Der Daimler-Konzern hat sich nach Einschätzung vieler in den letzten Jahren zu zögerlich der Elektromobilität zugewandt. Vorstandschef Ola Källenius beschleunigt das Tempo nun, so will er die Kernmarke Mercedes-Benz bis zum Ende des Jahrzehnts für ein vollelektrisches Angebot fit machen. Nicht alle im Konzern sind von der Strategie überzeugt. Trotz der erwarteten Jobverluste unterstützt aber auch der Betriebsrat den aggressiveren E-Kurs.
„Da gibt es sicher unterschiedliche Meinungen. Einige Kollegen hängen schon noch dem Glauben an, dass wir noch eine Weile so weitermachen könnten“, sagte Betriebsratschef Michael Brecht der Welt am Sonntag. Es sei fraglich, ob die Ladeinfrastruktur bis 2030 in ganz Europa so weit sein wird, dass alle elektrisch fahren können. Brecht geht daher davon aus, dass Daimler „noch eine Weile länger“ Verbrenner verkaufen wird, allerdings nicht mehr in der Menge wie heute.
Die von Källenius eingeleitete Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantrieb hält Brecht für alternativlos. „Man kann nicht gegen den Strom schwimmen, wenn die ganze Welt gerade den batterieelektrischen Antrieb vorantreibt“, sagte der Arbeitnehmervertreter.
Mercedes-Benz konzentriert sich mittel- bis langfristig auf nur mit Batterie betriebene Fahrzeuge, für die Übergangszeit werden zudem Plug-in-Hybride mit größerer rein elektrischer Reichweite angeboten. Sollte es Anwendungsmöglichkeiten für mit Wasserstoff arbeitende Brennstoffzellen-Stromer geben, könne man noch einsteigen, sagte Brecht. „Aber jetzt alles auf eine Technologie zu setzen, an die kein anderer glaubt, wäre tödlich“. Die Zeit sei vorbei, in der man am Verbrenner festhält.
Die Transformation zur Elektromobilität wird nach Überzeugung von Daimler-Chef Ola Källenius zu weniger Beschäftigung führen. „Man muss auch ehrlich mit den Menschen sein: Die Montage eines Verbrennungsmotors bringt mehr Arbeit mit sich als der Bau einer Elektroachse“, sagte er der Welt am Sonntag. Selbst wenn Daimler den kompletten elektrischen Antriebsstrang selbst bauen würden, würde der Konzern Ende der Dekade weniger Menschen beschäftigen.
Der Daimler-Chef und auch der Betriebsratsvorsitzende wünschen sich bei der Transformation der Branche mehr staatliche Unterstützung. „Wir müssen wieder mehr Technologie nach Europa holen, wir haben in den letzten Wochen gesehen, wie fragil die Lieferketten zum Beispiel für Chips sind“, so Brecht. Außerdem müsse das europäische Beihilferecht überarbeitet werden: Man bekomme im Großraum Stuttgart kaum Fördermittel für die Transformation, weil das Geld in strukturschwache Regionen fließe.
„Da, wo die anderen Wirtschaftsregionen einen Technologiewechsel staatlich unterstützen, halte ich es für klug und auch legitim, das auch in Europa zu machen“, sagte Källenius. Er unterstütze die Förderung einer europäischen Batteriezell- und Halbleiterfertigung. Das seien die Technologien der Zukunft, bei denen Europa dabei sein müsse. Dabei könnten Staat und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten.