Lkw-Ladeleistungen von bis zu einem Megawatt sollen bald Ladezeiten ermöglichen, die von Speditionsunternehmen in Fahrpausen eingeplant werden können. Für Langstrecken und den Schichtbetrieb reicht das aber noch nicht aus. Ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie, darunter die Technische Universität München (TUM) und MAN Truck and Bus, will die Entwicklung von Ladeszenarien schrittweise auf bis zu drei Megawatt Leistung vorantreiben. Dazu wird im vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt NEFTON ein Prüfstand gebaut, der alle Komponenten vom Ladestecker bis zum Akkupaket im Fahrzeug abbilden soll.
Bis 2024 rechnen die Forschenden des Konsortiums mit Ladeleistungen von bis zu einem Megawatt im Realbetrieb, womit sich der Akkupack eines Lkw während der vorgeschriebenen Lenkpause der Fahrer von 45 Minuten vollständig aufladen ließe. Damit würden je nach Modell, Batteriekapazität und Fahrstil zwischen 300 und 500 Kilometer Fahrstrecke möglich.
„Ein Megawatt Ladeleistung lässt sich schon gut mit den Fahrzeugen und der Ladetechnik in naher Zukunft umsetzen, das wird jedoch für eine schnelle Integration der batterieelektrischen Nutzfahrzeuge im großen Maßstab nicht reichen. Bei drei Megawatt erreichen wir Ladezeiten von etwa 15 Minuten, sodass ein Zwischenladen kaum noch zu Einschränkungen führen wird. Technologisch gesehen betreten wir hier allerdings völliges Neuland“, erklärt Professor Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM.
Bei Ladevorgängen mit einem Megawatt nutzt das Fahrzeug selbst eine Betriebsspannung von circa 800 Volt und einen Strom von 1250 Ampere. Soll im Bereich von drei Megawatt gearbeitet werden, sind es bei 800 Volt schon 3000 Ampere. Um solche Werte zu realisieren, ist bei einigen Komponenten ein Wechsel der Technologie notwendig. Wie umfangreich dieser Prozess gestaltet werden muss, und in welchen Bereichen neue Ansätze ihre Anwendung finden, soll der neue Teststand der TUM zeigen.
Hohe elektrische Ströme, jenseits der 2000 Ampere, lassen sich im Automobilbereich nicht mehr durch klassische Kabel transportieren, da die Kühlung hier eine große Herausforderung darstellt. Daher wird im NEFTON-Projekt beispielsweise an Stromschienen oder verschiedenen Geometrien, wie mit Kühlmittel durchflossene oder umströmte Leiter, geforscht, die ein besseres Wärmemanagement ermöglichen.
Auch die Art der Absicherung im Falle einer Störung wird mit dem Forschungsprojekt untersucht. Bislang wird hier mit mechanischen Schaltern gearbeitet, die den Stromkreis im Notfall trennen können. Im Bereich von drei Megawatt Ladeleistung reichen solche Schalter laut den Experten aber bei Weitem nicht mehr aus, weshalb in diesem Fall auch Halbleiter-Technologie Teil der Forschung sein werde.
„Das Laden mit drei Megawatt hat direkte Auswirkungen auf das Fahrzeug, die Ladetechnik und das gesamte Stromnetz. Wir werden für viele Komponenten entlang des Ladepfads neue Technologien einsetzen. In einigen Bereichen wissen wir heute noch gar nicht, wie diese aussehen werden. Hier bietet der neue Prüfstand ideale Bedingungen für die Entwicklung und Optimierung“, so Professor Malte Jaensch vom Lehrstuhl für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme der TUM.
Ladezeiten für Speditionen ein Problem
Bislang wurde auf langen Strecken entweder auf den Einsatz von Elektro-Lkw verzichtet oder auf zusätzliche Ladestopps gesetzt. Enge Zeitpläne im Güterverkehr erlauben aber eigentlich keine zusätzlichen Stopps zum Laden der Akkus. Neue Technologien im Bereich der Ladetechnik können alternative Antriebe für Logistikunternehmen attraktiver machen.
„Eine Verdreifachung des Ladestroms verringert auch die Ladezeit unter idealen Bedingungen um den Faktor drei. Lkw lassen sich somit auch während des Beladevorgangs an der Rampe des Warenlagers wieder aufladen. Das spart den zusätzlichen Ladestopp“, erklärt Maximilian Zähringer, Projektleiter aufseiten der TUM bei NEFTON.
Mit dem NEFTON-Projekt wird schon seit 2021 an einem ganzheitlichen Ansatz für batterieelektrische Lkw geforscht. Bislang stand die Entwicklung eines Gesamtsystems im Vordergrund, das auf Basis des Megawatt-Charging-System-Standards (MCS) funktioniert. Es besteht aus den Fahrzeugkomponenten und der Ladetechnik bis ein Megawatt Ladeleistung. Um die Kosten für den Netzanschluss eines solchen MCS niedrig zu halten, wurden im Projekt Pufferspeicher realisiert. Außerdem spielte das Wärmemanagement im Fahrzeug selbst auch bislang schon eine entscheidende Rolle. Die bisher erforschten Ansätze werden nun mit der nächsten Stufe des Projekts weiterentwickelt.
Da das MCS-System auch bidirektional ausgelegt ist, könnten die Lastwagen damit später im Stand als Energiespeicher für erneuerbare Energien wie beispielsweise Windkraftanlagen dienen. Solche Anlagen erzeugen auch dann Energie, wenn die Nachfrage gering ist. Die Zwischenspeicherung und Abgabe von Strom mithilfe von Lkw mit großen Batteriekapazitäten ermöglicht daher nicht nur das Speichern von Energie, sondern trägt durch das Abfedern von Bedarfsspitzen auch zu einem stabilen Stromnetz bei.
Gunarr meint
Kommen wir nicht langsam an den Punkt, wo es einfacher wird, die Batterie zu tauschen?
Jörg2 meint
Gunarr
Die Entwicklung von Zellchemie und Ladetechnik läuft eher genau in die andere Richtung.
Freddy K meint
Verteilverkehr steht des Nachts….PV-Strom kann nur tagsüber gespeichert werden….
Jörg2 meint
Freddy K
PV-Strom kann auch nachts gespeichert werden. ;-))
Thomas Claus meint
Warum will man denn bei Lkw die 800 Volt Technik nutzen und dann so hoch in der Amperezahl gehen. Es wäre doch besser hier die Spannung weiter zu erhöhen um die Amperezahl zu begrenzen sowie den Leitungsquerschnitt zu begrenzen.
Freddy K meint
Ladespannung pro Zelle 3,8V….
Das muss beibehalten werden.
Kostenfaktor….
stdwanze meint
Was hat denn die Einzelspannung einer Zelle mit der Systemspannung zu tun? Richtig ist, 800V Systeme (nominal) bleiben unter 1000V. Drüber braucht es mindestens neue Schulungen und Ausrüstung. Daher ist man hier Limitiert. Ich verstehe die Problem nicht.
Gehen wir von 2 kWh/km aus. Bei 800 kWh Batterie und 80% Nutzung komme ich auf 320 km. Bei 70 km Durchschnittsgeschwindigkeit komme ich auf 4,5h. Ein Fahrer darf eh nicht länger als 6 Stunden fahren. In den 30 Minuten Mindestpause läd er gute 400 kWh nach. Nach 10 Stunden darf er wiederum nur 4,5h fahren.
Ich denke das allein schon aktuelle Zugmaschinen ein Speditionsverkehr ermöglichen sollten. Und dieser ist eh nur ein kleiner Teil aller LKWs. Da ist also noch gut Luft bis man diese elektrifiziert.
Stefan meint
In den Szenarien, wo hohe 3MW Ladeleistung im LKW gebraucht werden, wird der Fahrer gewechselt, wenn er eine Pause braucht, der LKW fährt sofort mit einem anderen Fahrer weiter.
Kommt nicht so oft vor, gibt es aber wohl.
Solche Speditionen brauchen dann statt 20 LKW etwa 5 LKW mehr, wenn Sie zwischendrin immer einige LKW für 30-45 Minuten zum laden abstellen müssten.
Jörg2 meint
Stefan
Ich kenne ein solches Szenario nicht.
Vorstellbar vielleicht auf Großbaustellen, Tagebaue, vielleicht noch ÖPNV….
Im Transportgewerbe wird es schwer, für solch Modell Fahrer zu finden.
Stefan meint
Warum nicht mehrere Kabel und mehrere DC-Kontakte, die in einem Stecker vereinigt sind?
Stabilisierung des Netzes klingt gut und kann funktionieren, wenn Strom im Akku ist.
Normalerweise werden viele LKW und Pufferakkus in den Ladestationen aber nachts aufladen und stehen dann nur ein Teil der Nacht für Stabilisierung zur Verfügung.
ID.alist meint
Jeder Kontakt bedeutet Verluste. Mehrere dünne Kabeln und mehrere Stecker bedeutet mehr Verluste. Was eigentlich keiner will, oder?
Stefan meint
Wenn man mit 3 MW Ladeleistung arbeiten möchte, muss man wohl höhere Verluste in Kauf nehmen als man bei unter 1 MW hätte.
Bevor die Kontakte wegen zu viel Strom durchschmelzen.
Michael meint
Schwärme von LKW die ihren Strom nachts in das Netz speisen, nette Vorstellung.
Kasch meint
Ja, man träumt halt gerne bei uns. Und selbstverständlich wieder Fördergelder für Pilotanlagen. Der Spediteur, der wirtschaftlich handeln muss, wird sicherheitshalber Semis mit vollständiger Infrastruktur bestellen und in seinen Hallen von Tesla installieren lassen.
Meiner_Einer meint
Genau, weil es diese Infrastruktur für den Semi ja schon gibt… Tesla-Träumerei
Kasch meint
Richtig, gibt es schon Jahre, stehen in Nevada und Fremond, für Semis die dazwischen, ebenfalls seit Jahren, Akkupacks transportieren. Bis endlich ausreichend Zellen verfügbar sind, wird / wurde das Gesamtpacket incl. Solar, stationäre Speicher, KI Autobidder in einem virtuellen Kraftwerk mit weiteren dezentralen Speichern von Privatpersonen aufgebaut und optimiert. Erste Bundesstaaten die sich auf Stromversorger Tesla freuen dürfen, sind vermutlich Texas und Californien. Zusammenhänge kann man verstehen, muss man aber nicht. 😁
Kasch meint
Ups, Fremont statt Fremond, bevor ich gleich erfahre, dass es diesen Ort laut google ja gar nicht gibt.
OMG meint
Und wo ist da jetzt das Problem?
Tesla hat doch die Supercharger auch ohne externe Hilfe für die Pkw überall nach Bedarf aufgebaut. Und siehe da, es ist aktuell das am weitesten verbreitete System der Welt. Warum soll das zusammen mit der Verbreitung der Semi Lkw jetzt auf einmal nicht mehr funktionieren?
Wenn sich andere Hersteller ein Beispiel an Tesla nehmen würden, kämen sie schneller in die Hufe. Aber da bettelt man lieber um Fördergelder und jammert rum, daß ja alles sooooo keinen Sinn macht. Ohne Tesla würden wir uns BEV technisch noch im Mittelalter befinden.
Jörg2 meint
Meiner_Einer
Ich habe verstanden, dass TESLA den „Semi“ derzeit an Firmen anbietet, die sich auch die Ladeinfrastruktur auf den eigenen Hof stellen.
Insofern: Ja, die Ladeinfrastruktur ist (dann) da.
Kasch meint
Genau, mit MW-Geschwindigkeit und zweimal DC-AC wandeln zu einer Gesamtverlustleistng von 30% und einem Akku der das keine 10 Jahre mitmacht. Selbstverständlich ohne Entschädigung 🤣😂.
Thomas Claus meint
In der Nacht gibt es eigentlich keinen Mangel an Strom. Von daher macht das so keinen Sinn.