Christian Hochfeld leitet die Berliner Denkfabrik Agora Verkehrswende, in der Wissenschaftler, Verbände und Unternehmen über die Zukunft der Mobilität diskutieren. In einem Interview hat der Diplomingenieur über den aktuellen Stand der deutschen Autoindustrie bei der Elektromobilität gesprochen.
„Den Schuss jedenfalls haben sie gehört“, sagte Hochfeld dem Branchenmagazin Bizz Energy mit Blick auf die Situation bei VW, Porsche, BMW und Mercedes. Die deutschen Autobauer würden in den nächsten Jahren zahlreiche neue E-Modelle auf den Markt bringen, „auch zu erschwinglichen Preisen und mit akzeptabler Reichweite“. Allerdings würden auch viele andere Firmen diverse Stromer planen.
Im Rahmen von Volkswagens Elektroauto-Offensive nähert sich der Konzern immer mehr „grünen“ Themen an, allen voran Nachhaltigkeit. Die Automanager würden zunehmend erkennen, „dass die gesellschaftliche Lizenz zum Autobau künftig stark davon abhängt, wie klimafreundlich die Fahrzeuge sind“, meinte Hochfeld dazu. Die Branche sehe mittlerweile ein, dass nicht unbedingt mehr Autos, sondern neue, geteilte Mobilitätsdienste gefragt seien.
Dass die Autohersteller ihre E-Mobilitäts-Bemühungen in den letzten Monaten deutlich verstärkt haben, hat Hochfeld zufolge mehrere Gründe. Wesentlich seien vor allem die von der EU beschlossenen schärferen CO2-Grenzwerte. Zudem verlange der Mega-Markt China von in dem Land agierenden Anbietern eine stetig wachsende Quote an Elektroautos. Hinzu komme der Diesel-Skandal. All das habe bei den Herstellern „das schmerzliche Bewusstsein wachsen lassen, dass der Verbrennungsmotor an sein natürliches Ende kommen wird“.
Damit die von deutschen Marken zukünftig angebotenen Elektroautos auch gekauft werden, müsse die Politik stärker tätigt werden, forderte Hochfeld. Sie sollte den Wandel unterstützen und die nötigen Rahmenbedingungen verbessern. Fossile Mobilität müsse teurer, klimafreundliche billiger werden – etwa durch die Ausrichtung des Steuersystems. „Und natürlich brauchen wir jede Menge Ladesäulen für E-Autos“, so der Verkehrsexperte.
Verbrenner für Nutzfahrzeuge weiter wichtig
Für Pkw ist der batterieelektrische Antrieb laut Hochfeld „absehbar die kostengünstigste Variante“. Bei schweren Lkw könne eine Kombinationen aus Verbrennungsmotoren und neuen Antrieben sinnvoll sein. Eine Zukunft hätten Verbrennungsmotoren am ehesten bei Flugzeugen und Schiffen. Bei mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen betriebenen alternativen Fahrzeugen werde oft vernachlässigt, wie hoch die Kosten und wie niedrig die Wirkungsgrade bei der Herstellung sind. Unterm Strich würden daher deutlich mehr Windräder oder Solaranlagen benötigt, um für klimaneutralen Verkehr zu sorgen.
Der Chef von Agora Verkehrswende äußerte sich auch zur Diskussion um die Umweltverträglichkeit von Elektroautos. Hierzulande werde zwar der deutsche Strommix „getankt“, beim dem rund die Hälfte noch aus fossiler Energie stamme. Die Klimabilanz von Elektroautos sei dennoch in der Regel besser als die von Verbrennern. Unabhängig davon gelte aber: „Je mehr Ökostrom man herstellt, desto besser wird die Klimabilanz.“
„Ein Problem, das ich nicht kleinreden will, besteht bei den Batterien“, merkte Hochfeld an. Rohstoffe wie Kobalt würden teilweise aus Minen stammen, die ökologisch bedenklich seien, und in denen „generell schlechte Arbeitsbedingungen“ vorherrschten. Auch werde für die Fertigung von Elektroauto-Akkus sehr viel Energie benötigt. Setze man dafür zunehmend Ökostrom ein, verbessere sich der ökologische Fußabdruck aber.
Gerhard Ratermann meint
Wasserstoff zu Beispiel für die Bahn wäre eine Alternative.
An festen Punkten kann da große Menge an Wasserstoff geladen werden.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
„Den Schuss jedenfalls haben sie gehört“, sagte Hochfeld dem Branchenmagazin Bizz Energy mit Blick auf die Situation bei VW, Porsche, BMW und Mercedes.
Was heißt das? Ist der VDA-Club schon tot und hat es gar nicht gemerkt, da sich ja der Schall langsamer bewegt als das Projektil?
Paul meint
Mit dem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energie werden immer mehr Spitzen anfallen und um diesen nicht zu verklappen oder zu verschenken ist dies die beste Möglichkeit in Power to gac zu verwandeln und riesige Speicherkavernen sind vorhanden mit entsprechenden Gasnetzen. Die dann auf Knopfdruck wieder in Strom umgewandelt werden können. Die private Mobilität wird mit den E-Fahrzeugen nicht abnehmen sondern eher zunehmen. Sinn macht es in den Grossstätten wegen den Parkplätzen und dort gibt es ja auch genügend Alterntiven wie Bus und Strassenbahnen. Mobilität ist ein hohes Gut. Schiffe und Flugzeuge sollten ebenfalls mit Wasserstoff betrieben werden. Hier ist die Forschung gefordert. Auch die Battertechnik steht ja erst am Anfang und es wird mit Hockdruck an besseren Speichermöglichkeiten geforscht.
nilsbär meint
Flugzeuge mit Wasserstoff betreiben? Das würde zumindest die Zahl der Urlaubsflüge stark reduzieren:-) Als Bordprogramm schlage ich die Doku ‚Der Brand der Hindenburg‘ vor.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
+ 3
Jörg2 meint
@Paul
Die private Mobilität wird natürlich zunehmen. Die Erdbevölkerung wächst.
Der begrenzte Raum (Strassen, Parkplätze…) wird zur privaten Mobilität per ÖPNV zwingen. Diese dann per E.
alupo meint
Das Erdgasnetz kann nicht verunreinigt werden. Netze müssen spezifikationsgerecht betrieben werden, d.h. der extrem teure Elektrolysewasserstoff müsste vorher in Methan umgewandelt werden. Und woher kommt dabei das C-Atom?
Mit zuviel Wasserstoff verunreinigtes Erdgas würde zu Milliardenschäden in der Industrie führen. Das sollten aber bitteschön nicht die Verbraucher oder der Steuerzahler bezahlen, sondern die H2-Einspeiser selbst.
Jeder H2-Einspeisebefürworter in das Erdgasnetz sollte seinen Benziner einmal mit Diesel betanken. Oder, wenn er einen Diesel hat, ihn mit Benzin beglücken. Dann gibt es hoffentlich ein Aha-Erlebnis.
Alternativ sollten die H2-Fans ein eigenes H2-Netz aufbauen. Ich denke nicht, dass das mit nur 10 Milliarden € bewältigt werden könnte…
Mit Wasserstoff kann man eine Industrienation finanziell ruinieren. Ob das der Grund ist ;-)?
Andreas meint
@Paul:
Auf der einen Seite geben Sie, mit welchem technischen Hintergrund auch immer, vor, dass Wasserstoff verwendet werden soll.
Auf der anderen Seite sagen Sie, wenn es nach einem Problem aussieht, das die Wissenschaft gefordert ist.
Also entweder haben Sie Ahnung und die Lösung oder nicht. Das Stichwort „Wasserstoff“ in die Runde zu werfen, ist zu wenig.
Die Wissenschaft arbeitet seit Jahrzehnten an der Brennstoffzelle, aber die Physik lässt sich einfach nicht ändern. Natürlich würde jedes Institut sagen, dass sich da noch was machen läßt, insbesondere, wenn die Politik mit vielen Millionen an Steuergeldern lockt.
Aber realistisch ist das nicht.
In Deutschland ist man immer ganz groß, Wissenschaft totzureden. Aber wenn man sich andernfalls ändern müss und es unbequem wird, dann „muss die Wissenschaft mal ran“.
Peter W meint
Zitat: Die Automanager würden zunehmend erkennen, „dass die gesellschaftliche Lizenz zum Autobau künftig stark davon abhängt, wie klimafreundlich die Fahrzeuge sind“,
Ja, und das ist gut so. Aber leider unterstützt der Staat dies so gut wie nicht. Ich bin dafür, dass der Staat sich mit Subventionen zurückhält, weil das auf Dauer nur kostet und wenig bringt. Aber der Gesetzgeber müsste durch Umschichten die Klimafeindliche Mobilität bestrafen und mit dem Geld die klimafreundlichere unterstützen. Aber statt dessen unterstützt er beides auf Kosten derer die eventuell gar kein Auto haben, also aus Steuergeldern. Der Preis für Benzin, und vor allem Diesel hat sich in 10 Jahren kaum verändert. 2008 kostete ein Liter Benzin 1,50! Die Ökosteuer, mit der man dies regeln könnte ist in Vergessenheit geraten und wurde zusammen mit der Mineralölsteuer vereinheitlicht. Die Steuer ist zwar da, bewirkt aber nichts. Ein über Jahre und sogar Jahrzehnte gleich bleibender Preis bei steigenden Löhnen kann nur die Verschwendung zur Folge haben. Bei einer Umverteilung von 50 Cent zusätzlicher und weiter steigenden Energiesteuer auf den Kraftstoff könnte man E-Linienbusse finanzieren und Autostrom an Ladesäulen und Wallboxen verschenken bis die Trendwende greift. Erd- oder Autogas wurden sträflich vernachlässigt, und dem jetzigen aus der Not geborenen E-Autoboom kann und will die Industrie und auch die meisten Kunden nicht folgen. (Aus der Not geboren, weil es keine andere Möglichkeit gibt die CO2-Vorgaben zu erfüllen). Sprit ist so billig, dass sich Alternativen nur rechnen wenn man rechnen kann. Oberflächlich betrachtet lohnt sich umweltverbesserndes Verhalten nicht. Das gilt fürs Auto genau so wie für eine neue Heizung oder die Dämmung eines Hauses. So lange sich das nicht ändert ändert sich nichts. Umweltschutz muss klare sichtbare Vorteile haben, dann klappt es auch.
Jeru meint
„Für Pkw ist der batterieelektrische Antrieb laut Hochfeld „absehbar die kostengünstigste Variante“.“
Aus Sicht von Privatkunden mag das in vielen Fällen stimmen. Aus Sicht von Flottenbetreibern oder allgemein der Gesellschaft ganz sicher nicht, auch weil man den PKW Betrieb nicht losgelöst vom restlichen Verkehr und der Industrie betrachten darf.
Und hier wird Wasserstoff eine Rolle spielen müssen. Es werden sich Synergieeffekte ergeben, die auch den kostengünstigen Einsatz im PKW ermöglichen.
AndreasB meint
In 15 Jahren vielleicht, davor gibt es viel zu wenig „Überschuss“strom
Jörg2 meint
@Jeru
Könntest Du das etwas weiter ausführen?
Der Artikel sagt: ePKW ist am kostengünstigsten.
Du sagst: aus Flottenbetreibersicht stimmt das nicht.
Wieso?
Den Gedankensprung zu H2 kann ich dann nicht nachvollziehen.
Peter W meint
Ein Wasserstoffauto das noch wesentlich teurer in der Anschaffung und im Betrieb ist findet noch weniger Akzeptanz. Das ist aber auch gut so, denn Wasserstoff wird auch noch in 10 Jahren aus Erdgas hergestellt weils billiger ist. In den nächsten 20 Jahren wird es nur Braunkohleüberschussstrom geben, aus dem man wohl kaum Wasserstoff herstellen sollte.
Der Statistiker meint
@Jeru:
So wie wir Österreicher es akzeptieren müssen, dass unser ehemaliger und vielleicht auch wieder zukünftiger Bundeskanzler Sebastian Kurz als Sprachrohr der Energiewirtschaft die Wasserstofftechnologie mit 500Mio. Euro in den nächsten 10 Jahren fördern möchte, so sei es auch von dir zu akzeptieren, dass eine Denkfabrik den batterieelektrischen Antrieb als den kostengünstigsten Weg für PKWs in der Zukunft sieht.
Das zerpflücken in Flotten, Private und der „Gesellschaft“ (welche Gruppe das auch immer ist) ist natürlich ok bezüglich freier Meinungsäußerung, ändert aber nichts an der eindeutigen generellen Position gegenüber batteriebetriebener PKWs von der Denkfabrik Agora. Dass du als H2-Fan darüber nicht glücklich sein kannst war schon klar…. :-)
Sledge Hammer meint
+1
@jeru
Die ständige Wiederholung deiner Argumente macht sie deshalb nicht richtiger.
JoSa meint
Welcher Flotten betreiber möchte Wasserstoff tanken, wenn die Energiekosten voll auf dessen Herstellung umgelegt wird?
alupo meint
Einer der gerne Pleite gehen will….
;-)
Andreas meint
@Jeru:
Flottenbetreiber und Wasserstoff? Synergieeffekte? Das sollte man mal den Pflegediensten sagen.