Die VW-Tochter WeShare hat 2019 mit 1500 e-Golf ihr elektrisches Carsharing-Angebot in Berlin gestartet, mittlerweile wird das neue Batterie-Modell ID.3 eingeflottet. In den kommenden Jahren soll international expandiert werden. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sprach WeShare-Chef Philipp Reth über die bisherigen Erfahrungen in der Hauptstadt.
„Wir haben eine sehr gute Position in Berlin erreichen können und unsere eigenen Erwartungen teilweise übertroffen“, so das Zwischenfazit von Reth. WeShare verfüge mittlerweile über 150.000 angemeldete Nutzer in Berlin. Die Kundschaft sei „sehr aktiv“, die Hälfte aller Nutzer fahre mindestens einmal im Monat mit dem Anbieter. „Die Nutzung der Flotte ist gut. Jedes Auto wird einige Male pro Tag von Kunden ausgeliehen“, führte der Geschäftsführer aus. Man habe sämtliche Parameter übererfüllt und sei bei Kundenzahl, Fahrten und Umsatz über Plan.
Bislang ist Carsharing für die Anbieter noch ein Verlustgeschäft. Reth betonte, das WeShare profitabel werden soll. Auch hier sei man im Plan und werde in deutlich weniger als fünf Jahren die schwarze Null erreichen. Durch die Coronavirus-Pandemie ist das Unternehmen nach eigenen Angaben nach einem kurzen Einbruch im Frühjahr 2020 gut hindurchgekommen. Geholfen habe dabei wohl auch, dass noch immer viele Menschen den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr meiden. Die Nutzungen durch die Kunden seien daher nun andere. „Wir sehen, dass viele Menschen vermehrt über die Wochenendtage unsere Autos nutzen, um länger aus der Stadt rauszukommen“, berichtete Reth.
Derzeit tauscht WeShare alle bisher genutzten e-Golf gegen ID.3-Modelle aus. Vereinzelt sollen auch noch größere und kleinere Elektroautos der neuen Volkswagen-Generation zur Flotte hinzustoßen. Zum Jahresende werde man so eine komplett erneuerte Flotte anbieten können, warb der CEO.
Herausforderung Ladeinfrastruktur
Mit seinen 1500 vollelektrischen Fahrzeugen ist WeShare ein großer Nutzer der Berliner Ladeinfrastruktur. „Das Thema treibt uns massiv um“, sagte Reth. Man sehe eine starke Zunahme von privaten Elektroautos, doch die Ladeinfrastruktur wachse nicht im gleichen Maße mit. Die Verantwortung dafür sehe das Unternehmen auch beim Land Berlin. WeShare hat in einer Kooperation mit der Schwarz-Gruppe auf Parkplätzen von Lidl- und Kaufland-Filialen rund 50 Schnellladestationen installiert, die die Flotte nachts exklusiv nutzen kann. Doch vor allem die klassischen Ladesäulen, die das Land errichte, schafften kaum Abhilfe, erklärte Reth. Die heutige Ladeinfrastruktur in den Bezirken sei nicht auf die steigende Nachfrage von morgen ausgelegt. Diese langsamen Säulen seien „nur Tröpfchen auf einem immer heißeren Stein“.
Der WeShare-Chef kritisierte auch, dass das Land die gesamte Sharing-Branche vom E-Scooter bis zum Auto über die Novelle des Berliner Straßengesetzes stärker regulieren will. Neben neuen Regeln und einer Begrenzung der Flottengröße sollen die Dienste ab Herbst 2023 pro Fahrzeug Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Raums an das Land zahlen. Reth verwies auf „signifikante siebenstellige Millionenbeträge pro Jahr“, die das Unternehmen bereits an Parkgebühren zahle. Weitere Belastungen könnten den Dienst unwirtschaftlicher machen.
„Wir sind heute schon in der Situation, dass wir beim Carsharing eine relativ hohe Abgabenlast haben. Elektrocarsharing noch über diese Abgaben hinaus zu belasten, sehen wir kritisch“, unterstrich Reth. Insbesondere Carsharing mit Elektroautos solle aufgrund der Nachhaltigkeitspotenziale vom Land anders bewertet werden.
randomhuman meint
Prinzipiell finde ich stationsbetriebenes Car Sharing besser. Free floating Flotten blockieren nur überall Parkplätze und Ladesäulen. Außerdem ist dann das Ladeproblem beseitigt, weil man dort direkt Ladestationen installieren kann. Natürlich bräuchte es dann recht viele Stationen, damit die meisten Menschen nach kurzer Zeit ein Auto nutzen könnten.
Wambo13 meint
In Berlin blockieren sie Gefühlt 80% der Ladesäulen. Oft mit mehr als 24h Standzeit.
Wenn man auf ein Auto angewiesen ist und keine Ladesäulen hat bekommt man nur Hass auf die Teile
Teilweise entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Michael S. meint
Wenn es nicht genug Tankstellen für Verbrenner gäbe, wären ja auch nicht die Firmen schuld, die Verbrenner betreiben. Insofern, einfach mal durchatmen.
MartinAusBerlin meint
„Siebenstellige Millionenbetrag“
bedeutet mindestens eine Billiarde Euro.
Das scheint mir etwas hoch.
Dass ein Millionen-Betrag gezahlt wird, ist dabei nur fair. Es wird schließlich öffentlicher Raum genutzt und auch Ladesäulen von Land finanziert.
Das Problem ist, dass Privatpersonen in Berlin weitgehend kostenlos parken können. Wenn sich das bald ändert, werden auch private PKW abgeschafft, die fast nur rumstehen. Diese Personen können dann Carsharing nutzen.
GE meint
Der Senat muss aufpassen das er Carsharing nicht vergrault. Sonst wechseln die Leute die in Berlin kein Auto angeschafft haben doch noch dazu eines zu kaufen. Wenn die Leute erstmal ein eigenes Auto haben ist es viel schwieriger das wieder abzuschaffen. Wie beim Rauchen.
BeatthePete meint
Ach, in maximal 20 Jahren fahren wir eh alle vollautonom, d.h das Auto fährt uns, nicht wir das Auto.
Eugen P. meint
Was wäre damit gewonnen? Das Verkehrsaufkommen würde sich damit eher noch erhöhen, Minderjährige und andere Leute ohne Führerschein könnten Auto fahren, es käme zu Leerfahrten. Die dafür nötige KI im Hintergrund wäre sehr rechen-intensiv, das bedeutet einen hohen zusätzlichen Stromverbrauch. Es gäbe wohl weniger Fahrzeuge im Bestand, aber die verbliebene Flotte wäre wohl im Dauerbetrieb.
Carsharing selbst dürfte auch eher zu einem höheren Verkehrsaufkommen führen.
ExExperte meint
Autonomes Fahren löst kein einziges Verkehrsproblem, sondern schafft nur neue Probleme.
MichaelEV meint
Skandal: Mobilität wird weniger diskriminierend. Wo soll das noch alles hinführen…
Beim Verkehrsaufkommen ist so viel Potential, da ist das alles nur der Tropfen auf dem heißen Stein.
Der Stromverbrauch für die „KI“ (heute ist ja irgendwie alles KI) ist nur ein schlechter Scherz. Das wird in Zukunft nur eine Fingerübung sein. Und den Einsparungen gegenübergestellt ist es lächerlich das als Argument anzuführen.
EV1 meint
Ich könnte mir schon vorstellen, dass autonome Robo-Taxis wenn schon nicht das Verkehrsaufkommen des fließenden Verkehrs, so jedoch die im Privatbesitz befindlichen PKWs reduziert.
An der Menge an zu befördernder Personen wird das autonome Fahren und das Robo-Taxi wohl nichts ändern.
Für junge Menschen ist der Besitz eines eigenen Autos mittlerweile weniger erstrebenswert wie für frühere Generationen.
Wenn sichergestellt ist, dass ich zuverlässig Zugriff auf ein Robo-Taxi habe, wenn ich es benötige, könnte ich mir auch vorstellen auf ein eigenes Fahrzeug im Privatbesitz zu verzichten.