Die EU steht vor der Entscheidung zu Strafzöllen für importierte Elektroautos aus China. Die Politik sieht eine Gefahr für die hiesigen Autohersteller durch staatlich subventionierte Fahrzeuge aus der Volksrepublik. Der CEO des chinesischen Elektroautobauers William Li kritisiert die geplanten Maßnahmen scharf.
Nio wäre von den erwarteten Strafzöllen stark betroffen, da es seine Modelle für den europäischen Markt aus dem eigenen Werk im chinesischen Hefei importiert. Das Start-up steht vor der Einführung zwei neuer Marken für erschwinglichere Elektroautos, die insbesondere auch europäische Kunden überzeugen sollen.
„Die Untersuchungen der EU-Kommission ergeben keinen Sinn. Wer zuletzt in Peking auf der Auto Show war, hat gesehen, wie sehr sich chinesische Automobilhersteller bemühen, die modernsten Technologien im Markt zu nutzen, um ihren Beitrag zur Dekarbonisierung und zum Umweltschutz zu leisten“, sagte Li laut der Automobilwoche bei der Eröffnung des Nio-Markenhauses im niederländischen Amsterdam.
„Es ist ein sehr kompetetiver Markt. Diese Hersteller sind darauf angewiesen, ihre Produkte auch außerhalb von China anzubieten, um überlebensfähig zu sein. Diese Zölle würden chinesischen Firmen die Chancen nehmen, ihre Produkte überall anzubieten. Deswegen sind wir gegen diesen Ansatz“, so Li. „Nichts von dem, was in China passiert, hat mit zu großer staatlicher Unterstützung zu tun“, sagte er. Elektroautos würden gefördert, aber das sei auch in Europa und den USA der Fall. „Wie wir schon immer gesagt haben, sind Elektroautos wichtig für die Dekarbonisierung und sollten nicht das Ziel von Zolluntersuchungen sein.“
Nio für „offenen Wettbewerb“
Der Nio-Chef verwies auf Äußerungen von Managern europäischer Autohersteller, die gegen Zölle seien. „Man sollte keine Zölle gegen einen Wettbewerber verhängen, den man auch im offenen Wettbewerb schlagen kann“, meinte er.
Sollten neue Zölle kommen, würden sie das Geschäftsmodell für Nio als Premiummarke aber nicht verändern, erklärte Li auf Nachfrage der Automobilwoche. Für den geplanten Markteintritt der neuen Submarken Onvo (ab Ende 2024) und Firefly (ab Anfang 2025) auf dem europäischen Kontinent könnte die EU-Entscheidung jedoch Konsequenzen haben. „Am Ende müssen sich unsere Investitionen für uns auszahlen“, sagte der Nio-Chef.
Für ein eigenes Werk in Europa seien die Absatzzahlen noch nicht hoch genug, erklärte der CEO und Gründer des chinesischen Herstellers: „Für uns hängt eine Entscheidung über eine Produktion in Europa davon ab, wie erfolgreich unsere Produkte sind. Wenn das Kundeninteresse da ist, werden wir es tun.“ Eine eigene Fabrik sei ab 100.000 abgesetzten Fahrzeugen in Europa eine realistische Option.
Nio liegt in Europa noch hinter den Erwartungen zurück. So wurden etwa in Deutschland im ersten Quartal nur 102 Neuzulassungen registriert. Hierzulande ist die Marke seit 2022 aktiv. Das Angebot besteht aus der Mittelklasselimousine ET5 und deren Kombiversion, den SUV EL6 und EL7 und der großen Limousine ET7. Diese Modelle bietet die Marke im Abo sowie zum Kauf an. Wer ein Elektroauto von Nio erwirbt, kann die Batterie kaufen oder mieten.
Für den europäischen Markt forderte Li weiterhin Geduld: „So etwas braucht Zeit. Wir haben eine weitaus geringere Infrastruktur als Tesla, auch der gesamte Aftersales-Bereich muss sich erst entwickeln. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“
M. meint
Natürlich ist man – nicht nur bei Nio, sondern bei jedem chinesischen Autobauer (auch VW ist so einer, wenn er in China Autos baut) gegen Zölle, wenn man Autos exportieren möchte.
Aber Nio besetzt das falsche Segment und setzt auf Technologie mit zumindest sehr zweifelhaften P/L-Verhältnis.
Auch ohne Zölle werden hierzulande davon kaum Autos von Nio verkauft. Mit höherem Zoll würde das komplett zusammenbrechen.
David meint
Das wird sicher ganz schlimm für Nio. Aktuell verkaufen sie immense Stückzahlen in Europa und wer große Marktanteile hat, kann auch viel verlieren. Man kann es aber auch positiv sehen: Zumindest haben sie dann eine neue Ausrede gegenüber der Konzernzentrale. Ansonsten sollen sie einfach zehn neue Manager auf einen Schlag einstellen, dann hätten sie wenigstens mal einen Monat zehn Zulassungen.
Powerwall Thorsten meint
Wenn China also nur ganz ganz wenige Zulassungen in Deutschland hat, und wenn die chinesischen Autos überhaupt keine zukünftige Bedrohung für die deutschen Automobilhersteller sind, warum genau denkt man dann gerade über Strafzölle gegen China nach?
Dann bleibt als schlüssige Erklärung wohl nur: wegen der Zwangsarbeit in gewissen Teilen des Landes in welchen Fahrzeuge bekannter OEMs gefertigt werden?
David meint
Naja, die deutschen Autobosse wollen das ja nicht. Das macht die EU. Und selbst Weit-im-voraus-Denker Elmo hat seine Meinung geändert, denn die Tage ist ihm aufgefallen, dass Zölle für Autos und Autoteile aus China blöd sind, weil er selber Exporteur aus China ist und viel aus China kauft.
Insgesamt hat er große Probleme dadurch, dass Teslas Prismazellen – ein Format, das VW übrigens seit 11 Jahren nutzt – aus China kommen. Denn die eigenen Rundzellen wurden nichts. Elmo hat daher den Tax Credit für seine Basismodelle verloren. Die US-Regierung macht das gut, hat den größten Schädling erwischt. VW dagegen hat sich in den USA mit dem ID.4 für den Tax Credit natürlich voll qualifiziert.
P.S.: Zwangsarbeit ist kein lustiges Thema, sollten wir hier nicht zum Gegenstand machen. Aber Tesla ist auch mitten dabei, wurde explizit erst dieses Jahr von Human Rights Watch namentlich genannt.
M. meint
Die Antwort ist:
Es gibt die, die Autos bauen, und die, die eine Bedrohung sehen.
Diese Gruppen müssen nicht die selben sein.
Steffen meint
Protektionismus ist ja gern auch mal ein populistisches Wahlkampfthema…
Bernhard meint
Achtung kein Wissen sondern Meinung. Fast alle Anfänger haben BEV´s auf den Markt gebracht die softwaremässig noch nicht ausgereift waren. Manchen hat das viel Image gekostet (VW), manche hat das in die Insolvenz getrieben (Fisker). Die China-BEV´s sind zum Teil echt beeindruckend, aber technisch und softwaremässig nicht an den europäischen Markt angepasst. Und das Agenturmodell kann sich eigentlich nur Tesla leisten. Alle anderen müssen wohl oder übel ein Händlernetz aufbauen. Da die Probleme der China-BEV´s alle organisatorisch lösbar sind wird es sehr zeitnah eng, wenn die Hersteller aus dem Reich der Mitte das begriffen haben und sehr schnell reagieren. Noch sind sie keine Bedrohung für die europäischen OEM´s. Aber das kann sich ganz schnell ändern, wenn sie ihre Hausaufgaben machen.
H24menie meint
Insgesamt ist Nio derzeit bei 135 pro Monat in der EU (Jan-Apr 2024). Wie allgemein bei den Zulassungen von E Autos, hinkt auch hier DE in Relation hinter her. Das kleine Niederlande ist mit Nio Zulassungen fast gleich auf, das noch kleinere Norwegen lässt doppelt so viele Nios zu.
Scheint ein Spiegel der Gesellschaft zu sein: Nationalstolz (siehe Kommentare), zu hohe Preise/Strompreise, zu viel Bürokratie bei Infrastrukturausbau und als Herstellerland natürlich viel Lobby gegen andere Marken.