Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt vor Fachkräftemangel, der Digitalisierung, Klimaschutz und Elektromobilität zu behindern droht. Mit 51 Prozent können mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen derzeit offene Stellen zumindest vorübergehend nicht besetzen. Das geht aus dem neuen Fachkräftereport der Wirtschaftslobby hervor.
Die fehlenden Fachkräfte seien „spürbar mehr als ohnehin schon vor Ausbruch“ der Coronavirus-Pandemie. Lockdowns und Kurzarbeit hätten den Fachkräftemangel nur zeitweise in den Hintergrund gedrängt. Für ihre Studie dazu befragten die Industrie- und Handelskammern (IHKs) rund 23.000 Firmen. Die Ergebnisse zeigen gegenüber Herbst 2020 einen starken Anstieg des Problems: Damals hatten nur 32 Prozent der Unternehmen von Fachkräfteengpässen berichtet. Auch gegenüber der Zeit vor der Corona-Krise hat sich die Lage nicht entspannt: Im Herbst 2019 hatten 47 Prozent der Betriebe Schwierigkeiten beim Anwerben neuer Mitarbeitender gemeldet.
Nach Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten zu 44 Prozent aus dem Dienstleistungssektor, zu 28 Prozent aus der Industrie und zu 22 Prozent aus dem Handel. Die Bauwirtschaft macht sechs Prozent aus. Die Untergliederung nach Firmengröße weist 50 Prozent kleine, 40 Prozent mittlere sowie acht Prozent mittelgroße Firmen aus. Zwei Prozent der Antworten entfallen auf Konzerne mit mehr als 1000 Mitarbeitern.
Die größten Engpässe bestehen laut der Studie in der Bauwirtschaft (66 %), die von der Krise nicht so stark getroffen wurde. Den stärksten Anstieg der Stellenbesetzungsprobleme von 29 auf 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr meldeten die Industrieunternehmen. 57 Prozent der Firmen, die Stellen nicht besetzen können, suchen erfolglos Personen mit dualer Berufsausbildung. Hier haben die Engpässe merklich zugenommen. Hochschulabsolventen werden besonders in Branchen mit IT-Bezug gesucht.
Fachkräftemangel belastet Wirtschaft
Der Fachkräftemangel stellt laut der Analyse nicht nur die direkt betroffenen Unternehmen vor Herausforderungen, sondern die Volkswirtschaft insgesamt. Zukunftsprojekte wie Digitalisierung, Klimaschutz, E-Mobilität oder Infrastruktur- und Wohnungsbau seien auf ausreichend Spezialisten angewiesen. Zur Knappheit bei Rohstoffen und Vorprodukten wie Halbleitern sowie Lieferkettenproblemen kämen immer häufiger Engpässe bei Fachkräften hinzu.
Der Fachkräftemangel sei „schneller und in größerem Umfang als von vielen erwartet“ zurück, erklärte Vize-DIHK-Geschäftsführer Achim Dercks. „Fehlen beispielsweise IT-Experten, betrifft dies auch Mittelständler, die Geschäftsprozesse digitalisieren oder sich um eine bessere Cybersicherheit kümmern möchten.“ Mangele es an Fachkräften etwa zur Verlegung von Glasfaserkabeln, verlangsame sich der dringend erforderliche Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Zuvor hatte sich das Problem auch im EU-Digitalisierungsindex niedergeschlagen.
Das Fachkräfteproblem in der Wertschöpfungskette schmälert Dercks zufolge die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Davon seien vorwiegend innovationsaktive Zweige wie etwa Kfz-Hersteller und ihre Ausrüster (35 %), Programmierer und die Medizintechnik (je 37 %) betroffen. Insgesamt liege die Zahl der derzeit nicht besetzten Stellen dadurch wohl eher bei 1,7 bis 1,8 Millionen. Das bremse die Wertschöpfung grob geschätzt um rund 90 Milliarden Euro, circa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen, Fachkräftezuzug
Als Reaktion auf den Fachkräftemangel versuchen 53 Prozent der Unternehmen, ihre Arbeitgeberattraktivität generell zu steigern. 46 Prozent wollen die eigene Ausbildung intensivieren, um perspektivisch die Fachkräftebasis zu sichern. Platz drei der möglichen Maßnahmen teilen sich mit je 34 Prozent eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland.
Etwa jedes dritte Unternehmen mit Problemen bei der Besetzung von Stellen will in Weiterbildung allgemein investieren, 29 Prozent speziell in Mitarbeiterkompetenzen zur Bewältigung von Digitalisierung beziehungsweise Strukturwandel. Mehr als jede vierte Firma sieht einen Ansatz in der verstärkten Beschäftigung älterer Mitarbeiter. Der DIHK empfiehlt, die Allianz für Aus- und Weiterbildung fortzusetzen, damit dem Arbeitsmarkt kein Jugendlicher verloren gehe. Die technische Ausstattung sowie die Arbeits- und Lernbedingungen in den Berufsschulen sollten verbessert werden.
Ernesto 2 meint
Vielleicht sollten die Firmen ihre „Geiz ist Geil“ Mentalität gegenüber den „Fachkräften“ überdenken. Ein Mangel besteht nur an billigsten Arbeitssklaven wie die „Fachkräfte“ eigentlich genannt werden sollten, wer mit 1800€ Netto eine ausgebildeten Ingenieur in seinen Betrieb locken möchte, wie das hier auf dem Land für Anfänger üblich ist, sollte sich vielleicht mal auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen; und nicht die Karte vom „Fachkräftemangel“ ziehen. Ich habe keinerlei Mitleid mit diesen Firmen die jedes Jahr Millionengewinne privatisieren und alle Kosten sozialisieren.
Fritzchen meint
Solange es auch nur einen Arbeitslosen in Deutschland oder im EU-Wirtschaftsraum gibt, ist der angebliche Fachkräftemangel arbeitgebergemacht.
Das wurde bereits 2005 vorausgesagt.
Gerade die Wirtschaft besteht doch immer auf Angebot und Nachfrage.
Also: ausbilden – ausbilden – ausbilden!
volsor meint
Fachkräftemangel , wenn ich das schon wieder höre.
Vielleicht sollten die Unternehmen ihre Stellenausschreibung mal überdenken.
Es gibt nun mal keinen 26 Jährigen Facharbeiter mit 15 Jahren Berufserfahrung und das fliesend in 3 Sprachen.
Und wie wäre es mit selber Ausbilden und nicht nach Abschluss gleich rausschmeißen?
https://www.personio.de/hr-lexikon/fachkraeftemangel/
Werner Mauss meint
Du hast noch 2000€ Brutto vergessen bei 40 Stundenwoche und 4 Wochen Urlaub.
Kasch meint
Einstige Entwicklungsländer haben uns großteils schon überholt und leisten keine Frondienste mehr für die „selbsternannte, edle Leitkultur“. Mit unnützen Akademikern ist ein Industriestaat langfristig nicht aufrecht zu erhalten. Noch ist aber wertschöpferische Tätigkeit für Deutsche nicht erforderlich.
Günter meint
Diese Warnungen kommen mir immer vor wie Kindergarten Spiele. Gibt es geeignete Ausbildungsstätten für die geforderten Themen? Wenn nein, umsetzen. Gibt es genügend und qualifizierte Personen für diese Berufe? Wenn nein, mal sich fragen warum das so ist.
Knapp 2 Jahren Corona und Schule haben deutlich gezeigt, das die Kleinen unserer Gesellschaft völlig egal zu sein scheinen! Da muss man mal ran, Geld scheint ja für jeden noch so belanglosen Schei*** vorhanden zu sein, nur nicht für Bildung.
Was bringt es ständig Forderungen aufzustellen, aber selber nichts umzusetzen? by the way, Industriekammern haben ulkigerweise immer die chicksten Gebäude in der Stadt, neben den Banken. Warum eigentlich?!!