Volvo hat im März bekannt gegeben, ab 2030 nur noch Elektroautos bauen und verkaufen zu wollen. Der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor geht mit einer neuen Vertriebsstrategie einher: Die Schweden wandeln sich zum digitalen Unternehmen und stellen bei E-Pkw auf Direktvertrieb im Internet um. Bei den Händlern vor Ort sorgt das für Verunsicherung, Deutschland-Chef Thomas Bauch will sie beruhigen.
„Wir wollen, dass unsere Partner den Kunden auch in Zukunft eng begleiten“, sagte Bauch der Branchenzeitung Automobilwoche. Die Händler würden immer Bestandteil des Vertriebs von Volvo Cars bleiben, und ihre Vergütung durch das Unternehmen werde „auskömmlich sein“, versprach er.
Fest steht, dass die Rolle der Partner schrumpfen wird. Volvo-Chef Håkan Samuelsson hat angekündigt, dass alle reinen Stromer der Marke nur noch online direkt beim Hersteller bestellbar sein werden. Eingeführt wird das neue Vertriebsmodell in diesem Jahr mit dem beginnenden Verkauf des Elektroautos XC40 Recharge des Modelljahres 2022. Die Partner würden zukünftig für ihre Verkaufsbemühungen entlohnt, erklärte Bauch das neue Konzept. Das umfasse die Bereitstellung von Ausstellungsräumen, die Beratung, die Durchführung von Probefahrten und das Durchsprechen der Konfiguration mit den Kunden. Dies sei eine „aktivitätenvergütende“ Marge, was letztlich einer Vermittlungsprovision gleichkomme.
Damit ist der Vertragspartner des Endkunden bei Volvo-Elektroautos demnächst nicht mehr der Handelspartner, sondern der Hersteller. Rabatte werden dann nicht mehr gewährt. „Die Preisverhandlung entfällt“, bestätigte Bauch. Je nach Umsatzsteuer und anderen länderspezifischen Bedingungen werde es national weiter unterschiedliche Preise geben. In einem Land gelte in Zukunft für dasselbe Produkt aber nur noch ein Preis.
Volvo will weiter wachsen und sieht dafür das größte Potenzial im Markt für Premium-Elektroautos. Das bestehende Vertriebsnetz wird dazu laut dem Deutschland-Chef aufrechterhalten, aber nicht mehr ausgebaut. Die Kunden locken sollen neben einer einfachen Online-Bestellung neue Vertriebsangebote. „Wir sehen unser Abo-Modell Care by Volvo als Türöffner gerade auch für markenfremde Kunden“, sagte Bauch. Dazu wolle Volvo vermehrt vorkonfigurierte Modelle anbieten, die mit drei Klicks bestellbar sind.
Um sich vom Wettbewerb abzuheben, rät Bauch den Vertriebspartnern zum Fokus auf die Kundenbindung: „Bei Volvo zählen für den Kunden schon immer mehr der Service und die Servicebereitschaft als der Preis“, sagte er. Die meisten Händler würden die Vorteile der neuen Strategie erkennen, so würden insbesondere das gebundene Kapital spürbar weniger und die Verkaufsbemühungen kalkulierbar vergütet.
Captain Future 2.0 meint
Der Trend zum Direktvertrieb wird die ganze Automobilbranche defintiv verändern. Bei den Banken und Versicherungen ist es ja genauso. Als Autokäufer finde ich es auch angenehmer, wenn ich einen Preis nicht verhandeln muss, sondern genauso viel wie alle anderen zahle. Ich habe eigentlich noch nie einen Verkäufer gebraucht, um mich über ein Auto zu informieren, sondern ausschließlich dafür, damit ich probefahren darf und dann den Vertrag unterschreiben kann.
Ganz lustig war es bei BMW, als ich 2017 dort meinen i3 kaufen wollte: Ich ging spontan am Vormittag zum örtlichen Vertragshändler und sprach (zufällig) gleich den Chefverkäufer darauf an, dass ich den BMW i3 bestellen möchte. Er sagte nur, dass er sich damit leider überhaupt nicht auskenne und die Auszubildende dafür zuständig sei – die wäre aber heute in der Berufsschule und ich sollte mal morgen oder so wieder reinschauen. Dass man das offenbar provisionsarme Geschäft mit den E-Autos dem Azubi überlassen hat, signalisierte mir schon irgendwie das Desinteresse am technologischen Wandel. Dass man es der einzigen Frau unter den Vertrieblern dort überlassen hat, passt da auch ins Bild. Die Auszubildende war übrigens sehr nett und auch engagiert bei der Sache. Sie hat auch einiges bei den Schulungen des Konzerns zum Thema Elektro gelernt und wusste das zu vermitteln. Aber ich wusste trotzdem schon viel mehr darüber, weil ich mich in den entsprechenden Foren infomiert hatte. Ich durfte den i3 zum Glück über ein langes Wochenende ausgiebig probefahren und habe ihn natürlich auch bei ihr bestellt. Ich bin mir aber trotzdem ziemlich sicher, dass es mein erster und letzter BMW war, obwohl ich mit dem Wagen sehr zufrieden bin. Ich warte jetzt wohl eher ab, bis das M2 oder sowas ähnliches auf den Markt kommt. Und ich bin mir auch sehr sicher, dass ich mein nächstes Auto nicht in einem Autohaus bestellen muss. In einer Bankfiliale oder einer Versicherungsagentur war ich auch schon länger nicht mehr.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Was ist das, eine Bankfiliale, eine Versicherungsagentur ?
AK swiss meint
Ein Kostenfaktor weniger in der Wertschöpfungskette. Die Beratung durch den Händler orientiert sich systembedingt eher an der eigenen Marge als am Kundennutzen. Wertschöpfung für den eigenen Hosensack sozusagen.
Ich find den Ansatz gut.
Andreas Ehrenfelder meint
„Auskömmliche Vergütung“ kann man jetzt beschönigend sagen damit bei den Händlern keine Rebellion ausbricht. Trotzdem werden diese dann ab 2030 sukzessive platt gemacht und die Konzerne machen noch mehr Kohle und die CEOs werden Superstars. Aus dem Fall Winterkorn mal wieder nix gelernt. Schöne neue E-Auto Welt.
Holger BSB meint
Vielleicht werden die Autos auch nur billiger
Alupo meint
Das sehe ich auch so. Wofür einen Händler bezahlen wenn ich eher ihn als er mich berät? Einfach weil er zu wenig Ahnung hat.
Wenn ich über ein Produkt keine oder wenig Ahnung habe und einen Berater benötige, denke ich inzwischen aufgrund persönlicher Erfahrungen, dass ein Verkäufer für mich nur in seltenen Fällen ein kompetenter Auskunftgeber ist. Das finde ich zwar schade, aber in einer Zeit, in der es Leute gibt, die die 800V Technik für einen Quantensprung gegenüber der deutlich billigeren 400V Technik halten, muss ich mich mit der Inkompetenz der Masse abfinden. Zugegeben, die Welt ist komplexer geworden durch das kumulierte Wissen und den daraus entstandenen Produkten.