Hyundai-Aftersales-Chef Karl Hell hat im Gespräch mit der Automobilwoche über seine Erwartungen für den Bereich gesprochen. Die Transformation hin zu Elektroautos wird demnach einiges verändern.
Die Servicezeiten würden durch die E-Mobilität um ungefähr die Hälfte zurückgehen, sagte der Manager. „Bei Verbrennern sind wir heute im Schnitt bei zwei Stunden, bei E-Autos wird es nur noch eine Stunde sein.“ Diese Entwicklung sei aber nicht neu: 1995 habe das Unternehmen pro Fahrzeug noch 6,5 Stunden verkauft. Der bevorstehende Wandel werde jedoch viel schneller als die früheren Veränderungen stattfinden.
Auffangen will Hyundai das mit der „Servicestrategie 4.0“. Diese umfasst drei Dimensionen, an denen die Händler zeitgleich arbeiten müssen: alte Servicewelt, neue Servicewelt und Übergangswelt. Die erste Dimension beinhalte die normalen Verbrennerautos, fast 46 Millionen. „Die werden uns noch acht bis zehn Jahre begleiten. Deren Umsatzpotenzial müssen wir besser ausschöpfen“, erklärte Hell.
Es gehe darum, mit bestehenden Ressourcen mehr Umsatz zu erwirtschaften. Das Thema werde das Unternehmen auch in der zweiten Dimension, der neuen Servicewelt, begleiten. Allerdings sei dort das Geschäftsmodell ein völlig anderes. „Den Service, den wir heute kennen, mit Ölwechsel und vielen Verschleißteilen, wird es nicht mehr geben. Der Handel muss darum rund um das E-Auto neue Produktbausteine aufbauen und vermarkten, etwa die Ladeinfrastruktur“, so der Manager.
In den neuen Geschäftsmodellen liegt nach Ansicht von Hell viel mehr Potenzial als in einem Ölwechsel. Schon heute sei der Zubehörumsatz pro Fahrzeug bei E-Autos doppelt so hoch wie bei Verbrennern. „Um aber von der alten Welt in die neue Welt zu kommen, brauchen die Betriebe schließlich noch die dritte Dimension. Das sind Geschäftsfelder, die es sowohl bei Verbrennern als auch E-Autos gibt und die bisher vernachlässigt wurden. Dazu zählt beispielsweise das Geschäft mit Smart Repair.“ Viele Betriebe hätten das aus ihren Werkstätten verbannt. Dieses Geschäft müssten sie zurückholen und professionalisieren.
Gleiches gelte für das Reifengeschäft. Gerade bei Elektroautos mit ihrem höheren Reifenverschleiß gebe es da viel Potenzial. „Mit unserer Strategie sind wir dabei, den Handel fundamental zu verändern“, so Hell. Das Hauptproblem sei aktuell jedoch gar nicht so sehr der mögliche Rückgang in einigen Jahren – es gebe viel zu hohe Vorlaufzeiten in den Werkstätten. „Wir schlittern mit dem demografischen Wandel gerade in die nächste große Krise. Es gibt immer weniger Fachkräfte. Wir müssen dringend die Ausbildung junger Menschen und die Loyalität der Mitarbeiter zu ihren Autohäusern optimieren.“ Das sei die zweite große Herausforderung der nächsten Jahre.
Grundsätzlich soll jede Werkstatt im Hyundai-Netz weiterhin jede Reparatur ausführen können. Mit einer Ausnahme: „Neue Batterietechnologien werden viel tiefgreifendere Eingriffe in die Batterie erlauben, als es bisher der Fall ist. Für solche Arbeiten, die über einen einfachen Modultausch hinausgehen, wollen wir zukünftig eine zentrale Batteriereparatur aufbauen“, sagte Hell. Damit gäbe es auch bessere Möglichkeiten zum Batterierecycling. Vorstellbar wäre, dass man alte Batterien zentral einsammelt und ein Austauschverfahren anbietet. Käufer eines älteren E-Autos könnten sich dann beim Händler eine Zweit-Batterie kaufen. Das würde den Gebrauchtwagenmarkt umkrempeln und den Händlern ein neues Geschäftsmodell eröffnen.
Flo meint
Zusammengefasst: Der Handel soll kreativ sein um dem Kunden weiterhin (viel) Geld mit Serviceleistungen abzunehmen. Das wird aber nicht funktionieren, Wischwasser und Hepa-Filter kann man selbst machen, Bremsen sofern nötig machen lassen. Tesla macht immer mehr SuperCharger-Umsatz und den OEM schmilzt das After-Sales-Geschäft weg. Das Händlernetz wird sich konsolidieren, wie bei den Banken.
MAik Müller meint
@Flo das ist der Wunsch der Autokäufer. Richtig.
Aber Kunde ist der AG-Inhaber der Hersteller. Der will MAXIMAL viel Geld verdienen und wird die Kunden dazu bringen viel Geld auszugeben.
Gut gelöst wurde das z.B. in der Tintenstrahldrucker Branche!
EdgarW meint
„Gerade bei Elektroautos mit ihrem höheren Reifenverschleiß“ – ist dem wirklich so? Ich hab bei meinem Octavia die Reifen nach jeweils ca 60.000km ausgewechselt (jeweils separat für Sommer- und Winterreifen ausgewertet). Und mein Ioniq ist jetzt 50.000km mit Ganzjahresreifen (Michelin EnergySaver) gefahren (die originalen Sommerreifen hab ich nach 7.000km verkauft, ich hab sie so lange Basis für den Verbrauchs-Vergleich behalten), sie haben noch genug Futter für weitere ca. 10.000km.
Allerdings fahre ich auch mit dem Ioniq einigermaßen reifenschonend, wie zuvor auch. Vermutlich werden viele BEV-Käufer sich nicht beherrschen können, die Beschleunigung immer wieder nutzen wollen und rubbeln ihre Pneus unnütz schnell ab. Insofern mag die Aussage leider zum Teil stimmen. Gut für die Werkstätten, höhere Beanspruchung fördert auf allen Ebenen den Verschleiß …
ChriBri meint
Ich habe dieselbe Erfahrung mit dem ID 3 nach 75000 km gemacht, jeweils mit Sommer- und Winterreifen, hat selbst den Reifenpartner überrascht. Auf beiden Reifensätzen waren noch 6 mm Profil. Es hängt schon sehr stark von der Fahrweise ab, und man muss dabei auch nicht ein Verkehrshindernis sein.
MAik Müller meint
@EdgarW wäre es möglich das Eautos aktuell deutlich mehr wiegen?
Daraus ergibt sich ein höherer Reifenabrieb. Physik halt.
Ich sehe da aber kein Problem.
ShullBit meint
Dieses „Wissen“ mit dem ach so hohen Reifenverschleiß ist meines Erachtens aus 3 Gründen überholt.
Es stammt aus der Zeit, als die etablierten OEM ihre ersten Elektroautos angeboten haben, in dem sie Verbrenner zu BEV umgebaut haben. Da kamen dann SUVs mit 2,5 Tonnen Gewicht und mehr heraus. Ein Tesla Model 3 wiegt etwas 100kg mehr als ein ungefähr vergleichbar ausgestatteter A4. Das ist dann nicht der große Verschleißfaktor.
Und dann wurden in der Anfangszeit eben verfügbare Reifen aufgezogen, die mit diesem Gewicht relativ am Limit waren. Mittlerweile ist der Markt groß genug, als dass viele Reifenhersteller spezielle Reifen für BEV auflegen.
Elektroautos kamen zunächst vor allem als relativ große, leistungsstarke, sportliche Autos, weil man die Kosten in Kleinwagen nicht gut umlegen konnte. Wenn man die hohe Leistung dann nutzt, dann gibt es eben auch ein höheren Reifenverschleiß. Wenn sich BEV in allen Fahrzeugsegmenten durchsetzen, wird sich das normalisieren. Die werden dann nicht alle von 0 auf 100 in 3,5 Sekunden beschleunigen.
Dieter K. meint
Ganz klar: Wer das Spasspedal immer bis zur Ölwanne ( finde den Fehler…. ) durchdrückt, der hat einen höheren Reifenverschleiß. Eigentlich logisch.
EdgarW meint
@Dieter K wenn das dann die Definition von Spaß im Leben ist.
Oh ich bin ja auch nicht heilig, diese Spaßdefiniton hatte ich auch mal. Hat mich eine Kupplung und gleich im Anschluss noch ein Getriebe gekostet. Der Reparaturbetrieb hatte dann mehr Spaß als ich.
nie wieder Opel meint
Taycan?
kritGeist meint
Neben den Autoverkäufern, werden sich die Reifenverkäufer auch umstellen, sieht man schon jetzt, wo E-Auto-Service, neben Reifen, angeboten wird (reifen24, ..) oder wie Euromaster, dass auch chin. E-Autos für Testfahrten anbietet!
Die Autohändler sollten sich weiter auf den Service um die Akkus kümmern, denn sie können schneller das Knowhow erarbeiten. Dazu solche Möglichkeiten, wie die n-Strategie von Hyundai.
Ein grosser Hersteller (glaube Ford) hat zum J-Anfang die bisherigen Verträge mit den bisherigen Händlern aufgelöst & verhandelt neu.
David meint
Sehe ich genauso. Wie die Hersteller mehr Wertschöpfung inhouse machen, sollten das auch die Werkstätten tun. Car Cosmetic, Beulendoktor, Smart Repair und Aufbereitung, auch Tuning wie Anbauteile, Reifen/Felgen, Fahrwerke. Sattler und Lackierer wäre für größere Betriebe schlau. Ebenso Folierung.
Ja, vieles von dem haben Betriebe oft schon. Aber wie! Nicht schön angeboten, alles über die typischen Annahmedamen, da muss man viel Zeit mitbringen und man erfährt wenig, dafür wird es gerne teuer. Auch das Thema Zubehör kann man deutlich ausbauen. Bei allem muss man sich vom Hersteller lösen dürfen. Ebenso muss das Thema Gebrauchtteile mit Garantie von vielen Herstellern noch angegangen werden.
nie wieder Opel meint
Da lerne ich das App-Erlebnis bei Tesla noch mehr schätzen. Schon die Fahrzeug-Bestellung eine super einfache, unkomplizierte Sache – begeistert mich jedes mal wieder, zumal es immer besser wird.
Werkstatt buchen genauso easy. Scheibe kaputt, vier Klicks – gebucht. Fehler am Sitz – mit vier Klicks gemeldet – Termin gebucht, Ranger kommt und macht das vor Ort.
Kokopelli meint
Das kennt David nicht, der muss demnächst mit seinem Taycan in die Werkstatt um das PTC Element von Webasto austauschen zu müssen. Das Teil fällt bei allen Taycan Modellen früher oder später aus. Aber dann hat er vielleicht das Vergnügen wie Ove mehrere Tage einen Porsche Macan mit VW VIerzylindermotor fahren zu dürfen…
kritGeist meint
VW hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert, die Software – Updates für Skoda Oktavia über 1.5 J. nicht bereitgestellt, also die Software, die schon bei Kauf fehlerhaft war.
Andi EE meint
Ranger … klingt für mich extrem sinnvoll. Beide profitieren von, der Hersteller kann den Bedarf an Werkstätten stark verringern und der User braucht das Fahrzeug nicht umständlich abgeben und wieder holen.
Und der Text oben im Artikel liest sich für mich eher so:
„Jetzt müssen wir schauen wie wir die Kohle wieder reinholen, weil es so viel weniger mit dem BEV zu tun gibt. Aber keine Angst, wir haben uns schon eine Taktik überlegt, wie wir dem User das Geld aus der Tasche ziehen.“
MAik Müller meint
@Andi EE
RICHTIG!
„wir dem User das Geld aus der Tasche ziehen.“
das beginnt schon beim Fahrzeug ENTWURF. Dort kann man die Komponenten mit einer passenden Kurzlebigkeit versehen :)
nie wieder Opel meint
Fällt mir ein besonderer Hersteller ein: Zahnriemen ohne Wechselintervalle. Das muss erstmal einer erfinden, unglaublich. Womit wir wieder beim Thema Wegwerfauto sind.