Die Produktion eines Automobils ist energie- und ressourcenintensiv. Mit einer höheren Laufleistung der Fahrzeuge könnte der Energiebedarf in der Produktion deutlich gesenkt und der Abbau an Bodenschätzen reduziert werden. Hier setzt das Forschungsprojekt „KOSEL“ an, für das sich das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU mit Partnern aus Industrie und Forschung zusammengeschlossen hat.
Fahrzeugkomponenten, die über eine lange Lebensdauer verfügen, könnten über mehrere Fahrzeuglebenszyklen hinweg verwendet werden und müssten somit nicht neu produziert werden, so die Forscher. Dafür habe das Projektteam einen kreislaufgerechten Open-Source-Baukasten entwickelt, der besonders langlebige und wiederverwendbare Module enthält.
Im Projekt KOSEL hat das Projektteam das Grundkonzept für ein leichtes E-Nutzfahrzeug mit 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht erstellt, dessen Bestandteile gänzlich modular aufgebaut sind. Die drei Hauptmodule Vorderwagen, Batteriekasten und Hinterwagen sind über feste Schnittstellen miteinander verbunden, sodass ein Austausch mit geringem Aufwand möglich ist.
„Mit dem kreislaufgerechten Baukasten können einzelne Komponenten oder komplette Fahrzeugbestandteile ausgetauscht werden. Dadurch erfährt der Großteil des Fahrzeugs eine längere Nutzungsphase. Die Kosten für Reparaturen sinken und ein längerer wirtschaftlicher Betrieb wird ermöglicht“, erläutert Patryk Nossol, Forscher in der Abteilung Systeme und Technologien für textile Strukturen am Fraunhofer IWU in Zittau. Die E-Fahrzeug-Plattform ist für Einsatzzeiten von bis zu 30 Jahren und Laufleistungen von bis zu einer Million Kilometern bei wechselnden Einsatzszenarien konstruiert und prototypisch umgesetzt.
Module aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen
Das Materialkonzept sieht vor, schwerpunktmäßig in den hochbelasteten und zur mehrmaligen Wiederverwendung vorgesehenen Bereichen langlebige Werkstoffe zu verwenden. Hierzu sind nach Ansicht des Projektteams kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) am besten geeignet.
„Diese weisen zwar einen vergleichsweise hohen CO2-Fußabdruck in der Herstellung auf, den sie aber bei richtigem Einsatz über die geringe Masse und nicht zuletzt die hohe Dauerfestigkeit bei langer Nutzung ausgleichen. CFK ist die bessere Alternative, wenn diese nicht sichtbaren Baugruppen wie im vorliegenden Konzept über mehr als einen Lebenszyklus genutzt werden“, erklärt Nossol.
Aufgrund der langfristigen Nutzbarkeit wurde kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff vor allem im Bereich der Schweller vorgesehen. „Hier werden die aus CFK-Röhren bestehenden Absorber in unterschiedlichen Winkeln angeordnet, um verschiedene Aufprallwinkel abzusichern. Die Absorber sind in topfartigen Aufnahmen befestigt, die so modular angeordnet sind, dass ein Austausch möglich ist“, so Nossol.
Sicherheit durch neuartigen Crash-Absorber
Ein wesentliches Kriterium für alle Fahrzeuge ist die Sicherheit der Insassen. Aus diesem Grund werden im Projekt KOSEL Crash-Szenarien simuliert, getestet und analysiert, um aus den gewonnenen Daten geeignete Sicherheitsmaßnahmen abzuleiten. „Im realen Betrieb treten diese für die Insassen kritischen Ereignisse glücklicherweise nur sehr selten auf. Daher eignen sich Crash-Absorber ganz besonders für die Wiederverwendung“, erklärt Nossol.
Anhand seiner Vorstudien am Fraunhofer IWU entwickelte Nossol das Konzept eines neuartigen Schwellers, der für den Schrägaufprall geeignet ist. Dieser basiert auf einem bestimmten Crash-Wirkprinzip: der Umstülpung von CFK-Crash-Rohren, deren speziellen Orientierung innerhalb des Schwellers und der Krafteinleitung über auxetische Strukturen.
„Die auxetische Struktur hat die ungewöhnliche Eigenschaft, sich bei einer Stauchung quer zur Stauchrichtung zusammenzuziehen“, erläutert Nossol. „Im Crash-Fall wirken die einzelnen Elemente zusammen. Der Schweller nimmt die Last auf und leitet sie in eine auxetische Struktur aus Polyurethan weiter. Diese erzeugt bei Kompression eine Stauchung orthogonal, also quer zur Belastungsrichtung, sodass die Kraft allmählich in die Crash-Rohre eingeleitet und die gewünschte Abbremsung des Fahrzeugs über ein kontrolliertes Versagen des Verbundwerkstoffs erzielt wird. Dabei werden möglichst viele kleine Faserbrüche angestrebt, die jeweils eine hohe Energie erfordern, was schlussendlich die Abbremsung des Fahrzeugs bewirkt.“
Nossol weist darauf hin, dass die intakten CFK-Crash-Rohre auch nach einem Unfall oder Betriebsende in neuen Fahrzeugmodellen oder -generationen wiederverwendet werden können. „Entweder 1:1 oder aber nach Zurechtschneiden an anderer Stelle, etwa im Heckbereich. Außerdem können wir mit diesen Faserverbundrohren gewichtsbezogen bis zu viermal mehr Energie absorbieren als mit Aluminium. Das heißt umgekehrt, dass der Crash-Absorber bei gleicher Energieabsorption etwa viermal leichter ist.“
Umweltfreundliches Konzept für die Zukunft
Das kreislaufgerechte KOSEL-Mobilitätskonzept ist für Flottenfahrzeuge mit mittlerer Stückzahl vorgesehen. Voraussetzung dafür ist laut den Forschern der Aufbau einer zirkulären Wertschöpfungskette, die Einzelbauteile nach dem ersten Lebenszyklus prüfen und falls erforderlich überarbeiten kann. Das Konzept soll Modellcharakter haben und weitere ähnliche Entwicklungen in der Mobilitätsbranche anstoßen.
Vor allem mit einer ausgearbeiteten, kreislauffähigen E-Fahrzeugplattform als Standardlösung ließen sich Entwicklungskosten und -risiken senken, so die Forscher. Über die Open-Source-Schnittstellen werde es zudem für Zulieferer attraktiv, passende Standardkomponenten bereitzustellen.
alupo meint
Ich habe zwar ein Rennrad mit einem Rahmen/einer Gabel aus CFK und bin hoch zufrieden damit, aber als umweltfreundlich hatte ich dieses Material wahrlich niemals eingestuft. Eher als ein „ausreichender bzw. gerade noch akzeptabler Kompromis“ aus sehr subjektivem Egoismus gegenüber der Umwelt. Denn m.W. läßt sich ein CFK Kunststoff überhaupt nicht stofflich recyceln und selbst bei leichten Unfällen (z.B. Fahrrad lehnt an der Mauer und fällt um auf eine asphaltierten Untergrund) wurde zumindest früher immer empfohlen, den Rahmen und die Gabel wegzuwerfen. Hat sich das geändert?
Mir ist schon klar dass in der Studie CFK seine Vorteile hinsichtlich seines spezifischen Gewichtes ausspielt (ist ja auch der Vorteil beim Rennrad, Gewicht bezigen auf die Steifheit der Konstruktion) was bei eAutos aufgrund seiner Rekuperation jetzt nicht mehr so bedeutsam ist wie mit ICE Autos und der längeren Nutzungsdauer weil man die innenliegenden Teile so konstruiert, dass man sie in einem zuküftig zu bauenden Auto wiederverwenden kann.
Diese Art „Second life“ könnte man auch heute schon machen und das wird in minimalem Umfang auch schon heute durch den Schrotthändler gemacht, ist aber wohl für die allermeisten Teile (außer z.B. Motorblock überholen und der wird bei Verbrennern auch zukünftig eher nicht aus CFK sein) nicht wirtschaftlich und daher tun das die alten Hersteller auch nicht.
Im Übrigen könnte man dieses Konzept einer verlängerten Nutzung durch generationenübergreifende Weiterverwendung auch heute schon bei Kunststoffen und Metallen verwenden und hätte damit dann auch eine bessere Umweltbilanz, m.M.n. besser als mit CFK.
Ich denke, BMW wußte schon warum sie ihren i3 eingestellt haben und warum sie den CFK Rahmen alter i3s nicht in neuen i3s wiederverwendet haben. Und das obwohl dies ein sehr teures Teil war.
Die Studie ist nett aber m.E. absolut nicht praxisrelevant weil selbst CFK Teile viel zu billig sind um sie manuell auszubauen, sie nach Jahren der Nutzung auf Fehlerstellen zu überprüfen, sie zu reinigen, sie dann wieder in neuen Fahrzeugen einzubauen und die Sicherheit dafür zu garantieren. Sorry, aber dafür reicht meine Phantasie auf Basis meines darüber sicher begrenzten Wissensstandes nicht. Aber die Zeit wird mich ggfs überzeugen? Machen wir eine Bestandsaufnahme z.B. in 2030?
OnlyAFoolUsesGoogleAndroid meint
„Die Studie ist nett aber m.E. absolut nicht praxisrelevant weil selbst CFK Teile viel zu billig sind um sie manuell auszubauen, sie nach Jahren der Nutzung auf Fehlerstellen zu überprüfen, sie zu reinigen, sie dann wieder in neuen Fahrzeugen einzubauen und die Sicherheit dafür zu garantieren.“
Solche Projekte dienen in vielen Fällen auch mehr zur Beschäftigungstherapie und die Ergebnisse zu einer vorher lyrisch anspruchsvoll verpackten Aneinanderreihung von Buzzwords (Antragstext) passend zu machen, als das praxisrelevante, sinnvolle Lösungen entstehen.
Jeff Healey meint
Hallo zusammen,
nach meinem Wissensstand gibt es heute noch kein günstiges Verfahren zum Recycling und zur Zweitverwendung von CFK-Schrott.
In der Hinsicht sind Stähle klar im Vorteil: Schmelzofen, neu formen, fertig (vereinfacht ausgedrückt). Und das fast unbegrenzt.
MAik Müller meint
Viele denken immer mit einem neun Auto ist alles Besser als mit dem Alten.
Hier ist der Grund warum ein neues Auto schlecht für die Umwelt ist:
„Die Produktion eines Automobils ist energie- und ressourcenintensiv.“
Deshalb wäre es gut wenn es KEINE 3 Jahres Wegwerf Leasing mehr gäbe.
Mäx meint
Auauauauuaauaa
Jörg2 meint
MAik…
Ich kenne keine Leasingverträge, nach derem Ablauf das Auto zwingend verschrottet wird.
Du?
OnlyAFoolUsesGoogleAndroid meint
Und wo sollen dann unsere günstigen Gebrauchtwagen herkommen? Von den Eigenzulassungen der Hersteller, die drei Jahre auf dem Flugplatz geparkt wurden?