Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen ihre Busflotte bis 2030 komplett elektrifizieren, in diesem Jahr beginnt der Hochlauf des Projekts. Nun wurden neue Details zu den Preisen für das ehrgeizige Vorhaben bekannt – allein das Land Berlin schießt fast 110 Millionen Euro zu.
Bisher haben die BVG erste einige wenige Elektrobusse genutzt, die immer wieder technische Probleme machen. Eine neue Fahrzeuggeneration soll mehr Verlässlichkeit bringen und den Start weiterer Groß-Stromer vorbereiten. Ende März präsentierten der polnische Hersteller Solaris und Mercedes-Benz in Berlin die ersten ausgelieferten Modelle. In diesem Jahr sollen insgesamt 30 Stück davon durch die Stadt fahren, 2021 ist der Einsatz von 225 E-Bussen vorgesehen.
Die jetzt in Betrieb genommenen Eindecker sind zwölf Meter lang und bieten wie Dieselbusse Platz für 65 Fahrgäste, berichtet der Tagesspiegel. Die 15 Fahrzeuge vom Typ Solaris Urbino 12 electric und Mercedes eCitaro werden im Depot per Kabel aufgeladen. Frühere Modelle nutzen eine Induktivtechnik an den Endstationen, die sich laut den Betreibern nicht bewährt hat.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verkündeten, dass der Bund 48 Millionen Euro Fördergelder überweisen werde. 35 Millionen kommen aus dem Topf von Schulze, 13 Millionen gibt Scheuer. Das Land Berlin unterstützt die BVG mit 58 Millionen Euro bis 2021, 2022 und 2023 folgen weitere 48 Millionen Euro. „Vereinfacht: Die BVG zahlt, was ein vergleichbarer Dieselbus kosten würde, die Bundesregierung kommt für den Rest auf“, erklärt die Tagesspiegel-Redaktion.
Komplettumstieg bis 2030
Derzeit sind in Berlin knapp 1500 Dieselbusse unterwegs. Der Komplettumstieg auf Elektroantriebe bis 2030 kostet die BVG 810 Millionen Euro für die Fahrzeuge. Für die nötigen Ladestationen auf den Betriebshöfen fallen weitere 570 Millionen an. Der Verkehrsminister rief andere deutsche Städte dazu auf, sich Berlin zum Vorbild zu nehmen.
Der Umstieg der BVG sei „ein Zeichen für ganz Deutschland“, unterstrich die Umweltministerin. Schulze nannte die drei Hauptvorteile elektrischer Busse: „Sie fahren CO2-frei, sie sind schadstoffarm und deutlich leiser.“ Zu den Nachteilen der aktuellen Modelle gehören neben den Kosten die Reichweite: Die in Berlin eingeflotteten Busse schaffen mit einer Ladung maximal 150 E-Kilometer.
Die Politik fordert seit Jahren von der hiesigen Branche neue, alltagstaugliche E-Bus-Technologien. Werden diese nicht angeboten, setzt Berlin auf Innovationen ausländischer Hersteller: 2020 sollen die ersten 15 elektrischen Gelenkbusse von Solaris getestet werden, die per Stromabnehmer innerhalb weniger Minuten an der Haltestelle schnellladen können.
Duesendaniel meint
Warum müssen die Städte im Ausland kaufen oder auf die Dinosaurier warten? Was ist mit Sileo aus Salzgitter, warum werden die nie erwähnt? Sind die zu teuer, sind die unsichtbar oder haben die eine ansteckende Krankheit? Kann mir das bitte mal jemand erklären?
Peter W meint
Die teilweise erschreckend negativen Kommentare zeigen mir, dass Viele nichts kappieren.
Im ÖPNV fahren Busse die teilweise 15 Jahre alt sind (am Ende des Bus-Lebens werden damit hauptsächlich Schüler befördert). Wenn nun Berlin in 11 Jahren alle Dieselbomber abschaffen will ist dies eine gute Leistung. Sie werden also keine Diesel-Busse mehr kaufen. Keiner sollte verlangen, dass sie technisch einwandfreie Fahrzeuge verschrotten um der Welt zu zeigen wie toll sie sind.
Dass die Berliner Verantwortlichen nach China gereist sind um E-Busse anzuschauen ist zwar lächerlich, andererseits hat das vielleicht ihre Entschlossenheit zu handeln bestärkt. Sie haben gesehen, dass das tatsächlich geht.
Dass man unseren Herstellern Untätigkeit vorwirft, möchte ich als unfair bezeichnen. Vor 5 Jahren wollte kein Schwein einen E-Bus. Deutsche E-Bus-Hersteller konnten ihre Busse nur ins Ausland verkaufen. Warum sollten also Daimler und MAN E-Busse entwickeln die keiner haben will? Sie hätten natürlich auch E-Busse entwickeln können und mit etwas Druck und den richtigen Argumenten die ÖPNV-Verantwortlichen überzeugen können, aber ein Industrieunternehmen will Gewinne machen und keine Almosen verteilen.
Jetzt heulen und lamentieren, weil man von Heute auf Morgen umstellen will geht gar nicht.
Peter W meint
Noch ein Nachtrag:
Die von Abgasen ganz besonders betroffene Stadt Stuttgart hat vor kurzem 50 Dieselbusse bestellt. Darüber könnte man sich aufregen!
nilsbär meint
Im Vergleich zu Städten in Österreich schneidet Berlin aber gar nicht so schlecht ab. In Graz, immerhin die zweitgrößte Stadt Österreichs, geht gar nichts weiter. Gerade haben sie dort die letzten der Euro-3-Dieselbusse ausgemustert und auf Euro-6 umgestellt. Titel eines entsprechenden Artikels im ‚Grazer‘ dazu: ‚Frohbotschaft: Die Grazer Busflotte wird immer umweltbewusster.‘
Graz testet gerade E-Busse, ein französisches und ein chinesisches Modell. Die Entscheidung für den Kauf einiger Exemplare soll Ende 2020 / Anfang 2021 (!) fallen. In Wien sieht es nur wenig besser aus. Hier sind 12 E-Busse im Einsatz. Weitere sind zumindest für dieses Jahr nicht geplant.
Zur Ehrenrettung der Ösis: Der Anteil an E-Autos an den Neuzulassungen (2,9% im 1.Quartal 2019) liegt höher als in Deutschland.
alupo meint
Ein Noch-Industrieland muss ja nicht überall vorne mit dabei sein.
Dennoch, das ganze hier in Deutschland ist nur noch peinlich und ich hoffe, dass das, was in China passierte, gerade passiert und noch passieren wird (ich rede nicht vom Nicht-Rechtsstaat) das ist der Benchmark, hier und heute.
Berlin will bis 2030….
Wann waren (Vorsicht, das ist die Vergangenheitsform) alle mehr als 16.000 Dieselbusse in Shenzen entfernt???
Klar bin ich froh über jeden Diesel weniger auf den Strassen, aber so langsam ist in der aktuellen Situation nur peinlich und schrecklich zugleich.
Klar, einige Städte in Deutschland werden diese Langsamkeit noch zu überbieten wissen, vielleicht sich sogar rühmen, den ein oder anderen gebrauchten Dieselbus billig von Berlin gekauft zu haben. Man merke, schlechter geht (fast) immer.
Jeru meint
In China gibt es gerade einen massiven Richtungswechsel hin zur Brennstoffzelle. Die Subventionen für BEV werden gestrichen und für FCEV gesteigert. Auch ich hoffe, dass China der Benchmark bleibt.
Was Berlin angeht. In Deutschland gelten (zum Glück) andere Regeln und Verhältnisse als in China. Mit anderen Worten: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen.
Die Pläne von Berlin sind sehr ambitioniert, was gut ist. Ein Meckern ist völlig unangebracht.
nilsbär meint
„In China gibt es gerade einen massiven Richtungswechsel hin zur Brennstoffzelle.“
Da interpretiere ich die spärlichen Nachrichten aus China anders. Das 2016 aufgelegte Förderprogramm für E-Autos war auf 5 Jahre ausgelegt und endet planmäßig 2020, auch für FCEV. Eine Verlängerung ist unnötig, da das letzte Jahr trotz der schon stark reduzierten Subventionen Rekordzuwächse gebracht hat. Außerdem will die Regierung nicht primär die eigene Bevölkerung mit E-Autos versorgen, sondern damit den Weltmarkt erobern. Subventionen schwächen da eher die Konkurrenzfähigkeit der chinesischen Anbieter. Den Lokalregierungen steht es frei, E-Busse und FCEV weiter zu fördern und sind angewiesen, wegfallende Fördermittel für BEV in den Ausbau der Ladeinfrastruktur umzuschichten.
Daraus einen Richtungswechsel hin zu FCEV abzuleiten ist wohl eher Wunschdenken.
Duesendaniel meint
“In China gibt es gerade einen massiven Richtungswechsel hin zur Brennstoffzelle.”
Dafür hätte ich jetzt doch gerne mal einen Quellennachweis. Warum in aller Welt sollten die so etwas Unsinniges tun? Haben sie sich von den Deutschen von der Reichweitenangst anstecken lassen, oder gibt es jetzt einen Tankzeitwettbewerb, bei dem die Busfahrer eine Reise in den Westen gewinnen können?
Dieselfahrer meint
Alle Busse bis 2030 als BEV heisst, dass vermutlich keine neuen Diesel Busse angeschafft werden. Da das weitere Stadtwerke genau so vorhaben (und weitere werden sehr schnell folgen) , heisst das, dass der Diesel -Stadtbus in Deutschland innerhalb von wenigen Jahren tot ist und nicht mehr hergestellt wird. Das ist schon dramatisch. Aber genau die richtige Entwicklung.
Landmark meint
Ich sehe das als sehr positives Zeichen, 2030 ist schon noch ein wenig weit weg, aber dennoch geht es voran.
Wer weiß, mit ein wenig Glück geht es schneller.
Es wird Zeit das die Menschen hier in DE auch mal ein E Auto zu sehen und zu spüren bekommen. Weniger Lärm, Dreck und Gestank, die Stadtbewohner werden es lieben. Bis jetzt sagen mir fast Alle, E Autos sind Schei_e.
Also in diesem Sinne, ich freue mich über diesen Wandel.
nilsbär meint
Bei den Bussen gelingt es offenbar, die chinesischen Anbieter draußen zu halten. Von einer Ausschreibung habe ich nichts gehört. Wäre doch unerhört, wenn in unserer Hauptstadt BYD-Busse fahren würden, und es geht ja auch um Arbeitsplätze. Btw, exportieren deutsche Hersteller eigentlich noch Autos nach China? Wenn ja, warum erlauben das die Chinesen? Geht doch um deren Image und deren Arbeitsplätze?
Niklas meint
Unerhört. Und das, während China so ein Rechtstaat ist, in dem alles fair und vorbildlich abläuft im Umgang mit ausländischen Unternehmen.
AlBundy meint
@Niklas
Schon mal da gewesen? In China meine ich?
Oder woher kommt diese Aussage?
Was ist denn ein Rechtsstaat?
Beispiele GB mir dem Vorfall Assange/Kniefall vor dem Rechtsstaat USA?
Oder Ecuador?
150kW meint
Wie die Hamburger Betriebe schon mal geschrieben haben, erfüllen die chinesischen sehr oft die erforderlichen Anforderungen nicht.
Und wenn du glaubt es hätte keine Ausschreibung gegeben, dann belege das doch bitte. Das ist mit Sicherheit rechtlich nicht in Ordnung und du könntest eine Klage anstrengen.
Jörg2 meint
@150kW
Richtiger ist, dass an der Ausschreibung der Hamburger Hochbahn, kein chinesischer Anbieter teilgenommen hat.
(Meine Vermutung: Denen ist das mögliche Auftragsvolumen aus der EU zur Zeit zu klein, um sich zu bewegen. Dementsprechend werden deren Fahrzeuge wohl eher auch keine EU-Zulassung haben – DAS kann man dann als „Anforderungen nicht erfüllt“ werten. Über die technischen Eckdaten, Qualitätsmerkmale und das ganze Gedöns drumherum, sagt das nichts aus.)
Peter W meint
Einem Bericht zufolge, den ich vor einiger Zeit gelesen habe, hat BYD die Berliner Delegation belächelt. BYD verkauft keine einzelnen Busse, sondern die ganze Infrastruktur.
Mercedes macht das seit kurzem ähnlich.
Bei der Entscheidung welchen Bus man kauft, geht es also auch darum wie und wo man lädt, welche Akkupaks für welche Strecke benötigt werden usw. Eine Ausschreibung „wer verkauft uns am billigsten 5 Busse“ macht gar keinen Sinn.
JuergenII meint
Hoffentlich lesen das die Verantwortlichen nicht in Shenzhen. Die lachen sich Tod!
Berlin braucht bis 2030 um 1.300 Busse umzustellen? Das ist für so ein angebliches „Industrieland“ wie Deutschland – noch dazu die Hauptstadt beschämend.
Oder liegt es daran, dass sie die Busse nicht aus China bekommen dürfen und unserer Pappnasen in D brauchen so lange um funktionierende E-Busse herzustellen?
Finanziell dürfte das auch kein Problem sein, denn die Südländer finanzieren ja dank Länderfinanzausgleich das so oder so.*
*= Satz ist sarkastisch gemeint!
Jeru meint
Die Randbedingungen in China und Berlin unterscheiden sich schon stark, ich hoffe das ist ihnen bewusst.
Da steckt sich Berlin ambitionierte aber realistische Ziele und alles was den Leuten einfällt ist wieder nur zu meckern.
Andreas_Nün meint
Es liegt daran, dass in Deutschland der öffentliche Verkehr ausgehungert wird, wo es nur geht. Es ist schlicht kein Geld da.
Wenn die BVG das bis 2030 schafft, würde es mich eh wundern. Bei den Öffis in Bayern und BW schaut es um nichts besser aus.
Johannes Faßbender meint
@Andreas_Nün
„Der öffentliche Verkehr wird ausgehungert…“
Der öffentliche Nahverkehr überlebt nur weil er von Steuergeldern subventioniert wird.
Kein deutsches Nahverkehrsunternehmen erwirtschaftet bei uns Gewinn, trotz hoher Fahrpreise!
Wir haben ca. 300 verschiedene Nahverkehrsbetriebe in Deutschland mit unterschiedlichen Tarifen, Streifen, Ringe, Zonen die kein Mensch versteht..
Von Singapur aus hat ein simples, einfaches und für jeden leicht verständliches Nahverkehrssystem seinen Siegeszug in ganz Asien angetreten.
Hong Kong, Taiwan, China, Malaysia und Singapur sowie andere Staaten haben dieses selbsterklärende Tarif System
übernommen.
Wie an anderer Stelle schon erklärt wird per Plastik Chipkarte Kilometer genau die Fahrstrecke bezahlt. Missbrauch unmöglich, Schwarzfahrer gibt es nicht..
Mit dem ‚Hähndie..‘ zahlt kein Mensch dort, zu umständlich.
( An die Adresse Deutschland..)
Warum schafft es die VR. China 1.3 Mrd. Menschen mit einem einzigen, landesweiten Nahverkehrssystem problemlos zu transportieren..?
In Singapur wird mit MRT U- Bahn und Bussen, einem System von 1990…, sogar Gewinn erwirtschaftet.
Die Aktie der SMRT ist für jeden frei zu erwerben..
Warum schafft es Deutschland nicht 300 Nahverkehrsbetriebe ein millionenfach erprobtes System einzurichten.
Digitalisierung für Anfänger.
..ja aber….
Is nu so ~ meint
nein , ja wirklich ? – das liest sich so utopisch – so wie ein anderes Wirtschafts-System :)
Jörg2 meint
@Johannes F
Kurze Antwort:
Förderale Strukturen in einer Demokratie vs. Diktatur
Jörg2 meint
Dazu muss man wissen, dass die Verantwortlichen in Berlin vorher eine ausgiebige Chinareise unternommen haben, um sich das anzusehen.
In Berlin gibt es einen Anbieter, den hätten die Damen mit der S-Bahn erreichen können.
Das war ihnen aber offenbar zu „Pop“elig.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Die Berliner waren schon immer großzügig im Geldausgeben anderer; man nennt das wohl „sexy“.
Und ausserdem: Wenn man schon was für die Umwelt tut, will man ihr erstmal mit einem großen CO2-Fußtritt in den Allerwertesten zeigen, was man wirklich von Ökologie hält.