bastellösungen“, die oft den vorhandenen (Hybrid)Solarinverter nutzen, aber nur von relativ erfahrenen Elektrotechnikern umgesetzt werden können.
Lewellyn meint
Ich könnte mir Tarife vorstellen, wo bei Freigabe von V2G entsprechend des Volumens kostenloses Laden unterwegs drin sein könnte.
Das eröffnet extrem viele Möglichkeiten. Aber wir basteln lieber noch weitere 30 Jahre an Wasserstoff weiter.
Futureman meint
Und wieder mal kommt Deutschland Jahre zu spät: In GB hat gerade ein E-Auto-Hersteller eine Stromvermarktungsgenehmigung bekommen. Hier wird alles direkt vom Hersteller übernommen und der Autobesitzer kontrolliert nur auf seiner App, wieviel er verdient/gespart hat. Bin gespannt, wann das Projekt auf ganz Europa ausgeweitet wird…
wambo13 meint
Was haben die für Stecker?
Wir haben es ja mit dem CCS schon verkackt von Anfang an ein V2G Möglichkeit zu implementieren, was Chademo hat.
Georg meint
Wenn Tesla das in UK kann (die Lizenz als Stromerzeuger ist beantragt), können die das natürlich auch im restlichen Europa. Angeblich ist ja der „Lader“ im M3 schon bidirektional ausgelegt, aber nicht aktiviert.
Tesla beschreibt die (Vermarktungs)Software Autobidder wie folgt: Autobidder bietet unabhängigen Stromerzeugern, Versorgungsunternehmen und Kapitalpartnern die Möglichkeit, Batterieressourcen autonom zu monetarisieren. Die Batterieressourcen können dabei sowohl fest installierte, wie auch „Rollende“ sein.
150kW meint
„Angeblich ist ja der „Lader“ im M3 schon bidirektional ausgelegt,“
War eine Falschmeldung
Georg meint
Sagt wer?
In Electrec habe ich keinen Wiederruf zum Artikel gelesen.
Gegenüber Electrek erzählte Gaxiola (der das Reverse Engineering ausgeführt hat):
„Was ich beim Reverse Engineering des Model-3-Ladegeräts gelernt habe, ist, dass das Design vollständig bidirektional ist“.
150kW meint
electrek.co:
„Update: Gaxiola’s analysis of the charger might have included a mistake. “
Gaxiola hat auch inzwischen den Fehler (über Twitter?) zugegeben.
Oliver Wunsch meint
„theoretisch rund 135.000 Vier-Personen-Haushalte für einen Monat mit Strom versorgen.“
wieviel ist das in Fussballfeldern? oder in Saarland?
Blackmen meint
Wenn der E-Auto Besitzer sich seine Mindesterlöse selbst ausrechnen kann – was ich bezweifle – dann würde er das Thema lassen. Denn kein Anbieter würde ihm diese Mindestsummen zahlen, die er nehmen müsste.
Das Geschäft funktioniert nur dann, wenn der Anbieter dem Autobesitzer geringere Summen zahlt, wie wirtschaftlich für den Autofahrer notwendig wäre. Von Gewinn kann man da noch lange nicht reden.
Steuerlich wäre das weiterhin ein Thema, ob man da als Autofahrer ein Gewerbe betreibt.
Da Anbieter rechnen können, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der Autobesitzer bei dem Geschäft „drauflegen“.
Georg meint
Die kommen bei Ihrer Rechnung auf ca. 1000€/Jahr:
https://www.next-mobility.news/vehicle-to-grid-wenn-das-e-auto-geld-verdient-a-794326/
Aber ja, die genau „Verdienstgröße“ hängt sicher vom jeweiligen Vertragspartner ab.
Georg meint
Es ist an der Zeit, dass die Themen V2H und V2G angegangen werden und so auch die „Energiewende“ beflügeln. Im „Experimentierstadium“ befinden wir uns nun eigentlich lange genug (IKT-EM 1-X läuft seit ca. 2009)
Derzeit ist es leider noch so, dass:
– Die Netzbetreiber nicht die technische Möglichkeit bieten, das öffentliche Netz einzubeziehen.
– Manche Stromanbieter lastabhängige Tarife nicht interessieren.
– Es fehlen finanzielle Anreize dafür, Erzeugung und Verbrauch zu flexibilisieren.
– Die Energiepolitik setzt keine Impulse, zum Beispiel in Form von „Entbürokratisierung“, oder Steuererleichterungen, um diese Modelle, die bidirektional laden können, voranzubringen.
Richie meint
Die wird es nicht geben, weil sich Berge und Täler der Produktionskurve mit jedem neuen privaten Marktteilnehmer nivellieren. Gut für das Stromnetz, schlecht für die Träume einfacher Gemüter.
MichaelEV meint
An sich ist das korrekt. Da aber sowohl EE-Erzeuger als auch Verbraucher (wegen der Sektorenkopplung) stark zunehmen, wird für längere Zeit genug Potential vorhanden sein.
Jörg2 meint
@Richi
Da mit jedem EE-Abnehmer auch der Ausbau erfolgen muss, wird sich wohl die Unstetigkeit (zumindest des EE aus Wind) auf Erzeugerseite UND die Unstetigkeit auf Abnehmerseite eher verstärkend auf die Täler und Berge auswirken (???).