Eine gemeinsame Studie des Fraunhofer ISI und von Amazon liefert Erkenntnisse hinsichtlich der optimalen Anzahl und Standorte öffentlicher Schnellladestationen für den Langstrecken-Lkw-Verkehr in Europa.
Auf Grundlage des berechneten Verkehrsaufkommens für 2030 und 1,6 Millionen Lkw-Fahrtenkombinationen analysiert die Studie mithilfe des Open-Source-Tools „Chalet“ von Amazon 20.000 potenzielle Standorte für Lkw-Ladestationen entlang europäischer Autobahnen. Die Ergebnisse zeigen laut einer Mitteilung des Fraunhofer ISI, dass 1000 öffentliche Megawatt-Ladestationen ausreichen könnten, um 91 Prozent des erwarteten Langstreckenverkehrs von E-Lkw abzudecken.
Um die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor im Allgemeinen und schwerer Lkw im Besonderen zu verringern, müssen alle EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Jahren eine Infrastruktur für alternative Kraftstoffe aufbauen. Dazu gehört der Ausbau der öffentlichen Schnellladeinfrastruktur für Lkw entlang von Autobahnen. Eine EU-Verordnung legt bereits konkrete Mindestziele für die öffentliche Lkw-Ladeinfrastruktur für alle EU-Mitgliedstaaten fest: So soll es in Deutschland bis 2030 insgesamt rund 300 Lkw-Ladestationen geben, europaweit mehr als 2.000.
Die Studie hat auf Basis von Berechnungen des europäischen Lkw-Verkehrsaufkommens im Jahr 2030, öffentlich zugänglicher Standorte in Europa und existierender Lkw-Haltestellen ein optimiertes Lkw-Ladenetz entwickelt, das den erwarteten Ladebedarf mit einer Mindestanzahl an Ladestationen decken soll. Die Analyse berücksichtigt auch Kapazitätsbeschränkungen im Hinblick auf Platzverfügbarkeit sowie Netzanschluss und berechnet einen optimierten, schrittweisen Netzausbau entlang der Strecken mit der höchsten Nachfrage in Europa.
„1000 Ladestationen könnten fast gesamten E-Lkw-Verkehr in Europa abdecken“
Die Ergebnisse zeigen, dass bei einem Anteil von 15 Prozent batteriebetriebener Lkw im Fernverkehrsbestand 1000 optimal ausgewählte Ladestationen verteilt über Europa 91 Prozent des E-Lkw-Fernverkehrs abdecken könnten, 500 Stationen etwa die Hälfte des Verkehrs. „Das ist überraschend, da die Anzahl der in der Studie vorgeschlagenen Standorte geringer ausfällt als die EU-Mindestinfrastrukturziele“, so die Studienautoren. Bei ihren Berechnungen gingen sie konservativ vor: Sie nahmen kein Depotladen an und legten eine Praxisreichweite von 400 Kilometern zugrunde, die einige neue Batterie-Lkw-Modelle bereits heute überschreiten.
Was die optimalen Standorte für Lkw-Ladestationen in Europa anbelangt, empfiehlt die Studie, den Fokus auf stark befahrene Strecken an wichtigen Verkehrsknotenpunkten zu legen. Wenn das Ladenetz später ausgebaut wird, können sukzessive Standorte auf weniger stark befahrenen Strecken hinzukommen.
Weniger, aber leistungsstarke Ladestationen für schnelle Umstellung
Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer ISI und Studienautor: „Die Ergebnisse zeigen, dass sogar weniger Ladestandorte als von der Europäischen Union gefordert, fast den gesamten europäischen E-Lkw-Verkehr abdecken würden. Diese neuen Standorte müssen aber eine ausreichende Netzleistung haben, wobei einige eine Kapazität von bis zu 12 Megawatt benötigen werden, um bis zu 20 MCS-Anschlüsse versorgen zu können. Dies verdeutlicht die Herausforderungen beim Energiebedarf und der Netzinfrastruktur, den die Elektrifizierung des europäischen Lkw-Güterfernverkehrs mit sich bringt. Mehrere europäische Regierungen arbeiten aber bereits aktiv an genau diesen Herausforderungen.“
Plötz kommt zu dem Schluss, dass ein strategisch geplantes Netz auf der Grundlage von Megawatt-Ladestationen die Verbreitung von Batterie-Lkw in Europa stark fördern könnte. „Unsere Untersuchung legt nahe, dass Industrie und Politik die weitere Entwicklung und Einführung von Megawatt-Ladesystemen wie MCS beschleunigen müssen. Denn dies ermöglicht etwa Logistikunternehmen, die keine Möglichkeit zum Depotladen haben, ihre Flotten zu elektrifizieren. Durch öffentliche MCS-Stationen könnten Herausforderungen etwa bei der Stromversorgung oder durch den Erwerb entsprechender Immobilien vermieden werden, die oft eine große Hürde für die Anschaffung von batteriebetriebenen Lkw sind.“
Futureman meint
Jeder schlaue Spediteur stellt sich einen Lader auf den Hof und PV auf´s Dach und lädt seine Fahrzeuge während sie stehen oder beladen werden. Sobald die LKWs, genau wie jetzt schon einige PKWs als Elektro gleich teuer wie ein Verbrenner sind, geht der Wechsel rasend schnell. Denn Spediteure schauen im Gegensatz vieler Autoverkäufer auf die Kosten pro KM. Und da ist E-Mobilität einfach unschlagbar. Noch günstiger wird es nur noch wenn man den Fahrer spart. Weswegen arbeiten da wohl so viele Unternehmen dran?
Yoshi meint
Wenn die Lkw abends wieder auf dem Hof stehen geht die Rechnung sicher irgendwann auf.
Im Fernverkehr wird’s schwierig, du weißt ja selbst wie schwer es die Trucker aktuell schon haben, auf manchem Rastplatz einen Parkplatz zu finden. Dass sie gerade passend zur Pausenzeit an einen freien Schnellader rollen dürfte die Ausnahme sein, und das zerschießt dir deine Kalkulation schneller als dir lieb ist.
Jörg2 meint
Yoshi
Die überwiegende Zahl der Transporte hat eine Tagesfahrleistung kleiner 200km.
Die überwiegende Zahl der „Ferntransporte“ sind Ein-Schicht-Touren zu einem Zielpunkt und zurück zum Ausgang. Das Fahrzeug und der Fahrer sind nach der Schicht zuhause. Am Zielpunkt ist genug Zeit zum Nachladen. Diese Fahrzeuge sind nicht auf Raststätten.
(Das, was sich da auf Raststätten drängelt, ist ein verschwindend geringer Teil der Ladungskapazitäten. Sie fallen halt dem Laien stark auf.)
Ich vertrete auch die Auffassung: Die Frachtführer stellen Stück für Stück ihre Touren um, legen sich Ladeinfrastruktur zu (gern aus einer Hand Lkw und Laderei) und halten sich auch bei Ladestrom (wie bei Diesel) frei von Tankstellenpreisgesttungen.
Mark Müller meint
„Die Ergebnisse zeigen …, dass 1000 öffentliche Megawatt-Ladestationen ausreichen könnten, um 91 Prozent des erwarteten Langstreckenverkehrs von E-Lkw abzudecken.“
Die Frage ist, ob eine Infrastruktur, die 91% des erwarteten Verkehrs abdeckt, überhaupt benutzt werden kann. Ich vermute mal, dass die Dieselinfrastruktur mehr als 300% des aktuellen Verkehrs abdecken könnte – nur, damit sie dann die realen Bedürfnisse auch immer und überall abdeckt.
Ich kann ja nicht 9 von 100 LKW unterwegs stehen lassen.
Es braucht weit mehr als die Minimalabdeckung, damit ich eine Infrastruktur für wichtige (mission critical) Anwendungen benutze. Ich vermute so um die 200-300%.
Daniel S meint
Viele reden jetzt wohl nur über die enormen Kosten – aber hoffentlich erkennen ein paar wenige auch die Geschäftsmodelle – die ersten werden mittelfristig wohl den besten Schnitt machen. Denn die LKW-Flotte darf nicht bei 15% Anteil an E-LKW stehen bleiben.
ID.alist meint
Das klappt ja nie!!! Mit Wasserstoff würde alles viel besser sein, oder gar wenn wir beim Diesel bleiben würden!!!
Zumindest argumentieren viele immer noch so, in der Zwischenzeit bauen Speditionen jetzt schon die Depotinfrastruktur für das laden der LKWs, denn nicht alle LKWs werden im Fernverkehr eingesetzt.
Ben meint
Hier gut zu sehen:
https://www.youtube.com/@elektrotrucker/videos
ID.alist meint
genau
M3P_2024 meint
ja das sind spannende Berichte von der Seite, hab ich mir auch schon angeschaut und werde ich weiter verfolgen, hier ist noch bisschen Pionierarbeit und Abenteuerlust nötig, was beim normalen Elektroauto (grundsätzlich) schon längst kein Problem mehr ist
Mark Müller meint
Im Moment auf jeden Fall kann ich mit einem Wasserstoff-LKW locker von Rotterdam nach Barcelona oder Mailand fahren und habe noch die Wahl, wo ich die ca. 3 mal nachladen will.
Es gibt in Westeuropa inzwischen weit über 100 H2-Tankstellen, meist an wichtigen Transitrouten.
Wie viele MegaCharger in Betrieb gibt es schon wieder?
alupo meint
Ich weiß nicht wo es ggfs bereits Megacharger gibt (in MW vermutlich noch gar nicht), aber der Tesla Semi fuhr eine Strecke von über 800 km vollbeladen (und mit hohen Bergen) ohne Zwischenladung durch und hatte am Ziel sogar noch Reserven.
Bei Wasserstoff ist die Sache die: selbst mit dem kostengünstigsten Herstellungsverfahren (Steammethanreforming, und somit jede Menge CO2) würde diese Spedition ohne Subventionen innerhalb kürzester Zeit (Monate?) zahlungsunfähig werden und somit Pleite sein.
Ein System, welches ohne jegliche Aussicht auf zumindest Kostenparität ist, ist nicht die Lösung, sondern durch die Verunsicherung potentieller Käufer teil des Problems.
Es wird Zeit, dass man die physikalisch unwissenden Leute nicht weiter verunsichert indem man sie auf ein physikalisches Wunder (Wirkungsgrad und somit Kostensenkung) warten läßt.
Ich habe aber auch keine Lust, die gleiche Argumentation wie schon beim PKW nun wieder beim LKW zu wiederholen. Die Physik hat sich inzwischen nicht geändert und Wasserstoff läßt sich weder günstiger herstellen als noch vor 5 Jahren noch einfacher speichern.
Ben meint
Und weil H2 LKW so der Hit sind werden reihenweise Pilotprojekte abgebrochen, z.B. von Hyzon oder haben die keine Lust mehr in Österreich/Schweiz den Niederlanden und Deutschland ?
Warum werden so viele H2 Tankstellen wieder abgebaut, laut Betreibern weil diese nicht wirtschaftlich sind, selbst im H2 Valley gibts nen Kahlschlag und in Großbritanien hat Shell alle H2 Tankstellen geschlossen.
Mark Müller meint
Bezüglich H2-Tankstellen hast du ganz klar eine Wahrnehmungsverzerrung dadurch, dass du nur BEV-Medien besuchst, welche aus der H2-Welt nur die negativen Nachrichten berichtet.
Die Anzahl der H2-Tankstellen in Europa (und in gewissen anderen Regionen) steigt unablässig.
Matthias meint
„Im Moment auf jeden Fall kann ich mit einem Wasserstoff-LKW locker von Rotterdam nach Barcelona oder Mailand fahren und habe noch die Wahl, wo ich die ca. 3 mal nachladen will. “
Das ist in Sachen Barcelona entweder dreist gelogen oder durch hast einen Wunder-Wasserstoff-LKW. Laut Karte bei H2.Live ist bei Lyon die letzte aktive H2-Tanke, egal ob 350 bar oder 700 bar für PKW. Lyon-Barcelona sind laut Google Maps 643 km, mangels H2-Tankstelle in Spanien braucht ein H2-LKW dafür also „locker“ 1300 km Reichweite. Daimler hat im September 2023 mit dem Prototyp des Mercedes-Benz GenH2 zwischen Wörth am Rhein und Berlin nur eine Strecke von 1.047 km als #HydrogenRecordRun geschafft und konnte in Berlin nicht tanken, weder Gas-H2 noch flüssig-H2 als „subcooled liquid hydrogen (sLH₂)“.
Richtung Mailand sieht es etwas realer aus. Die letzte H2-Tanke ist nördlich von Luzern, 250 km bis Mailand. Dort „700 bar – In Realisierung: Genehmigungsphase“. Also auch 500km Reichweite nötig, das können Akku-LKW auch schon – ohne nachladen, was im Gegensatz zu H2 nahezu überall möglich ist.