Der Energiekonzern E.ON und das US-Start-up für Elektro- und Wasserstoff-Lkw Nikola haben im September erklärt, die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs vorantreiben zu wollen. Nun konkretisierten die Unternehmen die Pläne: Bis 2027 planen die Partner die Lieferung von grünem Wasserstoff für bis zu 5000 entsprechend angetriebene Nikola Tre FCEV.
In den Folgejahren sind Liefermengen mit „steigender Tendenz” vorgesehen. Ein im September angekündigtes Joint Venture von E.ON und Nikola soll Anfang nächsten Jahres die Arbeit aufnehmen und die gesamte Wertschöpfungskette abdecken – „von der Versorgung mit grünem Wasserstoff über den Aufbau einer Betankungsinfrastruktur bis hin zur Bereitstellung von FCEVs”.
Die Kooperation erfolgt zwischen Nikola Energy und E.ON Hydrogen, je 100-prozentige Töchter der Nikola Corporation und der E.ON SE. Der Fokus liegt auf schweren Lkw. Ziel ist es den Unternehmen nach, die Technologielösungen von Nikola in der Transportbranche mit dem Know-how von E.ON bei Energienetzen und Kundenlösungen zu kombinieren.
„Bei allem, was wir tun, orientieren wir uns an den Bedürfnissen unserer Kunden (…). Um die Wasserstoffinfrastruktur für unsere Kunden sicherzustellen, arbeiten wir mit unserem Partner E.ON an kosteneffizienten und nachhaltigen Straßentransportlösungen”, sagt Michael Lohscheller, Präsident und CEO der Nikola Corporation. „Unser gebündeltes Leasingprogramm, das den Nikola Tre FCEV, den Wasserstoff und die Wartung umfasst, ist ein Novum für die Branche. Es senkt und vereinfacht die Gesamtbetriebskosten für Flotten- und Lkw-Besitzer.”
„Bereits im Jahr 2027 könnten wir potenziell mehr als 200 Millionen Liter Diesel durch Wasserstoff ersetzen und die CO2-Emissionen deutlich reduzieren − und das ist erst der Anfang. Gemeinsam mit Nikola werden wir den ersten kommerziell nutzbaren Markt für die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie in Europa schaffen”, so Patrick Lammers, COO Customer Solutions bei E.ON.
Der Nikola Tre ist ein speziell für den europäischen Markt konzipierter Lkw. Für die Region arbeitet das Start-up mit dem italienischen Nutzfahrzeughersteller Iveco zusammen. Zuerst startet die rein elektrische Version des Tre. Bis 2024 soll dann auch die Variante mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektrosystem für mehr Reichweite und schnelles Tanken eingeführt werden. Mit dem Brennstoffzellen-Fahrzeug peilt Nikola eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern an, die rein batteriebetriebene Ausführung soll auf 500 Kilometer kommen.
Christian Potthoff-Sewing meint
Tatsache ist einfach, dass wir unseren Energiebedarf nicht komplett in Form von Strom herstellen oder importieren können. Wir werden einen erheblichen Teil unserer Energie in Form von Wasserstoff importieren. Der Bedarf der Industrie ist riesig, und dieser Bedarf wird den Ausbau der H2 Infrastruktur treiben. Die H2 Tankstellen werden quasi als Nebeneffekt auf der dann bestehenden Infrastruktur aufsetzen. Dann spricht die kürzere Ladezeit, die marginalen Kosten für den Aufbau der Infrastruktur, die Gewichtsersparnis und die größere Reichweite für H2. Für den BEV Truck sprechen dann vielleicht noch die Kosten der Anschaffung, wobei noch nicht abzusehen ist, wie viel günstiger die notwendigen H2 Komponenten noch werden. Hier stehen wir erst am Anfang
Oliver . meint
Absolut. Für Nutzfahrzeuge ist H² der Treibstoff der Zukunft. Allein die Gewichtsreduzierung durch kleinere und leichtere Batterien sind gerade für Flottenanwender unabdingbar. Habe in diesem Bereich lange gearbeitet und weiß von was ich rede.
Frank meint
Hat jemand mal ausgerechnet wieviel Windkraftanlagen mehr gebraucht werden, wenn man die gesamte Diesel LKW-Flotte statt auf BEV auf FCEV umstellt?
Wenn wir dann auf Wasserstoff LKWs umgestellt haben und der LKW-Kilometer die doppelten bis dreifachen Energiekosten (im Vergleich zum Batterie LKW) mit sich bringt hat das wenigstens den Vorteil, dass die Autobahnen wieder leerer werden.
Jensen meint
Eine interessant-seltsame Herangehensweise, die Nikola da beabsichtigt: Zuerst der Kundschaft einen nahezu direkten Weg der Energienutzung im BEV-LKW anzubieten, um danach aufzuzeigen, dass es auch noch mit einem einem deutlich weiteren und aufwendigen Umweg per FCEV gehen kann.
Mal so als Gedanke: Sollte der batterieelektrische LKW von Nikola nicht absichtlich „schlecht“ und zu teuer im Schaufenster stehen, dürfte der nachfolgende FCEV-Laster samt Wasserstoff weitgehend überflüssig werden.
Mark Müller meint
Der Punkt ist, dass sich bei der Batterie Leistung und Energie nicht separat skalieren lassen, bei Verbrennern oder FCEV aber schon. Bei einem FCEV ist einfach der Grundpreis etwas teurer, weil ich noch die Brennstoffzelle brauche, dafür kann ich dann die Energie mit wenig Kosten und Gewicht separat hinzufügen.
Wenn Sie – auf Papier oder im Kopf – zwei Kurven zeichnen, bei der eine beim 0/0-Punkt startet und 45 Grad steigt (BEV), die andere auf 1/4 der Höhe der y-Achse (Preis) startet, aber nur 30 Grad steigt, dann schneiden sich diese Kurven irgendwo. Sehen Sie das?
Dieser Punkt gibt an, ab welcher Energiemenge (bzw. Reichweite) die FCEV-Lösung billiger ist. Aktuell ist das bei einem schweren LKW wohl etwa bei 300-500 km. Je nach Entwicklung der Preise von Batterien und Brennstoffzellen/H2-Tank, wird dieser Punkt künftig an einem anderen Ort sein. Ich persönlich gehe davon aus, dass alles was mit grosser Leistung mehr als 2-3 Stunden laufen muss, billiger mit H2 betrieben wird, sobald die H2-Komponenten grossindustriell gefertigt werden (ab ca. 2025).
Draggy meint
Sie haben diesen Punkt mit der Energie und Leistungsskalierung schon mehrfach gebracht und ich sehe den Sinn immer noch nicht. Was soll es ausmachen wenn 1MWh Akku mit 5C Theoretisch 5MW Leistung abgeben könnte?
Man nutzt das halt einfach nicht und begrenzt den Konverter auf z.b. 300KW und gut ist. Die theoretische Akkumehrleistung kostet ja nichts, weder Geld noch Laderaum noch extra Gewicht.
Thomas meint
Dreifacher Energieverbrauch eines Tesla Semi bei gleicher Reichweite. Da müsste der H2 LKW ja quasi umsonst sein, um die gleiche TCO zu erreichen. Ambitioniert :-)
Mark Müller meint
Der Strompreis schwankt in Europa fast jeden Tag, sicher aber periodisch, zwischen 1 Cent pro kWh oder weniger und 30 Cent pro kWh oder mehr.
Wenn einer immer den Strom für 30 Cent nehmen muss, fährt der andere, der den Strom für 1 Cent nehmen kann auch dann noch billiger, wenn er dreimal so viel braucht.
Um nur ein Beispiel zu machen, warum es nicht nur auf die Menge ankommt, sondern auch noch auf Zeit, Ort und weitere Parameter.
MichaelEV meint
Ein Elektrolyseur läuft aber die meiste Zeit durch, wird sich nicht auf die günstigen Zeiträume fokussieren sondern nur die teuren vermeiden können.
Das Potential gerade die günstigen Zeiträume zu nutzen ist bei der Technologie am größten, die die Energie auch ein Vielfaches effizienter nutz: rein elektrisch.
alupo meint
Bei uns im Werk mussten alle 3 Elektrolyseanlagen (Wasserstoff fällt dort als Nebenausbeute an, Hauptprodukte waren Chlorgas und Natronlauge, gefahren wurden die Anlagen nach dem Chlorgasbedarf im Werk) sehr konstant gefahren werden um nicht hohe Reparaturkosten an den Elektroden zu verursachen. Das wäre sehr schlecht für deren Wirtschaftlichkeit gewesen.
Weiterhin ist eine Minderauslastung immer wirtschaftlich tödlich für ziemlich jede Anlage und wird daher von jedem wirtschaftlich operierenden Unternehmen vermieden.
Ich bin überzeugt, dass auch bei der bei der oft zitierten, aber immer noch total unwirtschaftlichen H2-Elektrolyse die gleichen technischen und betriebswirtschaftlichen Bedingungen gegeben sind, dass also ein „Rauf- und Runterfahren“ der Anlage nicht gut bekommt und dass die Wirtschaftlichkeit darunter leidet, wenn man aus einer 500.000 Nm3 großen Anlage (mit den entsprechend großen Kosten p.a.) nur 100.000 Nm3 pro Jahr produziert sollte auch einem „einfachen Bürokaufmann“ klar sein.
Daher: mit H2 im LKW wird alles teurer. Und zwar gewaltig. Wers will, bitteschön, aber nicht motzen wenn sich der Geldbeutel dann schnell leert.
Zur Zeit wird der Wasserstoffpreis an den wenigen Tankstellen massiv subventioniert, durchaus vergleichbar mit den früher oft kostenlosen Lademöglichkeiten der BEVs.
Mark Müller meint
Wenn die aktuell im Bau befindlichen Anlagen in Spanien, Kanada, Chile und Australien ab 2024 laufen, wird man Wasserstoff lokal für 1.5-2 $/kg produzieren und in Rotterdam für 2-2.5 $/kg kaufen können.
In den USA gibt es mit dem IRA sogar eine Zeit lang 3 $ Subvention pro kg grünen Wasserstoff; er wird also eine Zeit lang mehr oder weniger nichts kosten. Zudem kriegt man für weitere H2-Projekte, wie z.B. den Kauf von H2-LKW noch einmal 1/3 der Kosten direkt oder indirekt (Steuern) ersetzt. Das wird den Hochlauf der Wasserstoff-Mobilität stark fördern.
Wenn das alles um 2030 vorbei ist, wird man Wasserstoff für 1.5$ in Rotterdam kaufen können, die FCEV-Komponenten werden grossindustriell gefertigt, und die TCO eines FCEV-Langstrecken-LKW werden tiefer sein als die eines entsprechenden Diesel-LKW heute. Operation gelungen.
Mark Müller meint
Vergessen habe ich noch das europaweite H2-Pipeline-Netz, das im 2030 auch schon stark ausgebaut sein wird (von dem übrigens heute schon viel mehr Strecken existieren, als man gemeinhin annimmt).
H2 wird also in Europa mittel- bis langfristig eher wie Erdgas verteilt werden, als wie Benzin und Diesel.
MichaelEV meint
Die übliche H2-Träumereien. Der Bedarf an Wasserstoff ist riesig, grüner Wasserstoff bisher kaum existent. Für die ganzen hinten in der Nahrungskette stehenden (Verkehr) bleibt erst in 2-3 Jahrzehnten etwas übrig.
Thomas meint
Extrem günstiger Strom ist zukünftig an maximal 1.500 h/a zu erwarten. H2 aus dem Elektrolyseur kann aber erst ab 5.000h/a günstig sein, weil sonst die Elektrolyseurkosten die H2-Gestehungskosten dominieren. Gibt es ein gutes Diagramm von ffe zu.
Mark Müller meint
Extrem günstigen Strom gibt es aber auch an der Küste von Mauretanien, wo der Wind konstant bläst und die Sonne viel scheint.
Dito in Patagonien, Namibien, Nordwest-Australien, …