Das US-amerikanische Elektroauto-Start-up Canoo wurde 2017 von zwei ehemaligen BMW-Managern gegründet, mittlerweile lenkt ein anderes Führungsteam das Unternehmen in die Zukunft. Vizepräsident Christian Treiber, ein früherer Daimler-Manager, sprach mit dem Portal Business Insider über den aktuellen Stand des Projekts.
Canoo hat bisher einen elektrischen Pickup-Truck, ein Elektroauto im Minivan-Format und einen batteriebetriebenen Lieferwagen präsentiert. Auch eine Limousine ist geplant. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Raumausnutzung sowie Digitalisierung. Die Aerodynamik spielt bei den ersten Modellen laut Canoo eine eher untergeordnete Rolle, da die Nutzfahrzeuge großteils in innerstädtischen Bereichen unterwegs sein werden.
Unternehmensangaben nach wurden schon 30 Prototypen auf die Straße gebracht, die fast eine Million Testkilometer abgespult und diverse Crashtests absolviert haben. In den nächsten Monaten sollen dem Bericht zufolge weitere 130 Vorserienfahrzeuge entstehen, um unter verschiedenen klimatischen Bedingungen 1,2 Millionen Testkilometer zu fahren. Die Canoo-Stromer sollen trotz der kurzen Überhänge mit vergleichsweise geringer Knautschzone sehr sicher sein. Dies liege zum einen daran, dass die Batterie fest in die Karosserie integriert ist. Vorne und hinten gebe es zudem sogenannte „Crush Cans“ aus Aluminium, die sich bei einer Kollision verformen und die Wucht des Aufpralls abschwächen, berichtet Business Insider.
Für den europäischen Markt wurde die Zulassung des zuerst kommenden Minivans bisher noch nicht beantragt. Laut Treiber liegt dies daran, dass sich die Regularien 2023/2024 ändern werden. Deshalb möchte man erstmal abwarten. Das Start-up habe vor allem gewerbliche Kunden im Blick, erklärte der Canoo-Manager – kleine Handwerksbetriebe oder auch größere Versandhändler. Ein zentraler Wettbewerbsvorteil soll dabei die entwickelte „Skateboard“-Plattform sein. „Durch die Einheitsplattform spart man pro Modell etwa 50 Prozent der Entwicklungszeit und damit natürlich auch Kosten“, sagte Treiber.
Bidirektionales Laden & „Over-the-Air“-Updates
Die moderne Architektur ermöglicht laut Canoo neben alltagstauglicher Reichweite unter anderem bidirektionales Laden. Strom kann also nicht nur in die Elektroautos geladen werden, die Fahrzeuge können Energie auch wieder abgeben – beispielsweise für den Betrieb der Werkzeuge von Handwerkern. Die Plattform sorgt zudem zusammen mit dem kastenförmigen Design für viel Stauraum, was für den Lieferverkehr im urbanen Umfeld ein Vorteil ist. Die „Steer by Wire“-Technologie ohne mechanische Verbindung zwischen dem Lenkrad und den Rädern soll dabei neben zusätzlichem Platz im Innenraum im Stadtverkehr für hohe Wendigkeit und Agilität sorgen.
Die Canoo-Plattform erlaubt Front-, Heck- und Allradantrieb. Letzterer besteht dem Bericht zufolge aus je einem Motor an jeder Achse mit in der Topversion etwa 368 kW (500 PS) Systemleistung. Eine in allen Modellen verbaute Lithium-Ionen-Batterie mit 80 kWh Speicherkapazität soll rund 400 Kilometer Reichweite ermöglichen. Nahezu alle technischen Komponenten und die Software werden Unternehmensangaben nach intern entwickelt. Die Fahrzeuge könnten per „Over-the-Air“-Updates über das Mobilfunknetz jahrelang auf dem neusten Stand gehalten werden.
Die US-Preise für das erste Modell der Marke wurden bereits veröffentlicht: Je nach Version soll der 4,42 Meter lange Minivan zwischen 34.750 und 49.990 Dollar kosten. Umgerechnet sind das rund 29.600 bis 42.600 Euro, in den USA werden Fahrzeugpreise allerdings ohne Steuern ausgezeichnet.
„Wir haben nicht nur die Garantiedauer, sondern die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs und somit auch den Zweit-, Dritt- oder Viertbesitzer im Fokus“, sagte Treiber. Später soll gemeinsam mit Partnern eine Service-Infrastruktur errichtet werden. Auch mobile Werkstatt-Teams, die zum Kunden kommen, seien eine Option. Alle Dienstleistungen und Angebote von Canoo sollen in einer App gebündelt werden. Manche Funktionen sollen für die Kunden kostenlos sein, damit sie die Kosten und anstehenden Reparaturen des Autos im Auge behalten können.
Seinen Minivan wollte Canoo ursprünglich schon in diesem Jahr auf den Markt bringen das klappte aber nicht. Der optisch ähnlich daherkommende Pickup-Truck sowie der kantige Lieferwagen MPDV (Multi Purpose Delivery Van) sollten 2022 starten. Laut dem Bericht verzögert sich Auslieferung der drei Baureihen jedoch um über ein Jahr. Frühestens Ende 2023 will Canoo eine eigene Fabrik im US-Bundesstaat Oklahoma eröffnen. Die schon davor startenden Elektroautos soll zunächst der Auftragsfertiger VDL Nedcar bauen. Das niederländische Unternehmen fertigt unter anderem im Auftrag von BMW den X1 sowie Modelle von MINI.