„Es ist eine Glaubensfrage – und sie beschäftigt alle Konzerne“, schreibt die Süddeutsche Zeitung über die aktuellen Überlegungen, ob die deutsche Autoindustrie die Batteriezellen für ihre Akkus selbst herstellen oder weiterhin aus Asien importieren soll. BMW etwa kauft die Zellen für seine Elektroautos bei Samsung in Südkorea ein.
BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch wünscht sich wie fast alle seiner Amtskollegen – etwa von Daimler oder Volkswagen -, dass die für die Zellproduktion erforderlichen Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Damit könnten neue Jobs entstehen als Ausgleich für jene, die an anderer Stelle wegfallen. „Das gesamte Thema Motorbau fällt weg“, klagt der BMW-Betriebsratschef der SZ zufolge. Kühler werden im Elektroauto nicht benötigt, ebenso wenig Benzinpumpen, Kolben und Auspuffrohre. Diese Teile bezieht BMW zwar überwiegend von Zulieferern. Aber „an dem Tag, an dem mehr Elektroautos als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren über die Straßen rollen, haben nicht nur die hoch spezialisierten Zulieferer ein Problem, sondern auch die Autohersteller“, schreibt die Zeitung. Und um diese wegfallenden Jobs „auszugleichen, müssen wir Batterien und Batteriezellen selbst fertigen“, fordert Schoch demnach.
Im Jahr 2017 will BMW 100.000 Elektrofahrzeuge verkaufen, so viele wie in den vier Jahren zuvor zusammen. Schoch sagt er glaube „nicht, dass wir täglich zweieinhalb Tausend Tonnen Batteriezellen per Container und just-in-time aus Korea kommen lassen können“ und fügt hinzu, dass sich „ab einer gewissen Größenordnung“ eine Eigenfertigung lohne.
BMW-Chef Harald Krüger zeige sich in der Frage zurückhaltend. Es gebe noch Lieferverträge, die man einhalten müsse. Zudem müsse bekannt sein, wie die künftige Batteriegeneration tatsächlich aussehe, bevor man über eine Eigenproduktion nachdenken wolle. Krüger gab der Zeitung zufolge aber auch zu, dass er strategisch „offen“ sei.
Rene meint
Das ist ja wirklich eine Zwickmühle: werden keine eigenen Batterien gefertigt, begibt man sich ganz schön in die Abhängigkeit anderer Hersteller – andererseits ist anzunehmen (ich glaube, so viel Forschung wurde noch selten betrieben), dass eine 2. Generation von Zellen bald kommen wird.
Baue ich jetzt eine Fabrik, die Li-Ionen Zellen herstellt, kann die möglicherweise bald veraltet sein – mit Industrie 4.0 sollte andererseits die Umrüstung wieder keine allzu großen Probleme bereiten.
Vielleicht eine Risikostreuung? Für die Power-Ladestationen haben sich die Großen aus Deutschland schon zusammengerauft – warum nicht auch eine gemeinsame Akku-Fabrik? … hat ja auch der Siggi schon vorgeschlagen.
Herbert meint
Langsam kommen die ein wenig in Stress…
Kurtie meint
Ich frage mich, wie die deutsche Autoindustrie das Problem der ausreichenden Verfügbarkeit von Akkuzellen ohne eigene Produktion stemmen möchte.
Wir nehmen mal theoretisch an, dass irgendwann jede vierte Neuzulassung in Deutschland ein Elektroeauto wäre. Das macht dann bei 800.000 E-Autos und durchschnittlich sagen wir mal 40 kWh einen Gesamtbedarf von 32 GWh an Akkukapazität, also mehr, als die derzeitige Weltproduktion. Dazu müssen pro Sekunde rund 100 Akkuzellen produziert werden. Solche Kapazitäten stellt man nicht in ein bis zwei Jahren bereit.
Je nachdem, wie man die Annahmen verändert, wird man sicherlich auf andere Zahlen kommen. Ich z.B. gehe von einer fast vollständigen Verdrängung des Verbrennungsmotors und mindestens einer Verdoppelung des weltweiten Automobilmarktes bis 2030 aus. Aber ich denke, wie immer man rechnet, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass eine eigene Zellproduktion zwingend für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilbranche ist.
McGybrush meint
Ich leg mal noch 5kWh drauf was Heimspeicher angeht.
Dann Grossprojekte wo mal eben eine ganze Insel auf Solar umgestellt wurde wo man wiederum Speicher benötigt. LKW’s und Projekte wie der Scooter von DHL werden auch mehr werden. Die haben in kleineren Stückzahlen aber wesentlich grössere Akkupakete drin.
Glaub eine Zellfertigung kann generell ein Goldesel werden. Ob nu in Deutschland, sei dahin gestellt. Aber es wird mehr von solchen Fabriken geben. Frage ist, wer baut sie. In 5 Jahren braucht man nicht überlegen. Da ist der bedarf da und es wird sich auch schon jemand drum gekümmert haben die Nachfrage zu decken.
Matthäus meint
Wieso gibt es nur ganz oder gar nicht? Man kann ja durchaus die Produktion stück für stück hochfahren, und das was man derzeit nicht selbst produzieren kann zukaufen. Das macht man solange, bis man die Bedarfe selbst decken kann.
Kurtie meint
Das könnte funktionieren, wenn der Übergang langsam vonstatten geht und wenn die beiden Mobilitätsformen Elektro und Verbrenner lange koexistieren. Dann könnte man wirklich durch Umschichtungen das erforderliche Kapital bereitstellen ohne die Shareholder zu vergraulen.
Ich gehe allerdings eher davon aus, dass die E-Mobilität eine disruptive Technologie ist, weil sie bald günstiger und technisch überlegen sein wird. Dann kommt der Übergang sehr schnell.
70 % der Wertschöpfung von E-Autos liegen in der Batterie. Falls der Übergang zur E-Mobilität schnell kommt, wird den Herstellern, die da nicht vorne dabei sind, die Kapitalisierung fehlen, um die Defizite aufzuholen. Die Shareholder werden zu den gewinnträchtigen Zellfabriken abwandern, die der andere Hersteller dann noch unterbieten muss. Warum sollen Shareholder auch auf Gewinne in der Zukunft warten, wenn sie die direkt haben können? Den nicht zellenbauenden Herstellern verbleibenden 30 % Wertschöpfung pro Auto (die auch noch zum Teil bei den Zulieferen hängen bleibt). Das kann nie und nimmer funktionieren.
Sollte der Übergang doch langsamer kommen, dann ist mit dem Bau einer großen Zellfabrik nichts verloren. Okay, die Vorleistungen waren höher als notwendig, aber mit den Zellen kann man notfalls auch andere Projekte betreiben und sich das Geld damit zurückholen. Da die Shareholder zur Zeit keine Alternative haben, ist kein Risiko der Abwanderung da. Und da Mercedes und BMW auch noch recht ertragsstark sind, können sie auch ein solches Wagnis eingehen. Vielleicht schafft es VW dann irgendwann auch noch, nachträglich auf den Zug aufzuspringen. Ich würde es schade finden, wenn dieses Unternehmen den Bach runter geht, egal, ob sie selbst schuld sind oder nicht.
Herbert meint
Woher haben Sie das mit den 70 Prozent?
Kurtie meint
Letzte Woche war in der FAZ ein Artikel über die Wertschöpfung bei E-Autos und bei Verbrennern. Die 70 % sind so ungefähr das Verhältnis. Hängt natürlich noch von der Größe ab (ich meine die FAZ hätte 75 kWh angesetzt) und digitale Dienste bleiben mal außen vor.
Matthäus meint
Wenn die nur immer die gleichen Rundzellen in ein Akkupack bauen kann die Wertschöpfung gar nicht so groß sein. Hier meint man wohl nur den Produktionsprozess, aber da hängt ja noch ein Rattenschwanz mit dran.
Kurtie meint
Es geht hier die ganze Zeit um die Zellproduktion. Das ganze nachher zusammenzuführen zu einem Akkupack ist sicherlich nicht der große Punkt. (sagen wir mal 10 %)
Ich gehe auch davon aus, dass die Bruttowertschöpfung angesetzt wurde, also einschließlich Vorleistungen aber insbesondere ohne die Abschreibungen (der „Rattenschwanz“). So groß dürfte der Anteil der Abschreibung aber auch nicht sein. Wenn ich mal von der Gigafactory ausgehe, 5 Mrd. Dollar Baukosten, 50 GWh Produktionskapazität und 10 Jahre Abschreibungszeitraum annehme, komme ich auf 10 Dollar je kWh. Das würde die Wertschöpfung in einem Bereich von 5 bis 10 % drücken. Selbst dann verbleiben noch immer 50 % der Wertschöpfung bei der Zelle.
Fritz! meint
„Den nicht zellenbauenden Herstellern verbleibenden 30 % Wertschöpfung pro Auto (die auch noch zum Teil bei den Zulieferen hängen bleibt). Das kann nie und nimmer funktionieren.“
VW hat jetzt schon in vielen Bereichen eine geringere Fertigungstiefe (beim A4 sind es, glaube ich 24%) und kommt damit mehr schlecht als recht zurecht. Nun ist Fertigungstiefe zwar nicht zwingend Wertschöpfung, aber weit davon weg ist das nicht.
Die (Politik & Wirtschaft) sagen doch immer wieder gerne, daß ein merklicher Teil der BAtterieforschung hier noch stattfindet, nur um es dann beim billigsten bauen zu lassen? Ich würde sagen, jeder BWL-Student erstes Semester wird diese Leute dumm ob ihrer Idee nennen. Aber wahrscheinlich sind die PKW-Hersteller so abhängig von ihren Zuliefern, daß die das garnicht merken, wie wichtig der Zug „eigene Zellfertigung“ ist, bevor der endgültig weg ist (der Zug).
lo meint
Zellfertigung in D. wäre schön, aber 2017 ist Samsung SDIs 120Ah Zell-Produktion in Ungarn angelaufen. Also kommen die Zellen containerweise aus Europa…
150kW meint
Und LG baut in Polen.
Da könnte eine treue Fertigung in Deutschland sogar ein Wettbewerbsnachteil werden…
PHEV meint
Interessante Info, was sind Ihre Quellen für solch eine Aussage?
lo meint
Von der Samsung SDI Webseite:
http://www.samsungsdi.com/sdi-news/1482.html (Neue Produktionsstätte)
und
http://www.samsungsdi.com/sdi-news/1443.html (120 Ah-Zellen)
Von der LG Webseite:
http://www.lgchem.com/global/lg-chem-company/information-center/press-release/news-detail-783 (Neue Produktionsstätte)
PHEV meint
Danke für die Links (und ecomento fürs freigeben).
Bleibt abzuwarten ob die derzeitige Dominanz der asiatischen Hersteller in der Zellenfertigung bestehen bleibt und mittelfristig durch lokale Produktionsstandorte weiter ausgerollt wird um den logistischen Aspekt zu verbessern. Bei entsprechender Positionierung im europäischen Markt wird es nicht einfach für die hier ansässigen Autobauer eine eigene, ausreichend große Fertigung aufzustellen. Der Vorsprung aus Fernost ist hier momentan (noch) zu groß, sei es bei der Erfahrung in der Großserienfertigung oder der Entwicklung der Zellen selbst.
Das wird ein schönes (und teures) Stück Arbeit für VW, BMW, etc. um die Wertschöpfung wieder dauerhaft unter eigener Regie nach Europa zu holen.Was aber in anderen Berichte hier zu lesen ist lässt hoffen, dass zumindestens ansatzweise diese Nachricht schon ganz oben verstanden wurde…
lo meint
Weblinks werden moderiert – einfach selber mal „samsung sdi“ und „hungary“ oder „120ah“ googlen. (Respektive: „LG chem“ und „poland“)
ecomento.de meint
Sind jetzt freigegeben (wie die meisten Links, sofern nicht werblich und relevant).
VG
TL | ecomento.de