Ola Källenius hat vor knapp anderthalb Jahren den Vorstandsvorsitz beim Daimler-Konzern übernommen. Der Schwede setzt wieder mehr auf Luxus und stellt die Zukunftstrends Elektromobilität sowie Nachhaltigkeit stärker in den Mittelpunkt. Zu diesem Zweck wird die Lkw-Sparte abgetrennt und das verbleibende Unternehmen mit Fokus auf Pkw in Mercedes-Benz AG umbenannt. Källenius soll schon den nächsten großen Schritt planen: ein vorzeitiges Aus des Verbrennungsmotors.
Das Ende von Benzin- und Dieselautos könnte bei Mercedes deutlich früher kommen als geplant, berichtet das Handelsblatt. Bisher sei der endgültige Abschied für das Jahr 2039 vorgesehen, der Konzern prüfe nun aber eine frühere Transformation: Demnach könnte der Premium-Anbieter schon fünf oder acht Jahre früher nur noch Neuwagen mit Elektroantrieb liefern. Mercedes wäre dann spätestens ab Mitte der kommenden Dekade ein reiner Stromer-Bauer. Als Symbol für die Neuausrichtung könnte die 2028 erwartete nächste Generation der Luxuslimousine S-Klasse nur noch elektrisch angeboten werden.
Mercedes hat bisher das große SUV EQC, den Kleinbus EQV und das Kompakt-SUV EQA im Angebot, die auf Verbrenner-Plattformen basieren. Vor allem der EQC gilt als Flop, die Nachfrage nach dem kürzlich gestarteten Volumenmodell EQA bleibt abzuwarten. Das demnächst kommende elektrische S-Klasse-Pendant EQS führt die neue Elektro-Plattform EVA ein, auf der auch der EQE im E-Klasse-Segment sowie SUV-Versionen von EQS und EQE aufbauen. Zur Mitte des Jahrzehnts sollen auf der neuen „Electric first“-Architektur MMA neue kompakte und mittelgroße Elektroautos folgen.
Aktuell wird bei Mercedes dem Bericht zufolge besprochen, welche Technik als Nächstes für große Limousinen und schwere Stadtgeländewagen verwendet wird. Die neuen Plattformen sollen zwar erst 2027 oder 2028 zum Einsatz kommen, müssen aufgrund der Entwicklungszyklen im Autobau jedoch bis 2022 festgelegt werden. Bislang plant Mercedes mit Plattformen, die weiter auch Verbrenner-Systeme erlauben. Die besten Elektroautos lassen sich aber mit exklusiv für die alternative Antriebsart konzipierten Architekturen realisieren. Källenius und sein Team sollen erwägen, dass mit der MMA als letzter neuer Architektur in hohen Stückzahlen Verbrenner gebaut werden.
Beschlossen ist mit Blick auf den Abschied von Verbrennungsmotoren bei Mercedes noch nichts, so das Handelsblatt – Källenius habe es aber eilig. Die heutigen Ziele für den Absatz von Elektroautos und Plug-in-Hybriden sehen ein Viertel bis 2025 vor, die Hälfte bis 2030. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir diese Ziele nach oben korrigieren werden“, sagte der Daimler-Chef der Wirtschaftszeitung. Zu einem früheren Exit aus der Welt der Verbrenner wollte er sich nicht äußern.
Auch die in Zukunft eigenständige Lkw-Sparte von Daimler wird elektrifiziert, allerdings langsamer als der Pkw-Bereich. Neben dem Batterie-Antrieb stehen dabei auch Elektrofahrzeuge mit zusätzlicher Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik für mehr Reichweite und schnelles Tanken auf dem Programm. „Der Einsatz von Brennstoffzellen ist für den Lkw richtig“, sagte Daimler-Truck-Chef Martin Daum dem Handelsblatt. Allerdings werde der Dieselmotor für Nutzfahrzeuge noch auf lange Zeit unverzichtbar sein. „Daimler Truck wird deutlich später verbrennerfrei sein als die Mercedes-Benz AG“, so Daum.
Obraxis meint
Daimler war ja auch schön blöd damals eine Beschäftigungsgarantie herauszuhauen bis 2029….
Karl B. meint
Wir sind doch kleine Leute . Wir wissen doch nicht , was in oberen Etagen wirklich läuft. Dort sitzen hochbezahlte Topleute . Wenn solch ein Unternehmen 40 Jahre und mehr auf der Erfolgspur läuft ,was soll da den falsch sein ?
leotronik meint
Von Technologieoffenheit ist kein Wort mehr. Was schon vor einigen Jahren auch Laien klar war kommt jetzt so langsam auch bei den Profis in Stuttgart und München an. Ich sage schon sehr lange. Da sitzen die falschen Leute an falschen Plätzen.
150kW meint
Warum glaubst du das da was „durchkommen“ musste? Wie viele Serien-Wasserstoffautos hatten sie denn angekündigt? Wie viele BEV hatte und haben sie schon gehabt und wie viele waren und sind angekündigt?
Allein an den Zahlen sieht man schon das Wasserstoff nur so lala nebenbei auf Sparflamme mitgelaufen ist. Der Fokus war schon sehr lange Zeit BEV gewesen.
Jörg2 meint
@150kW
@leotronik schreibt davon, dass der Begriff „Technologieoffenheit“ nicht mehr ganz so oft bei Daimler vorkommt. Wie das in der Vergangenheit war?
Tante Google: „Daimler technologieoffen“
Da kannste dann lange Lesen, was Daimler noch in jüngster Vergangenheit dazu so von sich gegeben hat.
Von realisierten H2-Projekten war nicht die Rede.
Ebi meint
Der Fokus war bei Daimler schon lange BEV ? Da lachen ja die Hühner. Daimler hat 4 Jahrzehnte an der Brennstoffzelle rumexperimentiert ohne greifbares Ergebnis.
Peter W meint
Daimler macht doch alles richtig! 4 Milliarden Euro Gewinn, und der Staat zahlt die Kurzarbeit. Wie kann man einem so erfolreichen Unternehmen Unfähigkeit vorwerfen?
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ja, dieser Fall zeigt ganz deutlich die Unfähigkeit der Politiker oder deren Abhängigkeit von Großkonzernen. Und es zeigt, wie dünn das Eis ist, auf dem unsere Demokratie basiert.
Daniel S meint
„dass mit der MMA als letzter neuer Architektur in hohen Stückzahlen Verbrenner gebaut werden“
Wenn MMA eine gemischte Plattform ist für ICE / BEV, wäre evtl. Zu überlegen, ob man MMA überhaupt noch entwickeln will oder ob eine reine BEV Plattform nicht bessere Produkte und mehr Erfolg am Markt ermöglicht.
Verbrenner kann man auf alten Plattformen auslaufen lassen, so wie zB bei Fiat beim 500er.
ShullBit meint
Im Oktober 2020 hat Daimler gerade offiziell eine neue Geschäftsstrategie vorgestellt. Diese besagte, dass Mercedes auch im Jahre 2030 noch mehrheitlich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen will. Konkret hieß es in schönstem Marketingsprech, dass über 50% der Fahrzeuge 2030 elektrifiziert sein sollen. Unter „elektrifiziert“ versteht Mercedes aber auch Hybride aller Art. Das bedeutete: Knapp die Hälfte aller Fahrzeuge sollten auch 2030 noch reine Verbrenner sein. Der Rest verteilt sich auf Hybride und BEV.
Natürlich war diese Strategie absurd und ein Schritt Richtung Untergang von Mercedes. Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn man das nun korrigieren will. Nur es ist ein Beleg dafür, dass Källenius strategisch völlig unfähig ist, wenn man 3 Monate nach Verkündung eine grundlegende Geschäftsstrategie schon wieder umkrempeln muss. Källenius ist offenkundig unfähig, Märkte und Entwicklungen nur ansatzweise korrekt einzuschätzen. Das einzige was Källenius offenkundig kann, ist Kosten zusammen streichen und mit kurzfristigen Strohfeuern Gewinne für Aktionäre (und ggf. Boni für sich selbst ) zu treiben. Er ruiniert damit langfristig das Unternehmen.
Flo meint
Gute Zusammenfassung, BMW macht es ja fast genauso. Beide meinen immer noch, sie seien „zu sexy um die Kurve nicht bekommen zu können“ oder schicker ausgedrückt „Too big to fail“. Letztendlich sind sie aber zu schwerfällig im Denken und Handeln bedingt durch jahrzehntelange Verbrenner-Ideologie und im Bereich Software bekannterweise weit zurück.
Peter meint
Nee. Die können heutigen Kunden nicht sagen, dass die ein fast totes Pferd kaufen. Dann würde nämlich niemand kaufen. Das ist schon seit Jahren klar.
Peter meint
Bei aller Weisheit des gemeinen Foristen: auch ein Daimler“Boss“ macht seine Planungen weder auf nem weißen Blatt Papier, noch ganz alleine oder gar kontextlos. Hauptsache Leute beschimpft.
ShullBit meint
Natürlich macht Källenius die Planungen nicht allein. Sein ganzer Plan ist auch absolut sinnvoll, wenn es denn nur darum geht, kurzfristig den maximalen Shareholder-Value aus dem Unternehmen zu pressen (also Gewinne + Kurssteigerungen). Und im Prinzip wurde ja auch Shareholder-Value als oberstes Ziel der neuen Geschäftsstrategie ausgegeben. Nur wird dann eben die langfristige Perspektive von Mercedes zugunsten kurzfristiger Gewinne geopfert. In Zeiten eines grundsätzlichen Technologiewandels kann man nicht nur auf die Rendite schauen.
Die aktuell beabsichtige Auftrennung des Unternehmens in 2 vollständig getrennte Unternehmen durch den Börsengang der Trucksparte geht in genau die gleiche Richtung. Källenius behauptet, das sei nötig, damit man sich für die Kunden „klarer aufstellt“. Hat je ein Kunde keine S-Klasse gekauft, weil Mercedes auch Trucks baut? Hat je ein Kunde keinen Freightliner gekauft, weil Mercedes auch S-Klassen baut? Das ist doch hanebüchener Unsinn. Man könnte die Argumentation verstehen, wenn Mercedes sich in den letzten Jahren in immer mehr neuen Geschäftsfeldern verzettelt hätte und als komplexes Konglomerat verschiedenster Sparten kaum noch steuerbar wäre. Aber wenn seit mehr als 100 Jahren die Geschäftsfelder PKW + LKW bedient werden, ist das im Jahr 2021 plötzlich „unklar“ für die Kunden? Selbst das Freightliner-Geschäft hat man bereits vor 40 Jahren übernommen. Heute für Kunden „unklar“?
Laut Källenius gibt es auch keine Synergien zwischen der Truck- und der PKW-Sparte. Auch bei der Trucksparte steht aber der Umstieg auf E-Mobilität an. Da geht es um die gleichen Batterien etc. Auch bei der Trucksparte ist autonomes Fahren ein Riesenthema und innerhalb der Daimler AG ist die Trucksparte bislang führend bezüglich autonomes Fahren. Aber keine Synergien? Und wegen völlig fehlender Synergien expandiert aktuell auch das Role-Model der Branche – Tesla – vom reinen PKW-Geschäft ins Truckgeschäft.
Nein, man glaubt nur, dass beide Teile einzeln einen höherer Wert haben könnten als die Summe. Das will man versilbern.
UliK meint
Daimler oder besser Mercedes Benz wird sicherlich nicht vom Markt verschwinden. Allerdings wird die Firmenzentrale dann in Asien oder Amerika stehen.
Klaus Schürmann meint
2039 ?? Eventuell schon 5 Jahre früher ?? Hoffentlich wacht der Chef irgendwann auf aus dem Traum, noch 2035 Verbrenner verkaufen zu können !
( meine Meinung – Hoffnung )
Flo meint
Berechtige Hoffnung!
Hansi3000 meint
So ist es. Selbst heute sind schon einige E-Autos günstiger oder zumindest unter Betrachtung der TCO nicht teurer als ein vergleichbares!! Verbrennermodel. Und die Schere wird sich in den nächsten Jahren immer weiter öffnen… zu Gunsten der E-Autos natürlich. Dann wird sich aber die Frage stellen was mit der staatlichen Förderung passiert.
Ein Auto ist eine langfristige Investition. Ab einem gewissen Punkt wird der Verbraucher begreifen, dass sein neuer Verbrenner in wenigen Jahren keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert mehr haben wird, weil die Leute eben nur noch E-Autos wollen. Das könnte für die Hersteller aber auch eine Chance sein, denn die weltweite Fahrzeugflotte will dann auf E umgestellt werden. Gebrauchte wird es relativ wenige geben, also muss ein Neuwagen her.
stdwanze meint
Guck Dir an wie krass die Wandlung der Kommunikation/Aussendarstellung der OEM bezüglich BEVs in den letzten 2 Jahre verlaufen ist. Von, die Spinner bei Tesla, wird nie was, zu „hey, BEVs haben wir auch“. Alles was > 2025 als Absatzmarkt Europa im Ziel hat ist größteils elektrisch.
senrim meint
Ich denke, dies wird der Markt schon von selbst korrigieren.
Rene meint
Denke ich auch. Nur mal den Video im Youtube von Tony Seba über Disruption schauen dann wird klar wohin die Reise geht. Ich kann wirklich jedem dieses Video empfehlen. Die deutsche Version:
Tony Seba in Detsch. Er ist Harvard Professor und ein absoluter Kracki.
kritGeist meint
Ähnliches gibts auch von Zukunftsforscher Thomsen, der eine begeisterter Teslafahrer ist, seit Jahren. Das beste Bild zu bisherigen Strategien & der Disruption sind: „Ich bringe 1 Flasche Wein mit & kippe 70% davon in den Abfluss“ oder „Wann weiß der Frosch im Topf, wann es für ihn zu spät ist“ :-)