Aus der Fusion von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und der Groupe PSA ist Anfang des Jahres der Konzern Stellantis hervorgegangen. Der nach verkauften Fahrzeugen weltweit viertgrößte Automobilhersteller wird vom bisherigen PSA-Chef Carlos Tavares geführt. Was genau er mit den 14 Marken des neuen Unternehmens vorhat, ist noch unklar. E-Mobilität wird auf jeden Fall eine zentrale Rolle spielen, Tavares sieht die alternative Antriebsart allerdings nach wie vor kritisch.
Die Pressemeldung zum offiziellen Start von Stellantis hat den Titel „Ein Weltmarktführer für nachhaltige Mobilität“. PSA ist FCA hier voraus: Die Marken Peugeot, Citroën, DS Automobiles und Opel/Vauxhall bieten bereits diverse teil- und vollelektrische Fahrzeuge auf geteilten Plattformen an. FCA gehört bei Stromern dagegen zu den Nachzüglern, die Elektrifizierung von Marken wie Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Chrysler, Dodge und Jeep hat noch nicht allzu lange Priorität.
Im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung sagte Tavares, dass die Größe von Stellantis angesichts der Herausforderungen der Branche „nützlich“ sei, allerdings müsse man vor allem die Kunden zufriedenstellen. Die Vorteile der Neugründung sieht er vor allem mit Blick auf die weltweit immer strengeren Umweltgesetze und Vorgaben für die Autoindustrie: Größe könne entscheidend sein, um in neue Technologien zu investieren und diese Kosten auf eine größere Menge zu verteilen.
„Die von uns vorangetriebene Elektrifizierung kostet zum Beispiel eine Menge Geld, und die Politik gibt Zeitrahmen und Bedingungen vor, manchmal ungeachtet aller physikalischen Grenzen. In solch einem Szenario ist Größe enorm wichtig“, sagte der Stellantis-Chef. Mit Größe könne man auch die Bezahlbarkeit von emissionsfreien Autos gewährleisten, was wiederum dem Klima helfe. „Wenn sich nur eine Minderheit Elektromobilität leisten kann, kommen wir auch nicht weiter“, unterstrich Tavares.
„Elektroautos führen zu höheren Kosten“
Im Gespräch mit dem Handelsblatt deutete der portugiesische Manager an, dass Stellantis anders als etwa der französische Wettbewerber Renault ein Kostenproblem bei Elektroautos hat. „Elektroautos führen zu höheren Kosten und sind für die Mittelklasse noch nicht erschwinglich. Entweder senken die Hersteller ihre Marge – dann gibt es wirtschaftliche Probleme –, oder wir finden einen anderen Weg“, so der 61-Jährige. Man müsse sich fragen, „ob Elektroautos der beste Weg zu Nullemissionen sind“. Wenn die Politik das so wolle, müsse sie das resultierende wirtschaftliche Problem lösen. „Die Staaten entscheiden, wir stellen nur die Technologie und die Produktion bereit.“
Tavares hat sich schon früher bezüglich Elektromobilität skeptisch gezeigt, bei PSA aber trotzdem eine konzernweite E-Offensive vorangetrieben. Bei Stellantis dürfte er den eingeschlagenen Weg mit gemeinsamen Plattformen für Autos mit unterschiedlicher Antriebsart für möglichst viele Baureihen fortführen. Tavares hat bereits angedeutet, dass die früheren FCA-Marken für niedrigere Emissionen der Flotte auf von PSA entwickelte Technik zurückgreifen werden. Bei der Technologie für das Autonome Fahren ist ein Know-how-Transfer von FCA zu PSA vorgesehen.
Auf Elektroauto-Branchenprimus Tesla angesprochen sagte Tavares, dass er diesen „sehr ernst“ nehme und „eine ganze Menge“ von dem US-Hersteller lernen könne. Tesla habe in Sachen Innovation viel erreicht und sei ein großer Antrieb für ihn. „Aber wir wollen auch beweisen, dass wir nicht nur ein herkömmlicher, alteingesessener Autohersteller sind. Stellantis hat nicht die Absicht, sich zu verteidigen, wir werden in die Offensive gehen“, betonte Tavares. Das sei auch für die Gesellschaft wichtig, da die Autobranche in Europa in den vergangenen Jahrzehnten einen beträchtlichen Teil des Wohlstandes erwirtschaftet habe.
Wichtig für Stellantis sei, „cleverer und effizienter“ zu werden, dabei würden alle Marken und alle Werke eine Chance bekommen, erklärte der Konzernchef. Sein vorrangiges Ziel sei, ein nachhaltiges und krisenfestes Unternehmen aufzubauen. Da die Branche ständig unter Druck stehe und dieser Druck weiter wachse, müsse Tavares auch auf die Tochtergesellschaften und ihre Mitarbeiter „angemessenen“ Druck ausüben – nicht zuletzt, um langfristig Arbeitsplätze zu schützen. Konkrete Restrukturierungsmaßnahmen nannte er noch nicht.
Raphael meint
Tönt sehr nach Selbstfindungsphase :-)
Nach Jahren von harten Sanierungen und damit verbundenen kurzfristigen Zielsetzungen müssen wohl jetzt Zukunftsvisionen formuliert werden … Nachhaltigkeit ist halt derzeit sehr angesagt. Jeep und Ram wollen aber mit der gegenwärtigen Ausrichtung nicht so sehr dazu passen.
Renzo meint
Er hat offen gelassen, auf welche Segmente sich das bezieht.
In den Segmenten A&B haben die beiden Firmen zusammen wohl schon die Marktführerschaft. Fiat hat mit dem neuen 500e zudem erkannt m.E. und auch bewiesen, dass der erste Wurf im Elektrosegment sitzen muss, um die Marktführerschaft im Segment zu behalten. Denn im elektrifizierten A-Segment gibt es im Gegensatz zum A-Kleinstwagen-Verbrenner-Segment auch mehrere Mitbewerber.
Meines Erachtens passen die beiden Firmen kulturell und auch produktmässig sehr gut zusammen. Die Überschneidungen sind kleiner als auf den ersten Blick gedacht. FCA hat zudem grosse Erfahrung und auch Erfolg mit grossen Zusammenschlüssen. Unter Fiat ist Jeep beispielweise vom Kleinhersteller zum globalen Player geworden, ohne die DNA zu verlieren.
Das nicht profitable Europa-Segment von FCA kann nun von PSA belebt werden. Auf anderen Märkten ist hingegen FCA stark und macht dort auch (sehr) gute Gewinne. Finanziell steht der Konzern besser da, als die Medien nörgeln (siehe Finanzergebnisse 2019).
Wasco meint
PSA hat 2020 ca. 65.000 BEV verkauft. FCA ca. 5.000.
Stellantis ist somit auf Rang 7 bei den Konzernen.
Hans Wurst meint
Schon lustig wie jeder Marktführer werden will :)