Die RWTH Aachen hat ein „Internet-of-Sustainable-Production“-Konzept für eine wertsteigernde und lebensverlängernde Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Dazu wurden Demonstratoren präsentiert. Das Werkzeugmaschinenlabor der Universität hat zusammen mit dem Spin-off e.Volution ein Circular-Economy-Fahrzeug entwickelt, das 50 Jahre halten soll. Erstmals wurde zudem ein Teil einer „Upgrade Re-Assembly Factory“ gezeigt, in dem die Fahrzeuge alle fünf Jahre industriell erneuert und aktualisiert werden können.
Professor Günther Schuh, der schon die E-Fahrzeug-Hersteller StreetScooter und e.GO gegründet hat, will zeigen, dass sich Elektrofahrzeuge wesentlich günstiger und nachhaltiger bauen und betreiben lassen. Das Konzept dazu erfordert eine neue Modularität der Autos, in dem die selbsttragende Karosserie durch ein langlebiges Chassis und austauschbare kurzlebigere Exterieur- und Interieur-Komponenten ersetzt wird.
„Der Elektromotor macht das möglich, weil er 4–5-mal so lange lebt wie ein Verbrennungsmotor. Voraussetzung für die Upgrade-Fähigkeit der Fahrzeuge sind weitergehende Standards“, heißt es. Eine Art Linux für Autos, genannt OSCAR (Open Source Car Architecture Research), wurde auf dem RWTH Aachen Campus gegründet, um mit Herstellern, Zulieferern und Technologiepartnern die Akteure zusammenzubringen, die die rollierenden Standards festlegen.
Die RWTH Aachen zeigte erste generische Aluminium-Profil-Chassis für verschiedene Fahrzeugkategorien. Der Entwicklungs- und Homologationsaufwand für ein neues E-Fahrzeug werde dadurch drastisch reduziert und die Standardschnittstellen erhöhten die Skaleneffekte bei den Komponenten. Bis zu 80 Prozent heutiger Werkzeugkosten für die Karosserie würden durch das Aluminium-Profil-Chassis und das Thermoplast-Exterieur eingespart. Elektroautos und Fahrzeuge in kleineren Stückzahlen könnten so wesentlich günstiger hergestellt werden.

„Nahezu alle innovationsträchtigen und designrelevanten Komponenten wie Displays, Sensoren, Vehicle Computer, Batterie, Scheinwerfer, Außenhaut, Sitze, Interieur können in einer Re-Assembly Factory ausgetauscht werden“, erklären die Forscher. „Nischenfahrzeuge und zusätzliches Customizing durch Sonderfahrzeugbauer und Drittanbieter werden wirtschaftlich möglich und eröffnen damit neue Marktsegmente für außergewöhnliche und emotionalisierende Elektroautos.“
e.Volution präsentierte seine ersten beiden Fahrzeuge basierend auf dem OSCAR-Chassis: den Meta als Shuttle (6-7-Sitzer) mit multimedialen Büroarbeitsplätzen für Berufspendler und den Space mit kurzem und langem Radstand (5- & 7-Sitzer) als Dienstwagen für Langstreckenfahrer oder als Familien-Shuttle.
Die hohe Bauweise des Space schafft den Platz für Wasserstofftanks und Brennstoffzelle. Um „echte Reichweiten“ von 750 Kilometern und mehr zu erreichen, bekomme der Space in fünf Jahren einen Brennstoffzellen-Reichweitenverlängerer („Range Extender“), zu dem derzeit ein bauähnlicher, kostengünstiger Elektrolyseur für die Heimanwendung entwickelt werde, so e.Volution. Als Übergangslösung existiert ein Prototyp des Space mit einem Zweizylinder-Reichweitenverlängerer mit LPG-Tank. „Auch wenn der Langstreckenfahrer zu 85% ohne den Range Extender auskommen wird, verschafft ihm die Tankzeit von weniger als 5 Minuten die gefühlte unendliche Reichweite“, heißt es.
Damit die Nutzer grün und günstig fahren können, biete e.Volution die Fahrzeugbatteriemodule baugleich zusätzlich als Heimspeicher für Photovoltaikanlagen an. Die Fahrzeugbatteriemodule dienten dort in ihrem zweiten Lebenszyklus der Erweiterung der Heimspeicherkapazität. „Mit diesem Ansatz eines ganzheitlichen Ökosystems und dem Konzept der Circular Economy Fahrzeuge leistet e.Volution einen wichtigen Beitrag für konsequent nachhaltige Mobilität“, so das Unternehmen.
Jeff Healey meint
Tip von mir an e.Volution:
Den teuren, ineffizienten und unnötigen H2-Klimbim besser ganz weg lassen und lieber günstige LFP oder Natrium Akkus rein.
Die Standard-Bauteile nebst Schnittstellen möglichst günstig den vielen Kleinserienherstellern anbieten. Dann kann etwas wirklich Großes daraus werden: Bezahlbare und nachhaltige Mobilität für alle, in vielfältigen oder gegen Aufpreis sogar individuellen Außen-Design.
Heinrich Fitzcarraldo meint
… ein sehr vernünftiger und weitsichtiger Kommentar!
bin ganz deiner Meinung….
hu.ms meint
„biete e.Volution die Fahrzeugbatteriemodule baugleich zusätzlich als Heimspeicher für Photovoltaikanlagen an“
Interessanter ansatz.
Man könnte dann die 3-4 mal jährlich, wo grössere akku-kapazität im BEV benötigt wird, diese einfach vom stationären heimspeicher abstöpseln und ins auto nehmen. Gerne 20 kwh oder mehr. Dieses müsste natürlich dafür vorbereitet sein.
Viel sinnvoller als ein ineffizente H2-brennstoffzelle.
MAik Müller meint
Die Fahrzeuge sehen für miach aus als ob hier erstmals die Auflastung von 3,5t auf 4,2t genutzt wird.
Dann wird endlich EIN 80kg Mensch in einem 4200kg SUV transportiert :)
Michael meint
Je älter ein Auto ist, desto weniger will der Besitzer bezahlen Es gibt heute schon Traktoren und Wiesenmäher (AS Motor), die älter als 50 Jahre sind und noch ständig genutzt werden. Aber die sind stabil und es gibt Ersatzteile. Das reicht völlig. Wird es beim Auto aber nicht geben
Torsten meint
Doch, beispielsweise beim VW Käfer.
Sandro meint
Golf 1 auch, überhaupt kein Problem mit der Ersatzteilversorgung. Gibt genug Hersteller von Komponenten die sich auf solche Fahrzeuge spezialisiert haben.
Jörg2 meint
Aber DIESMAL klappt es wirklich!!!!
(Die H2-Fördertöpfe scheinen übervoll zu sein. Anders kann ich mir diese Entwicklungsrichtung in die Sackgasse nicht vorstellen.)
Jeff Healey meint
Na ja, da ist ja doch einiges mehr an dem Projekt als nur das Thema H2. Interessant ist es allemal. Ob davon jemals wirklich irgendwelche Produkte für die Realität entstehen? Time will tell.
Jörg2 meint
Jeff
H2 im Pkw-Projekt zu haben und dann irgendwie von „grün“ und nachhaltig etc. zu sprechen, passt für mich nicht zusammen.
Wenn es denn um 50 Jahre Haltbarkeit geht, dann geht es erstmal um Verringerung der eventuell ausfallenden Bauteile. Und da ist H2 vs. BEV schon recht weit hinten dran.
Als studentische Fingerübung und universitäre Drittmittelakquise (und als „Prof Schuh“-PR) sicherlich gut geeignet.
Ich vermute, wir werden demnächst von seiten der H2-Lobbyisten ein „ganzheitliches Konzept“ sehen, wo diese Idee mit drin vorkommt.
Jeff Healey meint
Das ist meiner Meinung nach ein höchst interessanter und längst überfälliger Ansatz für die nachhaltige Produktion und Nutzung von E-Fahrzeugen. Der Gedanke eines E-Fahrzeugs mit mindestens fünfzig Jahren Nutzungsdauer passt auf die Herausforderungen des Klimawandels und des überbordenden menschlichen Resourcen-Verbrauchs, ohne die Bedürfnisse des Menschen an die individuelle Mobilität zu beschneiden.
Jedoch ist es meines Erachtens leider höchst unwahrscheinlich, dass dieses Projekt jemals Erfolg haben wird, denn dafür fehlen die gesetzlichen Rahmenbedingungen und der politische Wille: Produkte mit einer derart hohen Lebensdauer sind von unserem Wirtschaftssystem nicht erwünscht, Stichwort „geplante Obsoleszenz“.
Der Rubel muss stetig rollen, Umweltzerstörung hin oder her, alles andere würde unsere derzeitige Gesellschaftsform und den Kapitalismus allgemein in Frage stellen.
Darüberhinaus wird die Frage aufkommen, welcher Preis bei einem solchen Produkt bzw. Fahrzeug anzusetzen wäre.
Fragen über Fragen. Die unbequeme Wahrheit ist: So wie bisher kann es nicht mehr lange gutgehen.
Eugen P. meint
Die Idee klingt nett, aber wenn man über die Lebensdauer fast alle Komponenten außer die Rohkarrosse (mehrfach) tauscht dürfte das em Ende ebenso teuer wie 2 Fahrzeuge kommen und auch nicht nennenswert Ressourcen einsparen.
Im Bereich Infotainment könnte man auch einfach ein DIN2 Gerät verbauen.
Jeff Healey meint
Na ja, heute ist es doch eher so, dass die meisten Budget-Autos wirtschaftlich irgendwann nicht mehr reparabel sind, mit Verbrennungsmotor ihr 25. Jahr nicht mehr erleben und in der Schrottpresse landen. Wie im Text beschrieben, hält ein E-Motor in der Regel fünf mal so lang, während der Akku in der Zwischenzeit mindestens ein Mal getauscht werden müsste. Dieser kann jedoch im Gegensatz zu den Hauptkomponenten eines Verbrenners in die Zweitverwendung als stationärer Speicher gehen.
Jeff Healey meint
EugenP schrieb:
Die Idee klingt nett, aber wenn man über die Lebensdauer fast alle Komponenten außer die Rohkarrosse (mehrfach) tauscht dürfte das em Ende ebenso teuer wie 2 Fahrzeuge kommen und auch nicht nennenswert Ressourcen einsparen.“
Ich habe gerade noch einmal über EugenP‘s Antwort nachgedacht und möchte näher darauf eingehen: Die Außenteile der Karosserie sollen laut RWTH Aachen in Thermoplast ausgeführt werden. Thermoplast ist über Jahrzehnte witterungsresistent und auch ansonsten äußerst robust, deutlich unempfindlicher als lackierter Stahl. Deine Herstellung benötigt deutlich weniger Energie als die Erzeugung und Umformung von Stahl.
Den Ansatz der RWTH Aachen halte ich daher für vielversprechend. Dieser Ansatz geht genau in die von mir seit ca. 10 Jahren angedachte Richtung.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn auf der Basis dieser Forschungen viele kleinere Unternehmen beginnen könnten Ihre Fahrzeuge zu entwickeln.
Jörg2 meint
Jeff
Reicht da nicht eine langjährige Ersatzteilversorgung?
Warum sollte ein Erstersteher mit einer Haltezeit von 3 Jahren oder auch von 12, das Problem eines Nutzers in 25 Jahren mitbedenken?
Jeff Healey meint
Denkbar sind zukünftige Produkte/Fahrzeuge, die vererbt werden. Aber so weit sind wir noch nicht. Das Wasser steht uns noch nicht bis zum Hals.
Jörg2 meint
Jeff
Ja, wer H2-Lösungen im Pkw-Bereich sieht, hat das Klimaproblem nicht verstanden.
Jeff Healey meint
Jörg2,
da bin ich gleicher Meinung: H2 im PKW ist mit all seinen Umwandlungsverlusten pure Energieverschwendung. Das hat sich leider immer noch nicht überall herumgesprochen.
Mir gefällt jedoch abgesehen von der H2-Problematik das übrige Gesamtkonzept der RWTH Aachen: Das Individual-Fahrzeug als Produkt mit großem CO2-Rucksack muss meiner persönlichen Meinung nach zukünftig deutlich länger genutzt werden.
Jörg2 meint
Jeff
Da bin ich ganz bei Dir!
Der Prof glaubt aber zu wissen, womöglich gestützt auf die 100 Jahre Automobilbau in Europa, was als Auto in 25…35…45 Jahren so gebraucht wird.
Mit dieser In-die-Zukunft-Fortschreibung fällt diese 100jährige Automobilindustrie gerade auf die Nase.
Meine Hoffnung, für einen Zukunftshorizont von >20 Jahre:
Der Pkw-Markt ist in Europa sehr geschrumpft.
Die Nutzer von Personenkapseln interessieren sich sehr wenig für Ziernähte.
Der Eigenheimbau ist wirtschaftlich uninteressant.
Die Pendlerpauschale ist auf eine Entfernung von 30km gedeckelt.
Die AfA für Pkw wird auf 25 Jahre erhöht.
….
Heinrich Fitzcarraldo meint
… ohne jetzt grün oder rückwärts orientiert zu sein:
könnte man ganzheitlich nicht unser Wirtschaftssystem überdenken?
Und ich habe noch lange nicht gesagt: ÄNDERN ….
Jeff Healey meint
Unser bestehendes System bringt unser Ökosystem nachweislich und in großer Geschwindigkeit an den Kipp-Punkt. Wir sollten der Wissenschaft genau zuhören.
Die Menschheit wird ihr Wirtschaftssystem überdenken MÜSSEN.
Vielleicht erleben das einige von uns noch.
THeRacer meint
… Mutter Erde wird ihren frechen und ungezogenen B(P)agen schon bald gewaltig auf die Sprünge helfen, … wer nicht hören will wird fühlen müssen.
THeRacer meint
… B(P)lagen …