Bei einer Fachtagung des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. (BBM) wurde herausgearbeitet, was große und kleine Fuhrparkbetreiber bei ihrer Elektrifizierung beachten müssen und über die bisherigen Erfahrungen gesprochen.
Bremser & Treiber
Im Workshop wurde klar, dass die Firmen auf Nachhaltigkeit und CO2-Senkung setzen, aber natürlich auch die gesetzlichen Vorgaben im Blick haben. Das Verbrenner-Aus vor Augen wäre es fahrlässig, sich nicht mit Alternativen zu beschäftigen. Außerdem ist eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit setzt, nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für das Image und die Arbeitgeberattraktivität. Elektromobilität sei aber nicht nur eine Investition in die Zukunft, auch Kostenargumente wurden angeführt, denn Unternehmen profitierten durch reduzierte Verbrauchskosten und seit einiger Zeit von den Fördermaßnahmen des Bundes. Und für Mitarbeiter ist ein reduzierter geldwerter Vorteil zu versteuern.
Bedenken erzeugen die noch zu schwach ausgebaute Ladeinfrastruktur, eingeschränkte Reichweiten, lange Lieferzeiten, ein zu geringes Fahrzeugangebot und die Kosten nach dem Stopp der Förderungen für Unternehmen ab diesem September. Auch der administrative Aufwand wurde als zu hoch bezeichnet, „ganz abgesehen davon, dass es nach wie vor viele Mitarbeiter gibt, die Vorurteile haben oder Elektrofahrzeuge grundsätzlich ablehnen, zum Beispiel weil die Modelle die privaten Anforderungen nicht erfüllen“.
Förderungsverweigerung bremst, aber hält nicht ab
Die Fuhrparkverantwortlichen haben derzeit immer wieder Schwierigkeiten mit Zulieferern und der mangelnden Verlässlichkeit von Lieferterminen. Auch Hersteller wie Tesla wurden kritisiert, da der gesamte Kaufprozess auf Privatkunden ausgerichtet sei und die Serviceangebote überwiegend nicht zu gewerblichen Fuhrparkkunden passten. Die Kritik beginnt bei Bestellprozessen, geht über Lieferprozesse und die eigentliche Fahrzeugübergabe bis hin zu nicht gelösten Anforderungen der gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften. Einige BBM-Mitglieder berichteten, dass sie Tesla aus diesen Gründen auslisten oder ausgelistet haben.
Auch die Entwicklung der Energiekosten ist bei den meisten Unternehmen ein zentrales Thema, mit der Konsequenz, dass bei den Investitionsentscheidungen die Fahrzeuge kleiner und günstiger werden. Ein wirtschaftliches Debakel und Planungsunsicherheit sehen alle durch den Wegfall der Förderungen für Unternehmen ab September 2023 gegeben. „Das ist sehr ungünstig für den Prozess, ändert aber nichts an unserer Entscheidung den Weg konsequent zu gehen“, so Eugenia Becker, Projektleiterin Elektrifizierung bei Schwarz Mobility.
Besonderheiten
Wenn Elektrofahrzeuge im Einsatz sind, gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Anwälte machten deutlich, dass es auch ein ganzes Bündel an rechtlichen Fragen gebe, die bedacht und teilweise neu in die Prozesse integriert werden müssten. So müssten Fahrzeugüberlassungsverträge, das Vorgehen bei den Unfallverhütungsvorschriften, Versicherungsthemen und Besonderheiten bei Unfällen im Blick behalten und überarbeitet werden.
„Die meisten Gefährdungen bestehen durch eine unzureichende Kenntnis in der Bedienung und im Umgang mit Hochvoltfahrzeugen“, erklärte Anwalt Roman Kasten. Das bestätigte auch Martin Kaus, Fachreferent für Unfallverhütungsvorschriften und Berufsgenossenschaftliche Fragen des BBM. Einiges sei neu: „Wussten Sie, dass das Ladekabel vor jeder Nutzung auf offensichtliche Schäden geprüft werden und jährlich gemäß DGUV Vorschrift 3 durch eine Elektrofachkraft geprüft werden muss?“ Das sei nur ein Aspekt von vielen Vorschriften, die nur bei E-Fahrzeugen vorkommen.
E-Transporter im Fuhrpark sind noch ein weiterer Sonderfall. Das Segment hinkt den positiven Entwicklungen bei E-Pkw deutlich hinterher. „Wir sehen geringe Nutzlast, fehlende Anhängelast, geringe Real-Reichweite, eine nicht ausreichende öffentliche Ladeinfrastruktur und zu lange Ladedauer als Hürden“, sagte Christian Reiter, Fachreferent Nutzfahrzeuge beim BBM. Es werde noch dauern, um praxistauglichere technische Lösungen zu entwickeln und anzubieten.
Interesse an Plug-In-Hybriden sinkt
Ein großes Thema drehte sich um die Fahrzeugangebote und auch um die „Mogelpackung“ Plug-In-Hybride (PHEV), wie der BBM die Fahrzeuge getauft hat. Dass originalverpackte Ladekabel bei der Fahrzeugrückgabe im Kofferraum liegen, berichteten gleich mehrere Fuhrparkverantwortliche. Plug-In-Hybride seien aber dennoch als eine Art „Einstiegsdroge“ für viele Fahrer wichtig und die erste Berührung mit dem elektrischen Fahren gewesen. Unter dem Strich würden die Fahrzeuge aber mehr und mehr wegen hohem Verbrauch und mangelnder Wirtschaftlichkeit ausgelistet. Das liege auch an der schlechten Quote der Stromnutzung.
Patrick Plötz, Leiter Geschäftsfeld Energiewirtschaft des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, stellte Forschungsergebnisse einer PHEV-Studie seines Instituts vor, die die Diskrepanz deutlich machte. So lagen die elektrischen Fahranteile bei Dienstwagen gerade mal bei 10 bis 20 Prozent, bei privat genutzten Fahrzeugen bei 40 bis 50 Prozent. Die Folge: Die Kraftstoffverbräuche und -Emissionen liegen bei Dienstwagen sehr hoch: drei- bis fünfmal höher als die WLTP-Typgenehmigung und Herstellerangaben, nur 75 Prozent der Dienstwagen schaffen die dreifachen Verbräuche.
Allerdings gebe es Steuerungsmöglichkeiten: beispielsweise eine begrenzte Tankkarte, aber eine unbegrenzte Ladekarte. Doch die meisten Unternehmen lassen der Veranstaltung zufolge die Möglichkeit einen PHEV zu nutzen auslaufen und die Nachfrage lässt bereits nach. Dazu kommt: Ob und wann es welche Anpassung der Dienstwagensteuer geben wird, ist unklar. Laut BBM-Steuerexperten Gerhard Nolle sind Änderungen für 2023/2024 nicht geplant oder in Sicht. Da könne noch was kommen. Und ab 2025 sinke der Wert von PHEV für die Hersteller in den Flottengrenzwerten. „Wir sehen derzeit den Anfang vom Ende der PlugIn-Hybride in Europa“, so Plötz.
Modellvielfalt & Leichtfahrzeuge im Fuhrpark
Zufrieden waren die Teilnehmer mit der Entwicklung der Modellvielfalt bei den batteriebetriebenen Pkw. Es seien zwar immer noch nicht alle notwendigen Fahrzeugmodelle als E-Variante zu haben, die Hersteller seien aber auf einem guten Weg. Offen sind die meisten Teilnehmer für chinesische Angebote, wenn der Service stimmt und auch auf Fuhrparks ausgerichtet sei und nicht „der Tesla-Weg“ gegangen wird.
Markus Emmert, Vorstand des Bundesverbandes eMobilität BEM, brach eine Lanze für Leichtfahrzeuge. Man müsse raus aus der Pkw-Fixierung. „Unser Mobilitätsverhalten muss sich in eine effiziente, nachhaltige CO2-freie Mobilität wandeln“, so Emmert. Beim notwendigen Transformationsprozess im Verkehrssektor dürfe es nicht nur um die Transformation des Antriebs gehen, sondern er müsse die Transformation der Mobilität in Gänze betreffen.
Die Vorteile der Leichtfahrzeuge lägen auf der Hand: „Sie sind klein im Platzbedarf, benötigen weniger Material in der Herstellung, variieren nach Mobilitätsbedürfnis, entlasten Städte im Bereich der letzten Meile und sind CO2- und geräuschfrei. Auch in Sachen Primärenergieverbrauch bilden sie eine erhebliche Energie- und Umwelt-Entlastung, weshalb Leichtfahrzeuge energetisch den Elektro-Autos sogar eine Nasenlänge voraus sind.“
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
„….zum Beispiel weil die Modelle die privaten Anforderungen nicht erfüllen“.“
Dann soll der Staat doch die privaten Steuervorteile für Dienstwagen abschaffen, dann löst sich dieser Punkt der undankbaren Bedenkenträger einfach in nichts auf.
Fritzchen meint
Ein sehr interessanter Bericht.
Außendienstmitarbeiter lehnen ein eAuto ab, weil die Ladezeit zu lange dauert und ggfs. täglich erfolgen muss. Unter Umständen muss man also nachts aufstehen, um den Ladevorgang zu initiieren oder zu beenden. Wer will das schon – jemandem zumuten?
Daher bleibt der Diesel-Kombi unantastbar, solange es geht.
David meint
Dass Tesla ausgelistet beziehungsweise gar nicht erst eingelistet wird, ist seit Jahren bekannt. Jetzt plötzlich hat Tesla entdeckt, dass es in Europa Sinn machen kann, ins Firmenwagen-Segment einzusteigen. Nur hilft es dabei wenig, wenn man ein spezielles Modell anbietet. Es müssen sich eben sämtliche Prozesse und Verfahren im Hause Tesla im Zusammenhang mit dem After Sales verändern. Das wird nicht passieren, weil man die Prozesse mit Absicht weltweit so gewählt hat, um am Kundendienst Geld zu sparen.
Ansonsten ist ESG die neue Waffe, um dem Elektroauto bei Firmenkunden den Durchbruch zu verschaffen. Es nutzt einer Firma in der Gesamtbewertung, wenn die Flotte elektrisch ist. Daher kommt da Prio drauf.
Leichtfahrzeuge haben damit überhaupt gar nichts zu tun. Dieser Vorsitzende eines winzigen Interessenverbandes für eine Nischentechnologie ist in diesem Thema einfach nicht der richtige Ansprechpartner. Er sollte sich damit trösten, dass bereits eine extreme Gewichtsreduzierung beim Lasttransport passiert ist, weil der PKW Führerschein nach 1999 keine 7,5t LKW mehr inkludierte. Daher sind kleine LKW in großen Teilen zugunsten von aufgelasteten Fahrzeugen der Sprinter-Klasse abgeschafft worden. Sparte pro Fahrzeug fast 3t Gewicht.
Im Zusammenhang mit der Umstellung eines Firmenfuhrparks geht es allerdings darum, vorhandene Verbrenner schnell zu ersetzen. Am BMW i5 sieht man sehr gut, wie man dabei die
Menschen mitnimmt: Er sieht genau aus wie ein Verbrenner, hat eine ungenutzte Fronthaube, es gibt den sogar als Kombi und nichts deutet von außen darauf hin, dass er ein Elektroauto ist.
eCar meint
@David
Beim letzten Absatz musste ich prustend loslachen. 🤣🤣🤣
Also vom Marketing verstehst du was! Respekt! 👍
Ich habe mir gestern bei CM das Video vom neuen i5 angesehen, erschreckend was sich BMW dabei geleistet hat. Plastikwüste im Innenraum, hinten nicht mehr Platz als im TM3, eine Motorhaube in der ein 10Liter V16 reinpassen könnte und dennoch keinen Frunk hat. Ein fünf Meter Schlachtschiff mit 2400kg Lebendgewicht ohne Eleganz der alten 5er. Das nennt man Ressourcenverschwendung!
MAik Müller meint
@eCar keine Angst ein SUV kommt sicher auch noch.
Das nennt man Ressourcenverschwendung!
Thorsten meint
„Die Vorteile der Leichtfahrzeuge lägen auf der Hand: „Sie sind klein im Platzbedarf, benötigen weniger Material in der Herstellung, variieren nach Mobilitätsbedürfnis, entlasten Städte im Bereich der letzten Meile und sind CO2- und geräuschfrei. Auch in Sachen Primärenergieverbrauch bilden sie eine erhebliche Energie- und Umwelt-Entlastung, weshalb Leichtfahrzeuge energetisch den Elektro-Autos sogar eine Nasenlänge voraus sind.“
Ob der Herr Fuhrpakleiter dann auch als Vorbild einen Twizzy/Opel Rocks fährt oder ist es dann doch eher z.B. der standesgemäße i4/i5 oder EQE..?
MAik Müller meint
@Thorsten es ist ein Panzer SUV mit über 2t für den Transport von 90kg Mensch :)
eBiker meint
Der Herr ist kein Fuhrparkleiter der ist LobbyLeiter beim BEM.
Natürlich wird der ne dicke eKarre fahren.
MAik Müller meint
Wahrscheinlich ein SUV mit über 2t :) Die 2t stehen ganz sachlich im Fahrzeugbrief.
DIESELMAIK meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.