Die Bundesregierung hat bei ihrem jüngsten „Autogipfel“ die in diesem Jahr auf bis zu 9000 Euro erhöhte Elektroauto-Kaufprämie „Umweltbonus“ verlängert. Bei dem Treffen mit Vertretern der Autobranche ging es auch um den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Förderung ist hier bisher weniger konkret, der Bedarf an öffentlichen Ladestationen laut einer Analyse aber groß.
Um ihre Klimaziele zu erreichen, konzentriert sich die deutsche Regierung im Straßenverkehr auf E-Mobilität. Dafür ist eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur erforderlich. Um den Bedarf an Strom-Tankstellen in den kommenden Jahren zu ermitteln, hat das Bundesverkehrsministerium die Studie „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030 – Szenarien für den Markthochlauf“ in Auftrag gegeben.
Zu der vom Reiner Lemoine Institut durchgeführten Auswertung heißt es: „In der Studie wird erstmals mit wissenschaftlicher Methodik ermittelt, wie viel und vor allen Dingen welche Ladeinfrastruktur bis zum Jahr 2030 aufgebaut werden muss, um den Bedarf zu decken. Basis sind Informationen der großen in Deutschland aktiven Automobilhersteller bezüglich ihres geplanten Fahrzeughochlaufs. Die Studie berücksichtigt neue technische Entwicklungen wie das Laden mit höheren Leistungen (HPC-Laden) und stellt die Bedürfnisse der Nutzenden ins Zentrum.“
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie
- Der Bestand an E-Fahrzeugen kann bis zu den Jahren 2025 bzw. 2030 deutlich stärker ansteigen als heute angenommen, das zeigen vertrauliche Angaben der befragten Automobilhersteller. Bis zu 14,8 Millionen batterieelektrische E-Fahrzeuge und Plug-In-Hybride könnten 2030 in Deutschland zugelassen sein.
- Der Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur im Jahr 2030 wird mit 440.000 bis 843.000 Ladepunkten beziffert. Die Zahl ist abhängig davon, wie viel private Ladeinfrastruktur verfügbar und wie stark ausgelastet die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist, aber auch vom Ladeverhalten der Nutzenden: Werden künftig verstärkt „Lade-Hubs“ mit Schnelladepunkten genutzt, ist der Bedarf deutlich geringer.
- Die Berechnungen zeigen, dass das starre Verhältnis von E-Fahrzeugen zu öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur von 10:1 nicht mehr zeitgemäß ist. Die Studie berechnet ein Verhältnis von E-Fahrzeugen zu öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur von 11:1 im Jahr 2021, das auf 20:1 im Jahr 2030 ansteigt. Grund dafür sind die bessere Verfügbarkeit von privater Ladeinfrastruktur und die steigende Ladeleistung von E-Fahrzeugen. Je nach Raumtyp fällt das Verhältnis für 2030 zudem unterschiedlich aus. So haben die Studienautoren für den urbanen Raum ein Verhältnis von 14:1 sowie für den suburbanen und ländlichen Raum von 23:1 ermittelt.
- Im Jahr 2030 wird den Berechnungen zufolge an rund 61 Prozent der privaten Stellplätze am Wohnort ein Ladepunkt zur Verfügung stehen. Öffentlich zugängliche Ladepunkte sind nötig, um die Lücke zu schließen.
- Die größte Rolle bei der Ladeinfrastruktur wird laut der Analyse der Straßenraum spielen. Errechnet wurde ein Bedarf von 420.000 Ladepunkten dort, wo man sein Auto am häufigsten parkt: am Straßenrand oder auf öffentlichen Parkplätzen.
- Der Anteil privater Ladevorgänge wird bis 2030 auf 76 bis 88 Prozent prognostiziert, der Anteil öffentlicher Ladevorgänge erreicht demnach 12 bis 24 Prozent.
Basis für künftigen Ladenetz-Ausbau
Der zügige Aufbau einer flächendeckenden und nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur sei ein wesentliches Ziel des deutschen Klimaschutzprogramms 2030, betont die Bundesregierung. Um dieses umzusetzen, wurde Ende 2019 der „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beschlossen. Die Ergebnisse der neuen Studie sollen als Grundlage dienen, um den Masterplan zu überarbeiten und den gezielten Aufbau von Ladeinfrastruktur wissenschaftlich zu begleiten.
„In Zukunft sollte ein regelmäßiger Austausch mit Akteuren stattfinden, der den Aufbau von Ladeinfrastruktur in Deutschland wissenschaftlich begleitet. Auf diese Weise lassen sich die Interessen der Akteure verbinden und die Ladebedarfe der Nutzenden besser abschätzen. Die Methodik der hier vorliegenden Studie bietet dafür eine geeignete Grundlage“, sagt Johannes Pallasch, Sprecher und einer der beiden Leitenden der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. „Nur wenn der Aufbau von Ladeinfrastruktur als gemeinsame Herausforderung verstanden wird, wenn technische Vielfalt dabei als Lösung und Stärke begriffen wird, kann dieser Aufbau erfolgreich sein.“
Jensen meint
Ich habe die knapp einhundert Seiten einmal quergelesen. Sehr interessant.
Die Studie in Gänze ist ein schönes Werk für einen feucht-herbstlichen Abend auf dem Sofa.
In Gang gesetzt wurde die Studie übrigens vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) über die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der Nationalen Organisation Wasserstoff – und Brennstoffzellentechnologie (NOW).
Warum auch immer die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der NATIONALEN ORGANISATION WASSERSTOFF – und BRENNSTOFFZELLENTECHNOLOGIE steht, lässt zumindest reichlich Spekulations-und Phantasiespielraum.
Jörg2 meint
Da sitzt die Freundin von Scheuer drin.
Jensen meint
@Jörg2: Knapper und präziser hätte ich auch selbst meine Gedächtnisschwäche nicht zusammenfassen können. Ich hatte das nicht mehr auf dem Schirm.
Danke.
Tim Schnabel meint
War gestern in Horn bad Meinberg, dort gibt es nur eine AC Säule, aber kann dort Diverse Karten vorhalten. Aber merke auf. Man kann seine EC Karte dranhalten, kriegt den Preis angezeigt und kann mit nochmaligem vorhalten den Ladevorgang freigeschalten.
So muss das!
Andreas meint
Die Studien zur Ladestruktur waren entweder politisch motiviert oder sehr statisch = weltfremd.
Wer mal einige Jahre BEV gefahren ist, wusste eigentlich genau, was benötigt wird:
A) möglichst unkomplizierte und kostengünstige Massenlösung für Zuhause. 11 kW reichen dort.
B) Straßenränder und Parkplätze für Übernachtladen ausbauen. Hier gibt es viel Platz bei den Supermärkten, denen man nur bzgl. Ordnungspflichten helfen muss.
C) Schnelle und standardisierte Schnelllader mit Bezahlen per EC-Karte.
Das war es schon. Hat nur 5 min gekostet und brauchte auch nicht noch eine teure Studie. Das Geld hätte man besser in die Umsetzung gesteckt.
Jeru meint
Und mit dieser 5-Minuten Analyse begründen Sie dann Investitionen von zig Milliarden Euro durch die Regierung, Ladeinfrastrukturbetreiber, die Energiewirtschaft, den Handel oder das Elektrotechnikgewerbe?
Das man überall immer mehr braucht ist völlig klar aber die Studie scheint die Frage adressiert zu haben: Wie viel denn genau, wenn Fall XY eintritt.
Alle gehen davon aus, dass Sie ihr E-Fahrzeug zu Hause laden können. Ist das so und was passiert wenn nicht?
Viele fordern an jedem Parkplatz einen Normalladepunkt, ohne an die kommende Mobilitätswende zu denken. Können HPC-Ladepunkte da nicht viele Normalladepunkte ersetzen? Klar können Sie das aber was bedeutet das für Städte und Kommunen ganz konkret.
Diese ganzen Fragen hat die Studie adressiert, um eben endlich nicht mehr per Pi-Mal-Daumen und Stammtisch-Phrasen zu argumentieren. Gut so!
Und ganz nebenbei gibt es fundierte Zahlen zum Hochlauf die nahe legen, dass es deutlich schneller gehen kann als erwartet.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Also für die Erkenntnis: „Der Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur im Jahr 2030 wird mit 440.000 bis 843.000 Ladepunkten beziffert.“ hätte man auch meinen 14-jährigen Sohn befragen können. Wäre billiger und schneller und nicht weniger exakt gewesen.
Jeru meint
Sie haben die Studie offensichtlich noch nicht gelesen.
Die Spannbreite deckt ja verschiedene Szenarien ab und die konkreten Zusammenhänge hat Ihr Sohn mit Sicherheit so noch nicht am Frühstückstisch von sich gegeben.
Unabhängig davon macht die Studie aus meiner Sicht noch einmal deutlich:
Viele Akteure müssen in den Austausch gehen, damit E-Fahrzeuge und die Ladeinfrastruktur ein Erfolg werden.
eBiker meint
Was soll das den für eine Studie sein?
440.000 oder 840.000 ist ja fast kein Unterschied.
Wird man für sowas bezahlt?
Stefan meint
Im Artikel steht schon: Die Zahl ist abhängig davon, wie viel private Ladeinfrastruktur verfügbar und wie stark ausgelastet die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur ist.
Also wieviel Ladeplätze in Häusern, Garagen und Tiefgaragen/privaten Stellplätzen eingerichtet werden (können).
80% der Ladeplätze sind also für die Leute gedacht, die keine eigene Lademöglichkeit haben.
Und wieviele Autos mit DC-Schnelladern ausgerüstet sind.
Jeru meint
Nun vor der Studie hatten wir in etwa folgende Situation:
– Die Energiewirtschaft hat gesagt man braucht für die 10 Mio. E-Fahrzeuge in 2030 etwa 350.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte
– Die Bundesregierung spricht von 1.000.000 Ladepunkte
– Die Automobilindustrie will so viele wie möglich, um Ängste zu nehmen
– Ecomento-User 1 meint: „Man braucht keine öffentlich zugänglichen Ladepunkte, weil man immer zu Hause lädt“
– Ecomento-Use 2 meint: „Ich brauche am Straßenrand immer einen Ladepunkt, weil ich nicht zu Hause laden kann“
– Ecomento-User 3 meint: „Ich brauche nur einen Ladepunkt bei Aldi“
– Ecomento-User 4 meint: „Ladepunkte am Straßenrand sind totaler Blödsinn, weil ich lieber 1x die Woche an einen HPC-Ladepunkt fahre“
– Ecomento-User 5 meint: „Studie sind allgemein Schwachsinn, weil die Ergebnisse klar sind“
– Ecoment-User 6 meint: „Wir brauchen gar keine Ladepunkte, weil der Hochlauf von E-Fahrzeugen viel langsamer verlaufen wird“
Viel Spaß beim Planen und Entscheiden!
Peter W meint
Gute Analyse.
Aber ich glaube wir haben auch nach der Studie noch die selbe Situation.
Jeru meint
Das stimmt (leider).
Die Berechnungen der Studie basieren jedoch auf der tatsächlichen Mobilität der Menschen und wichtige Akteure wurden eng eingebunden. Außerdem werden Abhängigkeiten untersucht und die „Zielmarke“ im Vergleich zu vorher verkleiner. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt nach vorne.
DIe Glaskugel hat leider niemand und eine Zahl zu nennen wäre immer falsch.