Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ist für strengere europaweite CO2-Grenzwerte für Autos, Deutschland wird sich dafür aber laut ihrer Aussage nicht einsetzen. „Tatsächlich hätte ich mir noch höhere CO2-Grenzwerte vor und für 2030 gewünscht“, sagte die Grünen-Politikerin kürzlich. Sie bestätigte damit offenbar die Entscheidung zur Position der Bundesregierung in dieser Hinsicht. Damit hat sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) durchsetzen können.
Laut Lemke wären schärfere Vorgaben umsetzbar gewesen. „Die Autohersteller senden uns ja seit Monaten entsprechende Signale, wenn sie ankündigen, schon in wenigen Jahren nur noch vollelektrische Fahrzeuge in Verkehr zu bringen, während die Grenzwerte über die nächsten acht Jahre weitgehend unverändert bleiben sollen“, sagte sie.
Berichte zufolge hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) einen Streit zwischen Lemke und Wissing im Sinne des Verkehrsministers entschieden. Danach unterstützt Deutschland die bisherigen EU-Vorschläge und will diese nicht weiter verschärfen. Im Programm „Fit for 55“ der EU ist vorgesehen, dass der CO2-Ausstoß von neuzugelassenen Pkw und Lieferwagen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 2021 sinken soll. Umweltgruppen, Grüne und auch das Umweltministerium halten das nicht für ausreichend.
Lemke hatte sich für eine Kürzung von 75 statt 55 Prozent ausgesprochen. Sie muss nun aber in Brüssel in diesem Punkt die Position Wissings für Deutschland vertreten. Die Umweltministerin betonte, dass der Einsatz synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, auch künftig nicht auf die CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werde. Dies hätte bedeutet, dass diese mithilfe von Wasserstoff erzeugten Kraftstoffe in herkömmlichen Fahrzeugen eingesetzt werden könnten. „Damit findet eine langwierige Debatte in der Bundesregierung ein Ende. Denn schon lange ist klar: Im Straßenverkehr ist die Elektromobilität die effizienteste, kostengünstigste Alternative für mehr Klimaschutz“, so Lemke.
Autoindustrie begrüßt Planungssicherheit
Die EU-Pläne im Rahmen von Fit for 55 bedeuten faktisch ein Verbrenner-Aus im nächsten Jahrzehnt, die Automobilindustrie hat das wiederholt kritisiert. Nun scheint sich die Branche aber damit abgefunden zu haben. Planungssicherheit sei entscheidend, insbesondere auch bei der Flottenregulierung, erklärte der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Zudem sollten E-Fuels eine stärkere Rolle spielen.
Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar betonte, die EU-Kommission habe den Vorschlag vorgelegt, um die Ziele im Verkehrssektor zu erreichen. Gebe es auf nationaler Ebene andere Ideen dazu, sollten diese aufgeschrieben und diskutiert werden, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Deutschland hinkt seinen Klimazielen gerade im Verkehr hinterher. Angeforderte Vorschläge für weitere Maßnahmen aus den relevanten Ministerien an Klimaminister Robert Habeck (Grüne) für ein Klimasofortprogramm lassen noch auf sich warten. Wissing etwa denkt laut Reuters unter anderem über eine stärker am CO2-Ausstoß orientierte Kfz-Steuer nach, um mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen.
J.Kiesgen meint
Wenn ich mir Wissings neuere Aussagen ansehe, wird man sich wohl auf einen Deal eingelassen haben. Wissing (und die FDP) lassen das E-Fuel Thema endlich fallen, dafür verschärfen die Grünen die Grenzwerte nicht weiter.
NiLa meint
Nö, Wissing hat schon betont, dass e-Mobilität zur kurzfristigen THG-Senkung im Fokus stehe, e-fuels aber weiterhin gefördert werden sollen.
Andi EE meint
@ecomento.de
„Die Umweltministerin betonte, dass der Einsatz synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, auch künftig nicht auf die CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werde. Dies hätte bedeutet, dass diese mithilfe von Wasserstoff erzeugten Kraftstoffe in herkömmlichen Fahrzeugen eingesetzt werden könnten.“
Wie ist das gemeint, würde Frau Lemke E-Fuels befürworten um die 75% Reduktion zu erreichen, da sie sich ja nicht durchgesetzt hat? Oder ist sie für die 75% Reduktion ohne E-Fuels? Ich habe das jetzt mehrmals gelesen und check diese Aussage nicht, das kann man ja verschieden interpretieren.
Meine Meinung … dass man den Überschussstrom der EE in H2 umwandelt ist ja ok, aber um 20% der Verbrenner-Fahrzeugflotte so mit Energie zu versorgen, müsste man ja die Energiemenge pro Fahrzeug vervierfachen. Wie kann man das als Grüne vertreten?
CaptainPicard meint
Ich halte die ganze Diskussion für unnötig. Die Hersteller haben sich mittlerweile klar festgelegt, in Deutschland wird der Marktanteil von Elektroautos in 2030 irgendwo im Bereich von 90% liegen und spätestens 2035 ist durch die EU das Ende des Verbrenners besiegelt.
Das Thema PKW-Verkehr ist durch, die Politik sollte sich nun lieber auf andere Bereiche konzentrieren wo es noch keinen so klaren Pfad zur Dekarbonisierung gibt.
Flo meint
Das sehe ich komplett anders. Auf Äußerungen der Hersteller darf man keinen Cent geben, das haben die letzten Jahrzehnte gezeigt. Sie werden weiterhin alles tun um maximalen Gewinn zu erzielen und die BEV-Zahlen homöpathisch dosiert steigern. Insgeheim hoffen dennoch viele OEM auf synthetische Kraftstoffe. Also es gilt weiterhin den Druck hochzuhalten.
Werner Mauss meint
Genau richtig, man sieht doch die „war steht’s bemüht“ Reaktionen bei der deutschen Autoindustrie. Die künstlich langen Lieferzeiten zeigen doch das genaue Gegenteil. Man spielt auf Zeit, damit man nächstes Jahr dann sagen kann, daß noch alles viel zu teuer ist, beim Wegfall der Prämien. Insgeheim hofft man auch auf Scheitern der Regierung und einem Aufstreben der neoliberalen Merzmafia.
alter_Schwede meint
„Künstlich langen Lieferzeiten“ – nix da, wenn du heute eine(bedeutende) Produktionssteigerung eines Steuereinheit einführen willst, ist bei den chip-Lieferanten leider oft über ein Jahr „lead time“ (mein aktuellen Beispiel: Hall Sensor IC: 56-60 Wochen! Gefühlt Tendenz steigend auch). Wenn künstlich, dann wegen (mutmaßlich) mangelnder Planung
GrußausSachsen meint
Volle Zustimmung. In der Großindustrie (Chemiekonzerne wozu mittlerweile auch sogenannte Lebensmittel zählen, die eine Chemiebaukasten entspringen – siehe Zutatenliste in 2Punktschrift) sitzen zu viele Entscheider und Lobbyisten, denen Umwelt (Flora UND Fauna), Klima, Menschen völlig egal sind, auch wenn sie sich jetzt in Marketingsprechblasen aufspielen. Das gilt auch für die Automobilindustrie.
Ohne Druck tut sich da nichts.
Das gern von gewissen Minister*innen geführte Wort von der „Freiwillige Selbstverpflichtung hat leider den gleichen leeren Inhalt wie „Technologieoffenheit“ bekommen und nur den Zweck unter dem Deckmantel Arbeitsplatzbedrohung Gewinne auf Kosten von Gesundheit und Umwelt zu maximieren. Bitte nicht falsch verstehen, Gewinne und Arbeitsplätze sind natürlich wichtig aber die Folgen und Kosten der Schäden anderen aufzubürden ist eben nicht in Ordnung.
Dagobert meint
Der Batterieelektrische PKW ist schon mal verschwunden und er wird es wieder tun. Auch die besten Batteriespeicher, die wir uns heute vorstellen können, haben theoretische maximale Energiedichten weit unter denen flüssiger Energieträger. Sobald saubere Energie im Überfluss vorhanden ist, wird es wieder zu einer Umkehr kommen. Der Nachteil ist viel zu eklatant und man wird die Technologie nicht auf ewig mit Steuergeldern pampern können.
elbflorenz meint
Sobald grüne Energie im Überfluss da ist … hahahaha 😂 der war gut.
Also erst dann, wenn die Kernfusion funktioniert … seit 50 Jahren in 50 Jahren – und in 50 Jahren dann immer noch in 50 Jahren …
Duesendaniel meint
Dass wir nicht grüne Energie im Überfluss haben liegt nicht an noch nicht funktionierender Kernfusion, sondern am politischen Unwillen, die vorhandenen Konzepte konsequent umzusetzen. Im Bericht ‚Stromlücke‘ im SWR oder auf Youtube gibt es Details dazu. Interessant auch die beiden Interviews mit Volker Quaschning auf ‚Jung und Naiv‘.
elbflorenz meint
@Duesendaniel
Und die vorhandenen Konzepte wären was genau?
PV Strom ohne vorhandene Jahreszeitenspeicher?
Windräder in Wäldern?
Es wird in 20 Jahren noch nicht genug grüne Energie geben – weil es halt kein durchführbares Konzept gibt.
Der zukünftige Grünstrombedarf wird von Jahr zu Jahr nach oben korrigiert. Und das geht noch einige Jahre so weiter.
Alle Zahlen des – durchaus sympathischen – Prof. Quaschnig sind leider für die Tonne …
Mäx meint
“Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.”
Mit Betonung auf Luft in Städten, Autos ohne Krach und Gestank sowie Abhängigkeit von Diktatoren die dann eben nicht Öl sondern e-fuels verkaufen.
Andi EE meint
Bravo @Mäx, wunderbare, entlarvende Ironie … bin ich 1:1 bei dir! 🙂
Mäx meint
@AndiEE
Merke gerade, dass ich den Urheber nicht dabei geschrieben habe.
Das ist ein Zitat von Marc-Uwe Kling.
Aber das ändert ja nichts an der wunderbar treffenden Aussage ;)
Andy meint
Die Energiedichte von Akkus muss gar nicht so hoch wie die von flüssigen Treibstoffen sein. Wichtig ist hierbei doch der Wirkungsgrad der Energieumsetzung! Wenn beim Verbrenner zwei Drittel der Energie nur in Abwärme umgewandelt werden, hat man nichts vom höheren Energiegehalt. Vergleichen sie nicht Äpfel mit Birnen.
Dagobert meint
Die Energiedichte ist nun mal um einen Faktor 100 höher, sowohl bei Volumen als auch bei Gewicht. Da fällt ein Wirkungsgrad von 40% nicht wahnsinnig ins Gewicht. Da wird sich so schnell nichts dran ändern. Wir sind Jahrzehnte von Alltagsreichweiten über 800km mit Batterien in der Kompaktklasse entfernt, falls diese jemals wirtschaftlich erreicht werden können.
elbflorenz meint
@Dagobert
In China sind Jahrzehnte nur Jahre. Also ich denke, in 3 Jahren kommt eine Kompaktlimousine mit 1000 km WLTP … wer es braucht.
600 km WLTP sind völlig ausreichend.
Zumindest in allen Ländern mit Autobahntempolimit. Also auf der ganzen Welt – mit Ausnahme eines kleinen, rückständigen germanischen Dorfes …
Futureman meint
Kann mir irgendwie nicht vorstellen,irgendwann wieder irgendwo hin zum Tanken zu fahren. Meine Kinder fragen jetzt schon, was die Leute da an der Tankstelle neben ihren Autos machen und warum da überall Gefahrenschilder stehen.
Da lade ich doch lieber bei Wind aus der Steckdose fast umsonst oder bei Sonne bei mir selbst.
Peter klik meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Mäx meint
Höhere CO2 Grenzwerte…ich dachte in der Politik bekommt man seine Reden geschrieben…ist da keinem aufgefallen, dass man ja eigentlich genau das wortwörtliche Gegenteil sagen möchte.
Es sollen ja niedrigere Grenzwerte eingehalten werden oder auch schwierigere Grenzwerte oder auch höhere (prozentuale) Verringerungen der vorherigen Grenzwerte.
Aber eines ist es ganz bestimmt nicht, höhere Grenzwerte.
ID.alist meint
Am besten bei Grenzwerte nutzt man das Wort „strengere“,so wie ecomento.de im ersten Satz des Artikels. ;-)
GrußausSachsen meint
Sie haben ja recht; nicht für ungut, aber hatten Sie das nicht bereits gestern hier oder in einem anderen Kommentar geschrieben? Auch durch Wiederholung Ihrer berechtigtne Kritik an der Wortwahl kann der Satz nicht mehr rückgängig gemacht werden. und für den grammatikalischen Fehler wird sich wohl niemand entschuldigen oder zurücktreten müssen, oder?
Unter Strich hat sich der Herr Verkehrsminister ja vom selbsternannten Klimakanzler helfen lassen (großer Bruder klärt das) und die Forderung der Umweltministerin wird eh nicht umgesetzt. Gut statt 55% gleich 75% zu fordern ist keine gute Verhandlungsbasis, aber sei es drum.
Das lässt für die Zukunft jedenfalls nichts gutes ahnen. Zumal sich der Herr Verkehrsminister nach seiner fulminanten Aussage pro BEV mittlerweile dann doch auf die Seite der Verbrennerlobby gestellt hat.
Dobrindt/Scheuer reloaded.